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"Wer Kinder hat, hat Pech gehabt"

Diskussionen über den Familienbericht der Bundesregierung

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In ihrer Stellungnahme zum 7. Bericht über die Lage der Familien verweist die Bundesregierung auf den hohen Stellenwert der Familie. Zahlreiche Studien belegten, dass Familien hoch geschätzt würden. Für über 90 Prozent der Menschen sei die Familie der wichtigste Bereich in ihrem Leben. Kein anderer Lebensbereich - weder Arbeit, noch Freundeskreis, noch Freizeit - reiche an den Stellenwert der Familien heran. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen begrüßte bei der Vorstellung des Berichts dessen Grundthese: "Familie ist lebendig und hat Zukunft." Die Zeiten und damit auch die Haltung der jungen Menschen hätten sich geändert: Frauen wollten Kinder und eine aktive Berufstätigkeit, und Männer seien bereit, Erziehungsverantwortung zu übernehmen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hob in ihrer Stellungnahme auf das wirtschaftliche Risiko für heutige Familien ab: "Wer Kinder hat, hat Pech gehabt". Die Gewerkschaft fordert eine "Familienkasse".


Während die Lebensform Familie "zeitgemäß und lebendig" sei, gilt dies nach Auffassung der Bundesregierung nicht für die Angebote "der Gesellschaft" für Eltern. Im 7. Familienbericht hätten Experten Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik erarbeitet. Der Bericht komme zu dem Schluss, dass Familien neue Rahmenbedingungen bräuchten. Nur so sei Erwerbsarbeit und Familienarbeit in Einklang zu bringen. Familienpolitik müsse sich mehr an den Wünschen und Lebensrealitäten der Menschen orientieren.

Die Empfehlungen der Kommission umfassen nach Darstellung der Bundesregierung insbesondere eine gezielte finanzielle Unterstützung, vor allem in den ersten Monaten nach einer Geburt, die Unterstützung durch gute Betreuungs- und Dienstleistungsangebote sowie flexible und familiengerechte Arbeitsbedingungen, die den Faktor Zeit positiv beeinflussen könnten.

Der Familienbericht unterstütze auch "ganz klar das Elterngeld", so von der Leyen. Der Familienbericht untermauere, dass Familien einen "Dreiklang aus Zeit, Geld und Infrastruktur" bräuchten. "In allen drei Bereichen haben wir bereits ein Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht."

Das geplante Elterngeld, der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und haushaltsnahen Dienstleistungen sowie Mehrgenerationenhäuser machen Deutschland nach Auffassung der Ministerin "kinderfreundlicher und können jungen Menschen mehr Mut zu Kindern geben".

Bertram: Deutsche haben zu wenig Zeit zum Kinderkriegen

Nach Ansicht des an dem Familienbericht federführend beteiligten Berliner Professors Hans Bertram haben deutsche Paare zu wenig Zeit zum Kinderkriegen. Lange Ausbildungszeiten und ökonomische Abhängigkeit von den Eltern führten zu einer kurzen "Rush-Hour" für Berufseinstieg und Familienbildung. Die Lust auf Familie und Kinder lasse sich durch mehr Geld, mehr Nachbarschaftshilfe und ein besseres Zeitmanagement im Lebenslauf und im Alltag stärken.

Während in Deutschland ein Akademiker nur rund fünf Jahre für diese Lebensentscheidungen zur Verfügung habe, seien es in anderen Ländern rund sieben Jahre, so Bertram. "Gestufte Einstiegsmöglichkeiten" könnten die "Rush-Hour des Lebens" entzerren, schlug er vor. Bertram machte auch eine hohe zeitliche Belastung berufstätiger Eltern aus. Hier liege Deutschland nach den USA an zweiter Stelle. Die Betreuung von Kindern werde für Eltern wegen fehlender Infrastruktur oft zum "Notfallmanagement".

Deutschland liege mit seinen Ausgaben für Familienpolitik zwar im EU-Durchschnitt, setze den Schwerpunkt aber bei den sozialen Leistungen. Länder mit höheren Geburtenraten hätten dagegen die Infrastruktur ausgebaut, sagte Bertram.

Der Professor unterstützte das von der Bundesregierung geplante Elterngeld. Damit stünden Frauen weiter ökonomisch auf eigenen Füßen. Untersuchungen zeigten, dass dadurch die Abhängigkeit von Sozialhilfe sinke. Bertram regte an, man könnte ähnliche Leistungen auch für die Pflege älterer Menschen einführen.

GEW fordert eine "Familienkasse"

"Wer Kinder hat, hat Pech gehabt", kommentierte Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), den Familienbericht. Kinder seien nach wie vor Armutsrisiko Nummer eins in Deutschland. "Das ist beschämend für ein so reiches Land wie die Bundesrepublik."

Thöne machte sich für eine "Familienkasse" stark. Die Strukturen von Unterstützungsleistungen müssten transparenter und bürgernäher werden, begründete er den Vorstoß der GEW. "Jeder muss wissen, was ihm zu steht und wie er an die Leistungen heran kommt." Niemandem solle etwas genommen werden. "Wer 150 Euro Kindergeld bekommt, aber 300 Euro Kita-Gebühren für einen Ganztagsplatz zahlen muss, hat wenig vom bisherigen System."

Eine "gebührenfreie Ausbildung" der Kinder nützt den Familien nach Darstellung der GEW "mehr als ein Mix aus Ehegattensplitting, Freibeträgen, Erziehungs- und Kindergeld sowie BAFöG". "Die Kasse" müsse Familien so unterstützen, dass Eltern ihre Kinder nicht zu Hause ließen, weil die Kosten der Angebote zu hoch seien, so Thöne.

Das erfordere ein radikales Umdenken in der Familienfinanzierung. Hierzu gehöre, einen größeren Teil der bisherigen Leistungen direkt in die Bildungsinstitutionen zu lenken. "So lässt sich der gebührenfreie Zugang zu Bildungseinrichtungen für alle Kinder und Jugendlichen bis zum 14. Lebensjahr finanzieren und gleichzeitig die Qualität der Angebote verbessern."

Zusätzlich müsste beispielsweise die Zahl der Krippen- und Kita-Plätze erhöht und die unterschiedlichen Angebote besser aufeinander abgestimmt werden. Es gelte Familienarmut zu beseitigen, Randgruppen stärker zu integrieren, den Zugang zu Bildungsangeboten zu erleichtern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

"Die skandinavischen Länder haben gezeigt, dass der von uns vorgeschlagene Weg erfolgreich ist", so Thöne. Mit dem Familienbericht, dem Kinder- und Jugendbericht sowie dem Armuts- und Reichtumsbericht habe die Politik hervorragende Analysen und Anregungen unabhängiger Wissenschaftler. Regierung und Parlament müssten jetzt entscheiden, welche politischen Schlussfolgerungen zu ziehen sind.

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