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"Kahlschlag-Diesel"

Naturschützer warnen vor Biotreibstoffen aus dem Regenwald

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"Die Förderung der Biokraftstoffe ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung", sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Peter Paziorek, anlässlich des Kraftstoffkongresses im Rahmen der Bioenergiemesse ENBIO 2006. Vor dem Hintergrund von Forderungen der Europäischen Union sollen den Kraftstoffen auch in Deutschland zunehmend mehr Biotreibstoffe beigemischt werden. Wer Kraftstoffe in den Verkehr bringt, wird ab Anfang 2007 verpflichtet, bei Diesel einen Anteil von 4,4 Prozent Biokraftstoffe und bei Ottokraftstoff zunächst 2 Prozent beizumischen. Insgesamt soll bis 2010 ein Biokraftstoffanteil von 6 Prozent erreicht werden. Die Biokraftstoffe zur Erfüllung dieser Quoten sollen künftig der vollen Mineralölsteuer unterliegen. Die Umweltorganisation Rettet den Regenwald (RdR) warnt vor einer Verwendung von Biotreibstoffen aus den Tropen. In Emden werde zur Zeit die erste Palmöl-Raffinerie Deutschlands geplant, die ab 2007 jährlich rund 430.000 Tonnen Palmöl aus Indonesien zu "Bio"diesel verarbeiten solle. Dabei handelt sich nach Einschätzung der Umweltschützer nicht um Erneuerbare Energien, sondern um "Kahlschlag-Diesel".


Die Organisation Rettet den Regenwald fordert die Bundesregierung auf, den Einsatz von tropischen Lebensmittelpflanzen wie Palmöl oder Soja ausschließlich zur Energiegewinnung zu verbieten. Der Anbau von tropischen Pflanzen für die Produktion von so genannten Biotreibstoffen vernichte riesige Flächen wertvollen Regenwaldes.

Die vermeintlich neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung beispielsweise aus Palmöl sei eine Milchmädchenrechnung, die nicht berücksichtige, wo die nachwachsenden Rohstoffe angebaut würden. Die Sumpf- und Torfwälder auf Sumatra und Borneo seien bedeutende "Kohlendioxid-Senken", würden also das Treibhausgas in ihrem organischen Material binden. "Genau diese Wälder werden per Brandrodung vernichtet und die Flächen für Palmöl-Plantagen genutzt", kritisiert Reinhard Behrend von Rettet den Regenwald. "Damit verschwinden nicht nur wichtige Ökosysteme, auch der Vorteil durch die Nutzung biogener Treibstoffe relativiert sich mit der Vernichtung der Kohlendioxid-Senken." Grundsätzlich müssten für den Einsatz von Kraftstoffen aus Pflanzen strenge ökologische Kriterien gelten.

Die Tropenwaldschützer wenden sich gegen den Bau einer Palmöl-Raffinerie in Emden. "Wer so etwas genehmigt oder staatlich subventioniert, macht sich zum Regenwaldvernichter", so Behrend . "Bio"sprit aus dem Regenwald reiße tiefe Wunden in das sensible Ökosystem, zudem würden Kleinbauern und Wald­be­woh­ner von den Palmölkonzernen systematisch vertrieben. Kinder und Tagelöhner arbeiteten "für ei­nen Hungerlohn" auf den Plantagen. Nur deshalb sei das Palmöl "so billig zu haben".

EUROSOLAR: "Mineralölkonzerne kommen ihrer Beimischungspflicht mit Billigimporten nach"

Auch der Solarenergieverband EUROSOLAR kritisierte unlängst, dass die Mineralölkonzerne ihrer Beimischungspflicht "mit Billigimporten" nachkommen würden, "hinter denen höchst zweifelhafte Anbaukonzepte stehen – unter anderem aus Ländern, in denen Tropenwälder abgeholzt werden, um Plantagen für Energiepflanzen anzulegen". Importierte Biokraftstoffe, hinter denen unökologische Anbaubedingungen und lange Lieferketten stünden, seien "ökologisch unverantwortlich".

EUROSOLAR tritt seit Jahren für eine heimische Biomasseerzeugung und für so genannte Rein-Biokraftstoffe ein. Die Chance, dass die Landwirtschaft eine neue Perspektive erhalte, werde durch die Planungen der Bundesregierung "ebenso schwerwiegend beeinträchtigt wie die der Entstehung neuer Arbeitsplätze". Auf den strukturellen Belebungseffekt für die Binnenkonjunktur insgesamt und besonders für die ostdeutsche Wirtschaft werde dadurch leichtfertig verzichtet.

