Das globale Energie-Szenario hat sich in den letzten Jahren laut Glos deutlich zugespitzt: Die Nachfrage nach Energie steige weltweit. Mit China und Indien seien neue große Nachfrager auf den Plan getreten. Die Energiepreise seien dramatisch gestiegen - mit negativen Auswirkungen auf die privaten Haushalte und zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
"Der allgemeine 'Run' auf die knappen Energierohstoffe verschärft die Situation für ohnehin rohstoffarme Länder wie Deutschland", sagte der Wirtschaftsminister. "Wir müssen immer mehr für unsere Energieeinfuhren ausgeben. Die deutsche Importabhängigkeit von Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle wird weiter steigen."
Zunehmend hätte man es auch mit Sicherheitsrisiken zu tun. Zu den klimatisch bedingten Risiken zählt der Minister die Wirbelstürme in Mittel- und Nordamerika im Herbst vergangenen Jahres. Diese hätten die energiepolitische Verwundbarkeit dramatisch aufgezeigt - international wie national.
Hinzu kämen politische Risiken. "Ein Großteil der Weltenergiereserven liegt in schwer zugänglichen oder politisch instabilen Gegenden", so Glos. "Die Raffineriekapazitäten insbesondere in den USA sind äußerst knapp. Weltweite Nachfragesteigerungen, steigende Importabhängigkeiten, Versorgungsstörungen, geopolitische Risiken und klimapolitische Anforderungen haben Auswirkungen auf die Energiepreise."
Der Wirtschaftsminister begreift die Energiepolitik "in aller erster Linie" als Wirtschaftspolitik. Die Energiepolitik müsse "dem Wachstumsziel und dem Wirtschaftsstandort Deutschland" verpflichtet sein. Globale Märkte und der zusammenwachsende europäische Energiemarkt ließen nationale energiepolitische Alleingänge nicht mehr zu, ohne Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der deutschen Wirtschaft zu riskieren.
Glos will wissen, was die Energieunternehmen planen
Um die zentralen Ansätze der Energiepolitik mit Leben zu erfüllen, werde der Wille von Politik und Wirtschaft benötigt. "Aufbruchstimmung soll dabei von unserem Energiegipfel ausgehen, den die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung angekündigt hat." Die Unternehmen der Energiebranche sollten wissen, "worauf Sie sich bei der neuen Bundesregierung verlassen können, was unser energiepolitischer Kurs in den nächsten Jahren sein wird."
"Und im Gegenzug möchte ich wissen, was wir an Ihnen haben, was Sie planen, worauf wir bei Ihnen bauen können", so Glos. "Ich möchte von den Unternehmen belastbare Zusagen, welche Investitionen in hocheffiziente, fossil befeuerte Kraftwerke und Netze denn nun tatsächlich realisiert werden. Wer über Strommengenübertragungen nachdenkt, darf nicht darauf hoffen, die Politik würde die großen Stromerzeuger aus der Verpflichtung entlassen, den überalterten fossilen Kraftwerkspark durch Zubau hocheffizienter Kohle- und Gaskraftwerke zu erneuern. Wir werden uns mit der Preis- und Wettbewerbssituation auf den deutschen und europäischen Strom-, Gas- und Ölmärkten befassen. Außerdem sollte das energie- und umweltpolitische Instrumentarium vorurteilslos in Richtung Effizienz und Widerspruchsfreiheit durchforstet werden."
Durch die jüngsten Gas-Turbulenzen sei einmal mehr deutlich geworden, dass Energieversorgungssicherheit und Importabhängigkeit zentrale energiepolitische Themen seien. Ein Treffen der EU-Energieminister habe "die richtigen Signale in Richtung Osten gesandt. Die russischen Gas- und Öllieferungen sind seit fast 40 Jahren mit wenigen Ausnahmen immer zuverlässig erfolgt. Wir wollen diese Energiepartnerschaft auch fortsetzen."
Atomenergie: Glos sieht Uran für mehr als 50 Jahre
Der russisch-ukrainische Gasstreit habe auch die Diskussion über die Notwendigkeit eines verlässlichen Energiemixes neu entfacht. Bei der Stromerzeugung werde sich "die Energieträgerstruktur künftig erheblich verändern", so Glos. "Der Beitrag der erneuerbaren Energien soll bis 2020 auf mindestens 20 Prozent ansteigen. Das haben wir als Ziel in der Koalitionsvereinbarung bekräftigt. Derzeit liegen wir bei knapp 10 Prozent."
Bei einem Ausstieg aus der Kernenergie "müssten die restlichen 80 Prozent Strom durch die fossilen Energieträger Gas, Stein- und Braunkohle erzeugt werden", so Glos. Nach derzeitigen Prognosen werde sich dann im Hinblick auf die Erreichung der hohen Klimaschutzziele der Anteil des Gases an der Stromerzeugung deutlich erhöhen. "Mit Blick auf die Gasturbulenzen frage ich mich wirklich, ob eine solche Entwicklung tragfähig ist. Die zusätzliche Nachfrage nach Gas - übrigens nicht nur aus Deutschland - wird die Preise in die Höhe treiben."
