März 2005
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Praxisgebühr kann nur mit hohen Kosten gerichtlich eingetrieben werden
Kassenärztliche Vereinigungen können bei ihren Patienten die Praxisgebühr notfalls gerichtlich eintreiben. Das entschied am Dienstag das Sozialgericht Düsseldorf in einem Musterprozess. Mit dem Urteil kommen nach Angaben des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, Klaus Enderer, auf die Vereinigungen jedoch mögliche Kosten in Millionenhöhe zu. Zwar könne die Zahlung der Gebühr nun gerichtlich erwirkt werden. Je Verfahren müsse die KV Nordrhein jedoch 150 Euro Gerichtskosten sowie weitere Verwaltungskosten aufbringen.
BUND veröffentlicht Standorte von Gen-Feldern
Trotz Gesetzesänderung will der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) von Nordrhein-Westfalen erneut die genaue Lage aller ihm bekannten Gentech-Anbauflächen in seinem Bundesland ins Internet stellen. "Damit reagiert der BUND auf den Beschluss des Bundestages", schreibt Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW in einer Stellungnahme. Ein so genanntes Standortregister, das bundesweit alle Gen-Felder lokalisiert, sei am Freitag für die allgemeine Bevölkerung abgeschafft worden. Das erst seit Februar in Kraft getretene Register ist nur noch einem sehr beschränkten Kreis von Betroffenen wie Landwirten, Imkern und Grundstückseignern - auf Antrag - zugänglich.
Artenschützer wollen Torf aus den Gärten verbannen
Nach Auffassung der Artenschutzorganisation WWF ist der Gartenbau zum größten Teil dafür verantwortlich, dass 60 Prozent der ursprünglichen Moorflächen in Europa durch Entwässerung und Torfabbau vernichtet worden seien. In Deutschland seien nur noch rund fünf Prozent der einstigen Hochmoorflächen natürlich. Angesichts dieses drastischen Schwunds empfiehlt die Organisation, beim Düngen auf Torf zu verzichten und Kompost aus dem eigenen Garten zu verwenden. Viele der Moorbewohner würden in der Roten Liste der bedrohten Arten geführt. Der Sonnentau zum Beispiel gelte in Deutschland als gefährdet. Die Pflanze werde zwar durch das Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt, doch finde die Pflanze immer weniger Platz in ihrer natürlichen Umgebung.
Umweltschützer warnen vor falschen Öko-Zertifikate für Gartenmöbel
Nach Informationen von Umweltschützern kommt das Holz für Gartenmöbel überwiegend aus illegalen Holzhandel. In südostasiatischen Ländern wie Burma, Kambodscha und Indonesien würden "in rasantem Tempo tropische Wälder zerstört", sagte Peter Gerhardt, Tropenwaldreferent der Umweltschutzorganisation Robin Wood. Funktionierende staatliche Kontrollen gegen illegalen Holzhandel fehlten in den betroffenen Ländern. Hier in Deutschland werde mit dem Holz Profit gemacht: Das Holz vieler Gartenmöbeln werde mit leeren Öko-Versprechen angepriesen. Das hätten Stichproben der Umweltorganisation ergeben. Denn das angeblich zertifizierte Holz sei in mehreren Fällen unklarer Herkunft.
Deutsche Flüsse und Seen weiter nicht in "gutem Zustand"
Immer noch haben die Flüsse und Seen Deutschlands keinen "guten Zustand" erreicht: Das ist das Ergebnis der bundesweiten Bestandsaufnahme über die zehn deutschen Flussgebietseinheiten. "Das Hauptproblem des Gewässerschutzes ist heute nicht mehr die Industrie, sondern eine zunehmend industrialisierte Intensivlandwirtschaft", sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). 60 Prozent der Oberflächengewässer und über 50 Prozent des Grundwassers bedürften weiterer Maßnahmen. Das Bundesumweltministerium nannte dieses Ergebnis "überraschend". Denn es sei doch in den vergangenen Jahren viel in den Gewässerschutz investiert worden.
Waldbesitzer, Forst- und Holzwirtschaft empfehlen sich als Jobmaschine
Anlässlich der anhaltenden Diskussionen um die Arbeitslosigkeit empfahl sich die deutsche Forst- und Holzwirtschaft als Jobmaschine. Nach Auffassung des Deutschen Holzwirtschaftsrates, des Deutschen Forstwirtschaftsrates und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V. (AGDW) können "Forst und Holz" gerade im strukturschwachen ländlichen Raum zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftwachstum beitragen. "Als Cluster Forst und Holz bieten sie schon heute mehr als einer Million Menschen Arbeit und erwirtschaften mit mehr als 100 Milliarden Euro Umsatz einen Beitrag zum Bruttosozialprodukt von über 3 Prozent." Darüber hinaus bietet der Rohstoff Holz nach Ansicht der Verbände noch "enorme Wachstumspotentiale".