Die durch die Beimischungspflicht ermöglichte Besteuerung von Biokraftstoffen und die damit erhoffte Erhöhung der Steuereinnahmen wird nach Auffassung von EUROSOLAR "zur Luftbuchung, die die herkömmlichen Strukturen konserviert". Fahrzeuge, die "Rein-Biokraftstoffe" tanken könnten, erhielten dadurch noch auf längere Sicht keine Marktchance in Deutschland. Dies sei technologisch kurzsichtig und mit einer "Weg vom Öl"-Strategie unvereinbar. Eine Vollbesteuerung der Rein-Biokraftstoffe ab 2009 bzw. 2015 mache diese am Markt teurer als fossile Kraftstoffe. Damit werde das Verursacherprinzip des Umweltschutzes ad absurdum geführt.

Die "Fixierung auf die Beimischungsquote" durch die Bundesregierung lade "zur Kartellbildung geradezu ein und würde zur krassen Wettbewerbsbeschränkung führen, weil mittelständische Anbieter keine Chance mehr haben". Die Biokraftstoffe würden so "einem Anbietermonopol der Mineralölkonzerne" ausgeliefert. Die Chance der Entstehung mittelständischer Anbieter für Biokraftstoffe würde zunichte gemacht. "Der Mineralölwirtschaft – der einzige Sektor der Energiewirtschaft, der von keinerlei Liberalisierung erfasst ist und der sich bisher der Etablierung von Biokraftstoffen vollständig widersetzt hat – würde die Biokraftstoffeinführung ausgeliefert werden: Der Bock wird so zum Gärtner gemacht", kritisiert EUROSOLAR-Präsident Hermann Scheer.

Scheer fordert weiterhin eine Steuerermäßigung für Biokraftstoffe anstelle einer Beimischungspflicht, wie sie die Bundesregierung plant. Er verweist auf das Ausland: "Schweden, das innerhalb der EU die offensivste und durchdachteste Biokraftstoffstrategie hat und bis 2020 eine vollständige Importunabhängigkeit von Erdöl realisiert, hat als zentrales Schlüsselelement die Steuerermäßigung der Biokraftstoffe." Und sogar die USA kämen bereits vor 2010 auf einen Biokraftstoffanteil von 10 Prozent.

Auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell (Grüne) wandte sich kürzlich gegen die Beschlüsse der großen Koalition, mit der Besteuerung von Biokraftstoffen die "Ära der biogenen Reinkraftstoffe" aus Deutschland zu beenden. Union und SPD schadeten damit den Absatzmärkten der heimischen Landwirtschaft, dem Mittelstand, dem Umweltschutz und der Versorgungssicherheit Deutschlands. Bis 2015 sollten nach den Plänen der Bundesregierung "lediglich die synthetischen Biokraftstoffe ausgenommen sein, die nicht nur zufällig die Lieblingskinder der Mineralölindustrie, von VW und von Umweltminister Gabriel sind", so Fell.

Demonstration gegen die Biokraftstoff-Steuerpläne der Bundesregierung

EUROSOLAR ruft zusammen mit zahlreichen weiteren Organisationen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien zu einer bundesweiten Großdemonstration für Biokraftstoffe am 10. Mai 2006 in Berlin auf. Der vorgesehene Wegfall der bis 2009 geltenden Steuerprivilegierung für Biokraftstoffe verunsichere Landwirte, Anlagenbauer und Projektentwickler. Vor allem kleinere, neue Anbieter würden existenziell gefährdet. Umweltbewusste Verbraucher, Kommunen oder Spediteure, die ihre Fahrzeuge umgerüstet haben, würden Nachteile erfahren. Seitens der Biokraftstoff-Produzenten wären durch die Planungsunsicherheiten "Investitionen von rund 1 Milliarde Euro blockiert". Nicht zuletzt brächten die Pläne zwischen 30.000 und 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

"Mit ihren Steuerplänen fällt die Bundesregierung der jungen Branche in den Rücken. Landwirte und Industrie brauchen Planungs- und Investitionssicherheit," kritisiert Scheer. Geringfügige Mehreinnahmen würden durch Steuerverluste und höhere Sozialkosten "der dann kollabierten Branche" aufgehoben - während die Steuerfreiheit für Kerosin unangetastet bleibe.

Mit der Beimischungsplicht wolle die Bundesregierung die Landwirte "zu bloßen Zulieferern der Mineralölkonzerne" machen. Diese aber würden "die Konkurrenz der neuen mittelständischen Vertriebswege für Biokraftstoffe verlieren und Kostenvorteile erfahrungsgemäß nicht an die Verbraucher weitergeben".

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