Glos erhofft sich Entlastung durch einen "längeren Einsatz der Kernenergie in der Stromerzeugung". Er teile nicht die Meinung, dass Uran langfristig nicht in ausreichendem Umfang für den Betrieb von Kernkraftwerken zur Verfügung stünde. Allein auf die weltweite jährliche Uran-Förderung bezogen, reichten die erkundeten Reserven "für rund 50 Jahre". Unter Einbeziehung der Uran-Ressourcen ergibt sich eine "viel größere Reichweite". Die Reserven lägen zudem in überwiegend politisch stabilen Regionen wie Kanada, Australien und Südafrika.
Emissionshandel: Glos will Entlastung für energieintensive Industrie
Der Wirtschaftsminister sprach auch den Emissionshandel an. Bis Mitte des Jahres müsse die Bundesregierung den zweiten "Nationalen Allokationsplan" im Rahmen des Emissionshandels in Brüssel vorlegen. Mit der Kernenergie steige man "aus einem CO2-freien Energieträger aus" und müsse für konventionelle Kraftwerke zusätzliche CO2-Mengen vorhalten. Der Ausweg über die erneuerbaren Energien trage deshalb nicht, da hier Grundlaststrom ersetzt werden müsse, meint der Minister.
Beim Emissionshandel möchte die Bundesregierung "eine Akzentverschiebung". Die Energieversorger erzielten "durch die Einpreisung der kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate hohe windfall profits. Und zwar in wesentlich höherem Ausmaß als erwartet", sagte Glos. "Da die Stromversorger offenbar in der Lage sind, auch einen derart hohen CO2-Preis auf die Stromkunden zu überwälzen, sinkt ihr Anreiz, in die Effizienz ihrer Anlagen zu investieren. Denn jede dadurch erzielte Emissionsminderung entlastet den CO2-Preis und wirkt sich mindernd auf den Strompreis und die windfall profits aus."
Um Standortverlagerungen der energieintensiven Industrie zu vermeiden, müsse man sich die Spielregeln des Emissionshandels neu vornehmen. "In der zweiten Phase ab 2008 muss insbesondere die energieintensive Wirtschaft entlastet werden", so Glos.
Die Ausstattung mit Emissionsrechten für die Wirtschaft müsse so bemessen sein, "dass sie sich weiter entwickeln kann und nicht stranguliert wird". Der Plan müsse so aussehen, dass Braun- und Steinkohle auch weiterhin ihre gewichtige Rolle im Energiemix spielen könnten. "Etwas mehr als die Hälfte unserer Stromversorgung basiert auf Stein- und Braunkohle. Sie bilden damit - zu jeweils etwa gleichen Anteilen - die breite Basis unserer Stromversorgung. Und dies wird auf absehbare Zeit so bleiben", so Glos.
Der Vorteil der Braunkohle liegt für den Wirtschaftsminister auf der Hand: "Sie ist ein heimischer Energieträger, der sicher und wirtschaftlich ist, d.h. der subventionsfrei zur Verfügung steht." Zur Klimarelevanz äußerte sich Glos bezüglich der Braunkohle nicht. Dies war für ihn offenbar nur bei der Atomenergie ein relevantes Argument.
"Auch die Steinkohleverstromung leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit", so Glos. Steinkohle stehe auf dem Weltmarkt langfristig sicher zur Verfügung - "und zwar meist aus politisch stabilen Herkunftsländern. Dies ist von großer Bedeutung, denn wir beziehen inzwischen mehr als die Hälfte unserer eingesetzten Steinkohle durch Importe aus dem Ausland. Nach wie vor leistet die heimische Steinkohle ihren Beitrag zu unserer Versorgungssicherheit", so Glos, dessen Partei sich in der Vergangenheit für eine beständige Reduktion des Einsatzes heimischer Steinkohle stark machte.
Energieeffizienz und Kosteneffizienz
Während der deutschen EU-Präsidentschaft solle der Energieeffizienz eine zentrale Rolle gegeben werden. Effizienz, "allerdings Energieeffizienz und Kosteneffizienz", sei auch das Stichwort für die weitere Förderung der erneuerbaren Energien. "Die Förderung der Biotreibstoffe habe ich schon genannt. Bei der Stromerzeugung werden wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz in seiner Grundstruktur, das heißt die Einspeisevergütungen, fortführen. So sagt es die Koalitionsvereinbarung. Es ist ein wirksames Instrument, soweit es darum geht, die erneuerbaren Energien in den Markt zu bringen." Man müsse aber "akribisch darauf achten, dass es keine Überförderung in einzelnen Bereichen gibt".
Der Minister plädierte abschließend für eine "differenzierte Betrachtung: Welche erneuerbaren Energieträger sind mehr für die Stromerzeugung, welche sind besser für die Wärmeerzeugung geeignet? Müssen wir zum Beispiel die Sonnenenergie trotz extrem hoher Kosten wirklich zur Stromerzeugung nutzen oder wäre hier die Wärmeerzeugung nicht die sinnvollere Alternative?"
Man könne und solle die erneuerbaren Energieträger nicht über einen Kamm scheren. "Wir brauchen ein vernünftiges Einspeise- und Erzeugungsmanagement vor allem für die volatile Windenergie", so Glos. "Das ist nötig, um die Netzstabilität auch bei dem zu erwartenden Ausbau der Windenergie an Land und auf See aufrecht erhalten zu können. Dies ist ein wesentliches Ergebnis der dena-Netzstudie und wir werden dies so bald wie möglich im Gesetz verankern. Auch die so genannte Härtefallregelung im EEG soll unverzüglich zugunsten der stromintensiven Industrie verbessert werden."