DIE Internet-Zeitung

Dezember 2005

Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.

"Kind braucht beide Eltern"

Verfassungsgericht stoppt Abschiebung eines ausländischen Vaters

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag die drohende Abschiebung eines serbisch-montenegrinischen Vaters eines deutschen Kindes gestoppt. Die Ausländerbehörden hatten die Aufenthaltserlaubnis des seit 1999 in Deutschland lebenden Vaters einer Fünfjährigen nicht verlängert. Das Bundesverfassungsgericht hob jetzt die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs auf, die dem Mann Eilrechtsschutz verwehrt hatten. Die Gerichte hätten die familiären Bindungen des Vaters an seine Tochter nicht angemessen berücksichtigt und damit dessen Grundrecht auf Schutz der Familie verletzt. Das Verfassungsgericht betonte, der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil diene in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen habe Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht muss nun neu entscheiden.

"Sklavenarbeit" in Schlachthöfen

Gewerkschaften planen Demonstration gegen EU-Dienstleistungsrichtlinie

DGB-Chef Michael Sommer hat für den 14. Februar nächsten Jahres eine Großdemonstration der europäischen Gewerkschaften gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie angekündigt. "Was Bauern können, können Gewerkschafter erst recht", sagte Sommer der "Frankfurter Rundschau". Die Gewerkschaften sträubten sich dagegen, "dass mit Hilfe der so genannten Dienstleistungsrichtlinie Steuer- und Sozialdumping betrieben" werde. Es könne nicht sein, dass beispielsweise eine Krankenschwester künftig für polnische Löhne in Deutschland arbeiten müsse. Polnische Löhne reichten in Warschau, um über die Runden zu kommen, aber nicht in Berlin. "Diese Spirale nach unten müssen wir verhindern", sagte Sommer.

Datteln & Irsching

E.ON baut neue fossile Großkraftwerke

Der Energiekonzern E.ON hat Milliardeninvestitionen in die Modernisierung und den Neubau von fossilen Großkraftwerken und in Energieversorgungsnetze angekündigt. Für 2006 bis 2008 seien Investitionen von insgesamt 18,6 Milliarden Euro geplant. Rund 16,3 Milliarden Euro, also fast neunzig Prozent der Gesamtsumme, seien für Sachanlagen vorgesehen. Der Großteil hiervon entfalle auf die Modernisierung oder den Neubau von Kraftwerken und Netzen. Rund 1,2 der insgesamt 18,6 Milliarden Euro sollen in Erneuerbare Energien fließen. Für den Erwerb von Beteiligungen – insbesondere in Osteuropa und in der Gas-förderung – seien rund 2,3 Mrd EUR eingeplant. In Deutschland soll ein neues 1.100 MW-Steinkohlekraftwerk in Datteln und zwei Gas- und Dampfkraftwerksblöcke im bayerischen Irsching gebaut werden.

Gegen Misshandlung

Wohlfahrtsverband fordert Pflichtuntersuchungen für Kinder

Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) fordert, die bislang freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder in Pflichtuntersuchungen umzuwandeln. Die Untersuchungen - von der U 1 gleich nach der Geburt bis zur U 9 im Alter von fünf Jahren - seien ein wichtiger Baustein in einem notwendigen Präventionsprogramm zur Vermeidung von Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des DPWV. Hilfsangebote für Familien müssten dringend ausgebaut werden. In den letzten Jahren sei jedoch bei der Prävention massiv gestrichen worden. Kritiker dagegen warnen unter anderem davor, dass eine Pflichtuntersuchung wohl aus dem Jugendhilfehaushalt bezahlt werden müsste und die Situation damit noch weiter verschlimmern würde.

Planungssicherheit

"Eignungsgebiete" für Offshore-Windkraft in Nord- und Ostsee festgelegt

Die Bundesregierung möchte künftig vor allem den Bau von Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee vorantreiben. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat jetzt "besondere Eignungsgebiete" für Windkraftwerke in den beiden Meeren festgelegt. Die im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Gebiete befinden sich den Angaben zufolge in der so genannten "ausschliesslichen Wirtschaftszone" (AWZ), also im Bereich jenseits der 12-Seemeilen-Hoheitszone bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von der Küste. Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist das "ein wichtiger Schritt für eine geordnete Entwicklung der Windkraftnutzung auf dem Meer".