Kommunen brauchen Hilfe beim Einhalten der Feinstaub-Grenzwerte
Der Vorwurf des ARD-Magazins "monitor", Städte würden geschönte Feinstaubwerte veröffentlichen, muss nach Auffassung der umweltorientierten Verkehrsinitiative "UMKEHR e.V." noch verschärft werden. Nach Darstellulng des Vereins laufen etliche Städte "trotz der Mogeleien" Gefahr, schon bald die erlaubten 35 Tage im laufenden Jahr, an denen der Grenzwert überschritten werden darf, zu erreichen. So seien beispielsweise in München an einer Messstelle bereits bis heute an 30 Tagen die Tagesmittel-Grenzwerte für Feinstaub überschritten worden. Die Prognose: "Eine konstante Entwicklung wie bisher vorausgesetzt, werden am Jahresende an mindestens 113 Messstellen zu hohe Feinstaubwerte an mehr als 35 Tagen gemessen worden sein."
Politik soll Sofortmaßnahmen gegen das Waldsterben ergreifen
Zum Internationalen Tag des Waldes am kommenden Montag fordert ROBIN WOOD ein Sofortprogramm zum Schutz der Wälder. Ziel ist es, den Eintrag von Stickstoff in die Wälder massiv zu verringern. Dafür ist es notwendig, die Massentierhaltung einzuschränken und eine ökologische Verkehrswende zu fördern. Noch nie ging es dem Wald in Deutschland so schlecht wie heute. 72 Prozent aller Waldbäume haben Schäden in ihren Baumkronen, wie das Forstministerium im vergangenen Dezember bekannt gab.
Kaninchen sind keine Ostergeschenke
Viele Eltern möchten ihre Kinder zu Ostern nicht nur mit einem Schokohäschen überraschen, sondern sogar mit einem lebenden. Ohne groß darüber nachzudenken, werden kleine Kaninchen gekauft, die dem Idealbild des "echten Osterhasen" sehr nahe kommen. Doch leider werden die neuen Kaninchenbesitzer häufig rasch der niedlichen Mitbewohner überdrüssig. Jedes Jahr werden kurz nach Ostern tausende Tiere ausgesetzt. Viele Tierheime sind im Moment noch überfüllt mit "lebenden Oster- und Weihnachtsgeschenken" aus dem letzten Jahr.
Straßburger Menschenrechtsgerichtshof überlastet
Die Überlastung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg nimmt immer drastischere Züge an. "Wir rechnen mit 40 000 neuen Fällen in diesem Jahr", sagte die seit vier Monaten amtierende EGMR-Richterin Renate Jaeger am Freitag. Zudem gebe es "80 000 Rückstände", also unerledigte Verfahren. Darunter seien sicher mehr als 4000 besonders wichtige Fälle.
Tourismusbranche soll sich gegen Sexuelle Ausbeutung von Kindern engagieren
Die Tourismusbranche soll Reisende über das Problem der sexuellen Ausbeutung durch Touristen informieren. Dies fanden 96 Prozent der Befragten einer aktuellen Studie des Evangelischen Entwicklungsdienstes. Laut der Studie würden drei Viertel der Befragten bei der Buchung einen Reiseveranstalter bevorzugen, der sich zum Schutz von Kindern einsetzt. Renate Gradistanac von der SPD- Bundestagsfraktion sagte anlässlich einer aktuellen Diskussion im Bundestag: "Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen ist leider ein globaler Wachstumsmarkt." Als Konsequenz müsse besispielsweise das Auswärtige Amt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diesem Thema weiterhin aus- und fortbilden. Auch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes müssten dieses Thema berücksichtigen.
Schröders Appell nach der Beseitigung des Kündigungsschutzes für Ältere
Bundeskanzler Gerhard Schröder appellierte in seiner Regierungserklärung am Donnerstag an die Unternehmen, ältere Personen nach dem erfolgten Wegfall des Kündigungsschutzes einzustellen, und an die Medien, diesen Aufruf zu verbreiten. "Ich wäre ja sehr dankbar", so der Bundeskanzler, wenn mit "großen Schlagzeilen darauf hingewiesen würde". Schröder erläuterte, dass der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer beseitigt worden ist: "Für Personen ab 50 Jahren existiert so gut wie kein Kündigungsschutz, denn für die ersten zwei Jahre besteht die Möglichkeit, sie befristet einzustellen. Für Personen ab dem 52. Lebensjahr gibt es keine gesetzlichen Regelungen mehr in Bezug auf befristete Einstellung. Sie können also unabhängig von den Regelungen für befristete Arbeitsverhältnisse jederzeit eingestellt und entlassen werden, da ein Kündigungsschutz für diese Personengruppe nicht mehr existiert."
Bundestag beschließt kürzere Kündigungsfrist bei Altmietverträgen
Standard-Mietverträge sollen künftig auch dann einer dreimonatigen Kündigungsfrist durch Mieter unterliegen, wenn sie vor der Mietrechtsreform von 2001 abgeschlossen wurden. Dies beschloss der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen der rot-grünen Koalitionsmehrheit. Danach können sich Wohnungsmieter in Zukunft auch bei bestimmten Mietverträgen, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen wurden, auf die damals eingeführte kürzere Kündigungsfrist von drei Monaten berufen. Die Oppositionsfraktionen von CDU/CSU und FDP lehnten die Novelle ab.
