Überblick
"Dass die Ärztinnen und Ärzte nicht länger bereit sind, unzumutbare Arbeitsbedingungen und schlechte Einkommen hinzunehmen, haben die massiven Streiks in den Universitätskliniken der Bundesländer bewiesen", schreibt der Marburger Bund in einer Pressemitteilung. Am 6. September hätten über 5000 der rund 22.000 Universitätsärzte in Stuttgart gegen die zunehmende Verschlechterung ihrer Arbeitssituation protestiert. "Wir sind nicht länger bereit, immer mehr Arbeit für immer weniger Geld zu leisten." Wenn nicht bald etwas geschehe, käme man mit 10.000 Ärzten wieder.
Arbeitgeber: "Flexible Modelle bei der Arbeitszeit und beim Entgelt"
Es sei ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder nunmehr bereit sei, mit dem Marburger Bund am 15. September 2005 in Stuttgart Tarifgespräche aufzunehmen. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder teilte mit, bei diesen Gesprächen sollten die Arbeitsbedingungen für die Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken erörtert werden.
Gegenstand der Gespräche sollen nach Meinung der Tarifgemeinschaft "flexible Modelle bei der Arbeitszeit und beim Entgelt" sein, "die sowohl den Interessen der Ärztinnen und Ärzte entsprechen als auch den Erwartungen der Universitätskliniken Rechnung tragen." Bei der Arbeitszeit sollten "auch neue Wege" geprüft werden.
Gegenstand der Gespräche sollen nach Angaben der Arbeitgeber auch die Möglichkeiten sein, "kurzfristige Befristungen von Arbeitsverträgen" mit Ärztinnen und Ärzten "einzudämmen". "Ferner soll im Rahmen dieser Gespräche eine Überprüfung der sonstigen Arbeitsbedingungen an den Universitätskliniken angestoßen werden."
Marburger Bund trennte sich von Gewerkschaft ver.di
Der Marburger Bund hat der Gewerkschaft Ver.di am Samstag die Verhandlungsvollmacht entzogen. Die Ärztegewerkschaft wird somit erstmals seit 55 Jahren als eigenständiger Tarifpartner auftreten.
Es habe sich gezeigt, dass die Interessen der Klinikärzte bei den Verhandlungen im öffentlichen Dienst zuletzt nicht mehr ausreichend vertreten worden seien, begründete Montgomery diesen Schritt. "Dieser Schritt ist notwendig, richtig und zukunftsweisend", heißt es in einer Pressemitteilung des Marburger Bundes. Es gehe um "eine eigenständige und mutige Interessenvertretung" aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte "in äußerst schwierigen Zeiten".
"Beim gigantischen Projekt, den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) durch einen neuen Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) zu ersetzen, geraten die Ärzteinteressen nämlich vollends unter die Räder", heißt es weiterhin zur Begründung. Die Belange eines Krankenhausarztes und die eines Friedhofgärtners seien nicht länger gemeinsam verhandelbar.
Marburger Bund: "Vom Traumjob zum Jobtrauma"
"Chronische Defizite öffentlicher Kassen und Krankenhäuser, die permanent rote Zahlen schreiben", haben nach Darstellung des Marburger Bundes dazu geführt, dass sich die Arbeitsbedingungen für angestellte Ärzte in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert hätten.
Deutlich werde diese Situation am durchschnittlichen realen Monatsnettoeinkommen junger Ärzte, das von 1993 bis 2002 um 7,5 Prozent gesunken sei. "Gleichzeitig stieg die Arbeitsbelastung für Krankenhausärzte auf ein unerträgliches Maß. Jährlich 50 Millionen Überstunden, die überwiegend nicht vergütet werden, 30-Stunden-Schichten, kaum planbare Familien- und Freizeit und überbordende Bürokratie – das ist der traurige Alltag der Krankenhausärzte in Deutschland. Der Arztberuf ist vom Traumjob zum Jobtrauma verkommen."
"Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem umgehend Maßnahmen zur Verbesserung der ärztlichen Arbeitsbedingungen umgesetzt werden müssen", schreibt der Marburger Bund. "Wir dürfen nicht länger zusehen, wie Ärzte in Krankenhäusern und Universitätskliniken regelrecht verbrannt werden."