Rekord bei Praxispleiten

Marburger Bund kündigt Tarifvertrag und bereitet Ärzte-Streiks vor

Zur Vorbereitung von Ärzte-Streiks an kommunalen Krankenhäusern hat der Marburger Bund beschlossen, gegenüber der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zu kündigen. Damit werde "eine klare Rechtssicherheit" für die geplanten Ärzte-Streiks an den Kliniken hergestellt, sagte Verbandschef Frank Ulrich Montgomery am Montag in Berlin. In Hamburg vereinbarte der Marburger Bund individuell verschiedene Arbeitszeiten für Klinikärzte. Bei den Arztpraxen dürfte es dieses Jahr mit bis zu 125 betroffenen Praxen zu einem neuen "Pleitenrekord" kommen. Von Schließung oder Insolvenz "bedroht" sollen sogar rund 30.000 Praxen sein.

Krisenreaktionszentrum gegen "Massenzustrom"

EU will stärker gegen "illegale" Zuwanderung vorgehen

Die Europäische Union will die als "illegal" bezeichnete Zuwanderung stärker als bisher "bekämpfen" und hat dazu auf dem EU-Gipfel in Brüssel eine Gesamtstrategie verabschiedet. Dazu gehört vor allem ein besserer Grenzschutz im Mittelmeerraum, wie aus dem in der Nacht zum Samstag verabschiedeten Abschlussdokument des Gipfels hervorgeht. Bis Ende 2006 soll auch eine Machbarkeitsstudie zur technischen Überwachung aller südlichen Seegrenzen der EU erstellt werden.

Globalisierungsfonds

EU-Regierungen einigten sich auf finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013

Am vergangenen Samstag haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union für die Jahre 2007 bis 2013 einen Haushalt in Höhe von 862,4 Milliarden Euro beschlossen. Der Haushalt entspricht damit gut einem Prozent des Bruttonationaleinkommens. Damit hat sich offenbar Deutschland gegenüber der EU-Kommission durchgesetzt, die im vergangenen Jahr mit 1.025 Milliarden Euro einen Haushalt in Höhe von 1,24 Prozent der Wirtschaftsleistung gefordert hatte.

"Kluft zwischen Geschlechtern"

Frauen sollen höheres Bildungsniveau haben, aber weniger verdienen

Dem soeben erschienenen "FrauenDatenReport 2005" zufolge sind die Lebens- und Berufschancen von Frauen und Männern nach wie vor ungleich verteilt, wenn auch anders als noch vor fünf bis zehn Jahren. Nach dem Bericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung haben junge Frauen mittlerweile ein höheres schulisches Bildungsniveau als junge Männer. Doch bei den Einkommen habe sich die traditionelle Kluft zwischen den Geschlechtern in letzter Zeit trotzdem nicht weiter geschlossen. Innerhalb der EU sei die Lohnkluft nur in Estland und der Slowakei noch größer als in Deutschland. Beim zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit sei die Differenz sogar wieder gewachsen.

Kritik an Herstellern

Bundesamt für Strahlenschutz empfiehlt strahlungsarme Handys

Handy-Käufer sollten beim Kauf eines Mobiltelefons unbedingt auf einen möglichst niedrigen Strahlungswert achten. Dies empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Besonders wenn ein Kind oder Jugendlicher Empfänger des Telefons werden solle, sei dies wichtig, so die Behörde. Das Bundesamt stellt in seinem Internet-Angebot eine Liste mit den Strahlungswerten (SAR-Werten) vieler aktueller Mobiltelefone zur Verfügung. BfS-Sprecher Arthur Junkert forderte die Hersteller auf, die SAR-Werte anzugeben und strahlungsarme Handys mit dem Blauen Engel zu kennzeichnen. Doch leider boykottiere die Industrie das Umweltzeichen.

