Der Angriff der Vereinten Nationen vom 1. März hatte sich gegen ein Lager der Miliz "Front nationaliste et intégrationiste" (FNI) in der Nähe der Ortschaft Loga, rund 30 Kilometer außerhalb der Regionalstadt Bunia, gerichtet. Der französische Generalstabschef der UN-"Mission" für Kongo (MONUC), Jean-François Collot d'Escury, machte deutlich, dass es sich bei dem UN-Angriff um einen Racheakt handelte: die Milizenführer in Ituri würden von der UN für die Ermordung von neun Blauhelmsoldaten in der vergangenen Woche verantwortlich gemacht. Der Angriff auf die Milizen sei eine "direkte Antwort auf die Ermordung der neun Soldaten", so der UN-General laut FAZ.
MONUC ist mit etwa 13.000 Soldaten gegenwärtig die größte UN-Mission der Welt. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 4. Oktober 2004 ist Deutschland der drittgrößte Beitragszahler für den Militäreinsatz. In der nordostkongolesischen Region Ituri, in dem am 1. März der tödliche Angriff der Vereinten Nationen auf die kongolesischen Milizen stattfand, sieht Müller mehr als einen "ethnischen Konflikt" zwischen den beiden Ethien Hema und Lendu. "Die Nachbarn Uganda und Ruanda stehen im Verdacht, einheimische Stämme für einen Stellvertreterkrieg zu instrumentalisieren, bei dem es um Einfluss und Rohstoffe geht", meint die deutsche Staatsministerin.
Auch nach einem Bericht der österreichischen Zeitung "Der Standard" vom 18. Januar 2001, ist der Krieg im Kongo ein "Verteilungskrieg" um den ungeheuren Reichtum des Kongo. In ihrer "Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika" vom Januar 2004 schreibt die deutsche Bundesregierung von einem "Krieg der Rohstoffe".
Auf der Website "German-Foreign-Policy" heißt es in einem Beitrag vom 29. März, Deutschland beteilige sich im Kongo und im Sudan "in vorderster Reihe an Ressourcenkämpfen und geopolitischen Planungen, die auf britische, französische, US-amerikanische sowie auf chinesische Konkurrenten treffen".
Am 9. Januar 2005 haben im dem Kongo benachbarten Sudan die sudanesische Zentralregierung und die Rebellen des "Sudan People's Liberation Movement" (SPLM) im Süden des Landes einen "Friedensvertrag" unterzeichnet. Der Vertrag überträgt der von Deutschland unterstützten SPLM unter Rebellenchef John Garang offiziell die Macht im Süden des Staates. Ein Konsortium um die deutsche Gleisbaufirma Thormählen Schweißtechnik AG hatte schon zuvor mit den Rebellen einen Vorvertrag für den Bau einer Eisenbahnlinie aus dem erdölreichen Südsudan bis zur Küste Kenias unterzeichnet, mit der eine vom Nordsudan unabhängige Erdölvermarktung ermöglicht werden soll.
An die Eisenbahnlinie soll mit dem Nordost-Kongo auch die kongolesische Rohstoffzone angeschlossen werden - dort, wo die UN-Truppe MONUC den mutmaßlichen Racheakt vollzogen hat. Die Firma Thormählen hat die Projektierung des transnationalen Eisenbahnnetzes in Ostafrika inzwischen abgeschlossen und beginnt mit der Umsetzung des Großprojekts, an dem laut "Neuer Züricher Zeitung" auch die Firmen Thyssen-Krupp, Siemens, Strabag und Radio Hamburg im Rahmen einer Holding-Gesellschaft beteiligt sind.
Der UN-Sicherheitsrat hat am 30. März das Mandat für den MONUC-Einsatz einstimmig um sechs Monate bis zum 1. Oktober 2005 verlängert. "Im Kongo spielt sich derzeit eine der größten menschlichen Tragödien ab", so Staatsministerin Müller zur offiziellen Begründung. "Alle Beteiligten dort und die Internationale Gemeinschaft stehen in der Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen und für ein Ende der Gewalt zu sorgen." Am Ende des Friedensprozesses sollen "freie und faire Wahlen" durchgeführt werden. Von wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und von einer Unterstützung des Eisenbahnprojektes zum Abtransport afrikanischer Rohstoffe ist in der Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 31. März nichts zu lesen.
Mehr dazu findet sich auf der Website des Ministeriums: "Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Bodenschätzen, fruchtbaren Böden, tropischen Nutzhölzern und verfügt über ein gewaltiges Potenzial an hydroelektrischer Energie", schreibt das Auswärtige Amt. "Das enorme wirtschaftliche Potenzial des Landes" habe seit der Unabhängigkeit "nie voll ausgeschöpft werden" können. Die wichtigsten Exportprodukte seien Kupfer, Industriediamanten, Kobalt, Gold, Erdöl, Kaffee, Palmöl, pharmazeutische Pflanzen und Tropenholz.