"Es grenzt an frühkapitalistische Ausbeutungsmanieren, wenn man Ärzten, die mit rund 11 Euro brutto die Stunde jetzt schon unanständig wenig verdienen, noch mal rund zehn Prozent ihrer Einkommen stehlen will", sagte der Verbandsvorsitzende Montgomery.
Ver.di kritisiert "standespolitische Alleingänge"
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat auf die Entscheidung des Marburger Bundes, die Kooperationsvereinbarung zu kündigen, mit Bedauern und Unverständnis reagiert. "Zu lange Arbeits- und Bereitschaftszeiten und zu wenig Freizeit und Erholung betreffen alle Beschäftigten im Gesundheitswesen und sind kein Privileg der Mediziner", schreibt Ver.di in einer Pressemitteilung. Es sei bedauerlich, wenn nun standespolitische Alleingänge den Teamgeist in den Krankenhäusern gefährdeten.
Gute medizinische Versorgung sei eine Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten, egal ob Ärztin oder Arzt, Krankschwester oder -pfleger. Mit dem Ausscheren schwäche der Marburger Bund die Position der Beschäftigten im Gesundheitswesen gegenüber den Arbeitgebern.
Klinikärzte streiken ab Donnerstag
"Notfallversorgung gesichert" - Am 15. März 2006 veröffentlicht.
Ärzte an acht Universitätskliniken treten ab Donnerstag in einen unbefristeten Streik. Bei einer Urabstimmung der Ärztegewerkschaft Marburger Bund votierten 98,4 Prozent der Krankenhausärzte für Arbeitsniederlegungen, teilte am Mittwoch der Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes, Armin Ehl, in Berlin mit. "Das ist ein klares Signal der Ärzte, die nicht länger bereit sind, in Kliniken unter teilweise unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu arbeiten", sagte Ehl. Die Ärzte fordern bessere Arbeitszeiten und 30 Prozent mehr Gehalt. Ehl forderte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) auf, einem arztgerechten Tarifvertrag für die 22.000 Klinikärzte zuzustimmen.
Marburger Bund und TdL hatten in neun Verhandlungsrunden kein Ergebnis erzielt. Zuletzt hatten am 1. März rund 8000 Ärzte von Unikliniken und Landeskrankenhäusern bundesweit für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen protestiert.
Die Streiks beginnen am Donnerstag in den Uni-Kliniken Freiburg, Heidelberg, München, Würzburg, Bonn, Essen, Halle und Mainz. In Mainz findet auch die zentrale Auftaktdemonstration statt. Der Marburger Bund plane ein rotierendes System, bei dem die Streikintensität und die Anzahl der bestreikten Unikliniken in den kommenden Tagen und Wochen zunehme, sagte Ehl. Am Freitag wollen die Ärzte als Zeichen des guten Willens arbeiten. Ab Montag werde die Zahl der bestreikten Kliniken dann schrittweise erhöht.
Nicht gestreikt wird an der Berliner Charité und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dort gilt aufgrund aktueller Tarifverhandlungen die Friedenspflicht.
"Wir streiken gegen die Arbeitgeber und nicht gegen die Patienten" Ehl versicherte, die Notfallversorgung von Patienten bleibe Tag und Nacht gewährleistet. "Wir streiken gegen die Arbeitgeber und nicht gegen die Patienten", sagte er. Aufschiebbare und planbare medizinische Leistungen würden jedoch nicht stattfinden.
Ehl kritisierte den Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Wichtige Aspekte seien in den Verhandlungsrunden abgearbeitet worden, dann aber sei in der Kernfrage der Vergütung ein Angebot der Arbeitgeber gekommen, das eine "schamlose Verhöhnung der hart arbeitenden Ärzte" gewesen sei. Statt mehr Gehalt habe Möllring weitere Einkommenskürzungen durchsetzen wollen. Das erste Angebot sei dabei auch sein letztes Wort gewesen. Für den Marburger Bund eine "seltsame Verhandlungsführung".