Marktöffnungsformel

Unterschiedliche Bewertungen nach WTO-Konferenz

Die deutsche Bundesregierung zieht nach der WTO-Ministerkonferenz in Hong Kong eine positive Bilanz. "Nach harten Verhandlungen" habe am Ende ein Kompromiss gestanden: Die EU habe sich bereit erklärt, ihre Exportsubventionen für die Landwirtschaft bis zum Jahr 2013 auslaufen zu lassen. Über die Liberalisierung des Handels mit Industriegütern und Dienstleistungen habe es jedoch keine abschließende Einigung gegeben. Zu einer anderen Bewertung kommt die Menschenrechtsorganisation FIAN.

Grundschleppnetze

Greenpeace prangert "illegale Fischfangflotte" im Rostocker Hafen an

Greenpeace-Aktivisten kennzeichneten am Montag im Rostocker Hafen fünf Fischtrawler als "illegal". Die Umweltschützer beschrifteten den Rumpf der rund sechzig Meter langen Schiffe und forderten die Bundesregierung auf, "die Piratenfischer" festzulegen. Der Grund für die Aktion: Im Hafen von Rostock werden nach Darstellung der Umweltschutzorganisation die Trawler derzeit fit für die nächste Saison gemacht, obwohl die Europäische Union und internationale Fischereiorganisationen sie als illegale Fischer gelistet hätten. "Die Trawler halten sich seit Jahren nicht an internationale Fischereiabkommen und zerstören mit ihren Grundschleppnetzen die Fischbestände und die Unterwasserwelt im Atlantik", so Greenpeace.

EU-Agrarpolitik

Hessens Umweltminister will Tiertransporte außerhalb der EU verhindern

Nach Auffassung des Hessischen Umweltministers Wilhelm Dietzel können "tierschutzwidrige" Lebend-Transporte von Schlachttieren außerhalb der Europäischen Union durch eine veränderte EU-Politik abgeschafft werden. In einem Brief an Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer hat Dietzel vorschlagen, dass die EU künftig nicht mehr den Export von lebendem Vieh durch Exporterstattungen finanziell fördern solle, sondern nur noch den Export von in heimischen Betrieben geschlachteten Tieren. Auf diese Weise könnte die Tierquälerei außerhalb der EU-Grenzen ein Ende haben.

Neue Richtlinie

Energie soll mit europäischen Vorgaben effizienter genutzt werden

Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) begrüßt die Ziele der neuen Energieeffizienz-Richtlinie der EU als wichtigen Impulsgeber für eine zukunftsfähige Energienutzung. Die Vorgabe, den Energieverbrauch innerhalb von neun Jahren um neun Prozent zu senken, wird den wachsenden Markt für Energieeffizienz weiter beschleunigen. Davon werden die Anbieter von innovativen Energiedienstleistungen und Technologien ebenso profitieren wie die Energieverbraucher in Haushalten, Industrie, Dienstleistung und Verkehr.

Genpatente

US-Konzern beansprucht laut Greenpeace Patent auf ganze Schweinerassen

Greenpeace warnt heute in München vor der Patentierung von Schweinen. Der amerikanische Agrar-Konzern Monsanto hat bei der Weltpatentbehörde in Genf verschiedene Patentanträge angemeldet, in denen ganze Schweinerassen als Erfindung beansprucht werden. Das Europäische Patentamt (EPA) muss die Patentanträge nun prüfen und über eine Erteilung der Patente in Europa entscheiden. Mit einem Korb voll Ferkel forderten Greenpeace und die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall die Mitarbeiter des EPA heute auf, die Patentanträge abzulehnen. Die Ferkel gehören zur traditionellen Rasse der Schwäbisch-Hällischen Landschweine, die ebenfalls von dem Patent betroffen wären.

Menschenrechtsstandards

Deutsche Bundesregierung will laut Amnesty "Foltergeständnisse" nutzen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble rechtfertigte in der "Stuttgarter Zeitung" Verhöre von Gefangenen, bei denen Folterungen nicht ausgeschlossen werden können. "Wenn wir sagen würden, Informationen, bei denen wir nicht sicher sein können, dass sie unter vollkommen rechtsstaatlichen Bedingungen zu erlangen waren, nutzen wir unter keinen Umständen - das wäre völlig unverantwortlich", sagte Schäuble. "Wir müssen solche Informationen nutzen." Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty international bedeutet das, dass die deutsche Bundesregierung auch Aussagen, die vielleicht unter Folter zustande gekommen sind, verwenden wolle. Schäuble versuche damit auch die Vernehmungen des Deutsch-Syrers Zammar durch deutsche Beamte in einem syrischen Foltergefängnis zu rechtfertigen. Nach Auffassung der Organisation relativiert die Bundesregierung damit ihr Bekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte.

