Morales kündigte auch an, dass die in den 90er Jahren erfolgte Privatisierung von Unternehmen der Öl- und Gasindustrie rückgängig gemacht werde. Dabei werde der Staat die Aktien im Besitz von ausländischen Firmen übernehmen.
Zu den von der Maßnahme betroffenen Konzerne zählen die brasilianische Petrobras, das spanisch-argentinische Unternehmen Repsol YPF, die britischen Unternehmen British Gas und BP sowie der französische Konzern Total. Sie sollen künftig ihre Geschäfte nur noch über die staatliche Gesellschaft Yacimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos (YPFB) abwickeln können.
Der Streit um das Erdgas steht seit Jahren im Mittelpunkt der bolivianischen Politik. Mit dem Versprechen der Verstaatlichung gewann Morales am 18. Dezember vergangenen Jahres die Präsidentenwahl mit 54,2 Prozent der Stimmen. Er ist der erste bolivianische Präsident, der der indianischen Bevölkerungsmehrheit angehört.
Morales kündigte zudem an, auch weitere Wirtschaftsbereiche unter die Kontrolle des Staates stellen zu wollen. "Wir haben gerade erst angefangen, und es gibt noch viel zu tun", sagte er vor Tausenden jubelnder Anhänger am Sitz der Regierung in La Paz. "Schon bald werden die Minenunternehmen, die Forstwirtschaft und alle anderen nationalen Reichtümer, für die unsere Vorfahren gekämpft haben, an die Reihe kommen", fügte er hinzu.
Die Europäische Union hat die Verstaatlichung der Erdöl- und Erdgasindustrie Boliviens "mit Sorge zur Kenntnis genommen". Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Dienstag in Brüssel: "Wir hatten die Hoffnung, daß es vor einer endgültigen Entscheidung einen Prozeß der Konsultation und Diskussion geben würde."
Die spanische Regierung hatte die Verstaatlichung der Erdöl- und Erdgasindustrie mit „großer Sorge“ aufgenommen. Madrid warnte Morales davor, der „internationalen Gemeinschaft der Investoren ein negatives Zeichen zu geben“. Spanien rief die Regierung in La Paz nach Presseberichten auf, mit den betroffenen Unternehmen eine Lösung auszuhandeln, die alle Seiten zufriedenstellt.
Attac kritisierte hingegen die Haltung von Außenminister Steinmeier. Die Globalisierungskritiker verwiesen darauf, dass über fünfzig Prozent der bolivianischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten . "Die Maßnahmen, die die Öl und Gasindustrie unter öffentliche Kontrolle stellen hat Evo Morales bereits in seinem Wahlkampf angekündigt. Sie stellen daher den demokratischen Willen der Bolivianer dar", meint Oliver Moldenhauer von Attac.
"Neoliberale Konzepte wie die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge" hätten nicht zu dem versprochenen Wohlstand geführt. "Wir fordern darum Herrn Steinmeier auf, keinen Druck auf Regierungen wie Bolivien auszuüben, die in legaler Weise einen anderen Weg eingeschlagen haben und damit den vielen Armen eine Perspektive eröffnen wollen. Die Bundesregierung sollte den demokratischen Willen der Bolivianer anstatt die Interessen transnationaler Unternehmen fördern", so Moldenhauer.