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte die Gehaltsforderung der Krankenhausärzte. Auf die Frage, wie die öffentlichen Kassen dies finanzieren könnten, sagte Montgomery: "So, wie uns die Arbeitgeber durch die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, durch die Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich und durch die konsequente Nichtvergütung der Überstunden bereits weit über 30 Prozent an Einkommen gestohlen haben, so sollen sie sich auch darum kümmern, wie wir unser Gehalt wiederbekommen".
Klinikärzte verlangen durchschnittlich 10 Prozent mehr Gehalt
Tarifverhandlungen vertagt - Am 28. Januar 2008 veröffentlicht.
Die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die bundesweit rund 55.000 Ärzte an 700 kommunalen Krankenhäusern ist am Montag in Düsseldorf vertagt worden. Wesentliche Annäherungen habe es nicht gegeben, teilte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit. Ein konkretes Angebot will die VKA nach eigenen Angaben erst in der dritten Runde am 20. Februar in Offenbach unterbreiten. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund fordert für die Mediziner eine differenzierte Einkommenssteigerung von im Durchschnitt zehn Prozent sowie eine sofortige Anhebung der Ostgehälter auf Westniveau.
"Wir haben abermals deutlich gemacht, dass erneute Entgeltsteigerungen, wie sie der Marburger Bund für Ärzte fordert, für die kommunalen Häuser nicht verkraftbar wären", sagte VKA-Verhandlungsführer Joachim Finklenburg. Dennoch werde eine Lösung am Verhandlungstisch gesucht.
Der Marburger Bund begründet seine Forderung mit besseren Einkommensbedingungen in anderen Krankenhäusern der Republik. "Wir fordern nichts, was wir nicht schon mit anderen Klinikarbeitgebern bereits vereinbart haben", so der Verhandlungsführer des Marburger Bundes, Lutz Hammerschlag. Er verwies hierbei auf die höheren Ärzteeinkommen in Universitätskliniken.
Das Armrechnen kaufe man den Arbeitgebern jedoch mittlerweile nicht mehr ab. "Die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen sprudeln, dank der guten Konjunktur hat sich die Finanzlage stabilisiert", so der Marburger Bund. Die Einnahmen der Städte und Gemeinden aus der Gewerbesteuer seien 2006 um gut fünf Milliarden Euro auf einen Höchststand von 31 Milliarden Euro gestiegen. Erstmals seit 2000 verzeichneten die Kommunen kein Jahresdefizit zwischen Einnahmen und Ausgaben mehr: Der Saldo liege mit 1,75 Milliarden Euro im Plus. "Die Ärztinnen und Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern wollen davon ihren berechtigten Anteil."
Die VKA fordert, die leistungsorientierte Bezahlung auch für die Ärzte einzuführen. Seit 2005 gibt es für den gesamten öffentlichen Dienst das Leistungsentgelt. Auf Drängen des Marburger Bundes wurden die Ärzte davon ausgenommen.
"Wir müssen die aktuelle Tarifrunde dazu nutzen, das Leistungsentgelt auch endlich für die Ärzte einzuführen", sagte VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann. Die Ärzte seien Leistungsträger, wie auch der Marburger Bund immer wieder betone. Insofern sei es unverständlich, dass die Gewerkschaft ausgerechnet bei den Ärzten die Leistungsbezahlung blockiere.
Nach Darstellung des Marburger Bundes verlief die zweite Runde der Tarifverhandlungen "intensiv und interessant". Hammerschlag, betonte, dass die Verhandlungsrunde "positive Signale" für ein weiteres Treffen ergeben habe. Die Tarifparteien verständigten sich auf eine Fortsetzung der Verhandlungen am 20. und 21. Februar in Offenbach am Main, bei der die Arbeitgeber nach Angaben Hammerschlags ein konkretes Angebot vorlegen werden.
Hammerschlag: "Wir sind heute in einzelne Positionen unserer Forderungstabelle detailliert eingestiegen." Auf dieser Verhandlungsgrundlage lasse sich bei der dritten Runde Ende Februar weiter aufbauen.