"Wir haben den Verdacht, daß Thyssengas die überwiegend von Eon finanzierten Reisen teilweise mitfinanziert hat", sagte der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Günther Feld. Das sei womöglich der Fall gewesen, weil beide Unternehmen in manchen Versorgungsgebieten anteilig das Gas an die örtlichen Stadtwerke lieferten.
Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen
Eon Ruhrgas hat sich in einem Schreiben an seine Stadtwerke-Kunden gegen Vorwürfe verteidigt, Vergnügungsreisen für Kommunalpolitiker finanziert zu haben. "Durchgeführt wurden in erster Linie die Besichtigung von Bohrplattformen und Betriebsstätten sowie Vortragsveranstaltungen im In- und Ausland", heißt es in dem der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" vorliegenden Brief. Dabei sei der Informationscharakter bestimmend gewesen. Der Verdacht einer Vorteilsgewährung sei nicht begründet.
Bei den Ermittlungen geht es laut laut Frankfurter Allgemeinen um den Verdacht, dass Eon Ruhrgas Aufsichtsräten und Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge zu stimmen.
Hinweise auf ähnliche Reisen für 50 weitere Lokalpolitiker in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland würden weiter geprüft. Es gebe aber noch keine Ermittlungen, die so konkret seien wie gegen die nordrhein-westfälischen Beschuldigten, sagte Feld den Angaben zufolge. Eventuell betroffene Stadtwerke oder andere Versorgungsunternehmen in diesen Bundesländern nannte er deshalb nicht.
Die Staatsanwaltschaft war offenbar im Mai vergangenen Jahres durch einen Zeitungsbericht über eine Reise von rheinischen Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen auf die angeblichen "Lustreisen" aufmerksam geworden. Eine Durchsuchung unter anderem bei der Essener Eon Ruhrgas habe das jetzt ausgewertete Beweismaterial erbracht.
"Verfilzt und zugenäht"
Der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete Reiner Priggen sagte, er sehe "eine gewisse Tradition darin, dass Entsorgungsunternehmen, aber auch Energieerzeuger versuchen, sich Kommunalpolitiker gefügig zu machen". Der Übergang zur Korruption sei fließend.
Die Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte Leistungen", meint der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Aufwändige Reisen, zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."
Der Journalist Franz Alt weist darauf hin, dass E.on Politiker mit Partnerinnen zu Reisen nach Barcelona und ins Elsaß eingeladen haben soll. "Der Energiekonzern verkauft Erdgas", so Alt. "Bisher jedoch hat niemand in Barcelona oder im Elsaß Gasquellen entdeckt." Alt vermutet, dass bundesweit tausende Politiker "am Tropf der alten Energiewirtschaft" hingen "wie ein Junkie an der Nadel". Den schleppenden Umstieg der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien erklärt er mit diesen Verflechtungen. Alt: "Verfilzt und zugenäht".
RWE und Eon waren zuletzt in die Kritik geraten, weil sie - mit behördlicher Billigung - die Erdgaspreise kräftig erhöht hatten. Vor gut einem Jahr stand RWE zudem am Pranger, weil bekannt wurde, dass der Energiekonzern Bundestagsabgeordnete alimentiert hat, darunter den damaligen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.