REACH

Chemikalien sollen in der EU künftig "angemessen" kontrolliert werden

Im EU-Rat der Umweltminister der Mitgliedstaaten kam es am Dienstag zu einer politischen Einigung zu der unter der Abkürzung REACH - Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien - bekannten neuen Chemikalienpolitik der Europäischen Union. Hierbei geht es um die Neuregelung der von der Industrie verlangten Daten über die mögliche Gefährdung von Arbeitern, Verbrauchern und der Umwelt durch Chemikalien. Hintergrund ist, dass nur für ein Bruchteil der täglich verwendeten Chemikalien Sicherheitsinformationen amtlich bekannt sind. Jetzt scheiden sich die Geister, ob es durch die neue Chemikalienpolitik zu einer geringfügigen Verbesserung dieser Informationsdefizite oder sogar zu einer gewissen Verschlechterung kommt. Klar ist offenbar nur, dass die EU-Verordnung frühestens im Frühjahr 2007 in Kraft tritt. Die Kommission geht davon aus, dass die in REACH enthaltenen Vorschriften ab 2008 praktische Geltung erlangen werden.

Media Markt & Saturn

Umwelthilfe verlangt von Metro-Gruppe "gesetzeskonforme Energiekennzeichnung"

Die Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und den Elektrogeräte-Ketten Media Markt und Saturn um die Energieverbrauchskennzeichnung von Haushaltsgeräten geht in die nächste Runde. Der Umweltverband verlangt von der zum Handelskonzern Metro gehörenden Media Saturn Holding GmbH ultimativ, bis kommenden Mittwoch, den 21. Dezember in ihren bundesweit über 300 Filialen flächendeckend für eine gesetzeskonforme Verbrauchskennzeichnung der so genannten "weißen Ware" - also von Kühl-, Gefriergeräten, Wäschetrocknern usw. - zu sorgen. Andernfalls droht die Umwelthilfe mit Abmahnungen und weiteren gerichtlichen Klagen. Außerdem sei die Veröffentlichung der Verstoßfälle auf einer "Schmuddelliste" im Internet geplant.

"Arbeitsteilung" mit Folterstaaten

Deutsche Sicherheitsbehörden sollen in Guantánamo Gefolterte verhört haben

Deutsche Sicherheitsbehörden sollen einem Zeitungsbericht zufolge im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zwei Internierte befragt haben. Die "Süddeutschen Zeitung" berichtete, vom 21. bis 27. September 2002 seien zwei Beamte des Bundesnachrichtendienstes und ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz nach Guantánamo gereist. Sie hätten dort den in Bremen aufgewachsenen Türken Murat Kurnaz verhört sowie den aus Mauretanien stammenden Ould Slahi, der in Duisburg gelebt hatte. Nach Angaben von Amnesty international wurde Kurnaz vermutlich in Guantánamo gefoltert. Darüber hinaus sollen das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz (VS) in einem syrischen Foltergefängnis den deutschen Staatsbürger Haydar Zammar verhört haben.

Für gleichwertige Lebensverhältnisse

Lehrerverband gegen Länderwettbewerb in der Bildung

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht die Bundesländer mit dem Votum ihrer Ministerpräsidenten für die Föderalismusreform auf einem "Irrweg". Der Vorsitzende des Lehrerverbandes, Ludwig Eckinger, warnte am Donnerstag in Berlin, die Abkehr von der bundeseinheitlichen Bezahlung im öffentlichen Dienst werde zu einem gravierenden Qualitätsgefälle im Bereich Bildung und Erziehung führen. Der Verband befürworte zwar die Länderzuständigkeit für die Bildung. Die geplante Reform setze aber auf "Länderwettbewerb pur" und stelle damit den nationalen Auftrag Bildung in Frage.

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