Nur 10 Prozent der Kirchensteuer für soziale Einrichtungen?
Angesichts des drastischen Sparkurses der Kirchen fordert die katholische amtskirchen-kritische Initiative "Wir sind Kirche" von den Kirchenleitungen mehr Transparenz und eine verstärkte Mitwirkung der Gemeindemitglieder bei der Verwendung der Kirchensteuer. Immer mehr Gläubige fragten sich, wofür sie eigentlich Kirchensteuer zahlen, viele dächten über einen Austritt aus der Kirche nach, erklärte die innerkirchliche Reformbewegung am Freitag in Hannover. Die Unlust an dem "Zwangsbeitrag" Kirchensteuer habe vor allem mit der Undurchsichtigkeit der Kirchenfinanzen und des Kirchensteuersystems zu tun. Nach Einschätzung der Kirchenvolksbewegung wird nur ein geringer Anteil von durchschnittlich etwa 9 bis 11 Prozent der Kirchensteuer in den 27 deutschen Diözesen für soziale Einrichtungen verwendet.
Unfallrisiko auf der Ostsee soll verringert werden
Die internationale Konferenz zum Thema Schiffssicherheit auf der Ostsee war nach Auffassung von Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff ein voller Erfolg und hat einen wichtigen Impuls dafür gegeben, dass das Thema konsequent weiter verfolgt wird. "Ein größerer Tankerunfall auf der Ostsee würde eine Riesenkatastrophe auslösen. Niemand wagt sich vorzustellen wie es aussähe, wenn die "Prestige" auf ihrem Weg vom lettischen Ventspils nach Asien in der Ostsee havariert wäre. Deshalb dürfen wir in unseren Anstrengungen zur weiteren Verbesserung der maritimen Sicherheit nicht nachlassen", erklärte Ministerpräsident nach der Tagung, die am 16. März 2005 unter dem Titel "Erika, Prestige, Baltic Carrier - ist die maritime Sicherheit unter Kontrolle?" in Brüssel stattfand. Den Vorsitz der Konferenz hatten der Schweriner Regierungschef und der Europaabgeordnete Willi Piecyk übernommen.
Bundesweite Kampagne gegen die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages
Unter dem Motto "Europa in schlechter Verfassung" beteiligt sich die bundesweite Kampagne gegen die Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages an den Protesten am 19. März in Brüssel im Vorfeld des nächsten EU-Gipfels. Nach neuesten Informationen ist die Ratifizierung in Deutschland für den 12. Mai vorgesehen. Aus über 20 deutschen Städten werden Busse organisiert. Erwartet werden insgesamt über 50.000 Teilnehmer.
Scharfe Kritik an geplanter Steuersenkung für Konzerne
Als "Blendwerk" hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac die Vorschläge zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit bezeichnet, die Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag in seiner Regierungserklärug vorgestellt hat. Der Kanzler rede von Sozialstaatlichkeit, betreibe aber faktisch nach wie vor den Abbau des realen Sozialstaates, sagte Werner Rätz vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. "Das ist alte sozialdemokratische Taktik: Links blinken und rechts abbiegen."
Neue Regeln für den Hochwasserschutz
Der Hochwasserschutz in Deutschland wird neu geregelt. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag in Berlin einstimmig einen Kompromiss des Vermittlungsausschusses. Gegenüber den ursprünglichen Regierungsplänen setzten die Länder in dem Verfahren Änderungen in drei zentralen Fragen durch. Demnach wird es kein Ackerbauverbot in erosionsgefährdeten Abflussbereichen geben, die Ausweisung neuer Baugebiete und die Errichtung neuer Ölheizungsanlagen in Überschwemmungsgebieten wird zudem nicht verboten. Durch die von den Ländern durchgesetzten Änderungen dürfte der Schutz vor Hochwasser und gefährlichen Umwelteinflüssen geringer ausfallen, als ursprünglich vorgesehen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin wertete die Regelungen dennoch als "Durchbruch". Grundsätzlich dürfe in Überschwemmungsgebieten künftig nicht mehr gebaut werden, so Trittin. Ausnahmen von dieser Regel seien nur unter Einhaltung von neun enggefassten Bedingungen möglich.
Simonis bei Ministerpräsidentenwahl in Kiel ohne Mehrheit
Die "Dänen-Ampel" in Schleswig-Holstein steht völlig überraschend auf der Kippe. Bei der Ministerpräsidentenwahl in Kiel verfehlte Amtsinhaberin Heide Simonis (SPD) am Donnerstag in drei Wahlgängen die erforderliche Mehrheit. Im dritten Wahlgang, wo eine einfache Stimmenmehrheit im Landtag ausgereicht hätte, kam es zum politischen Patt. Auf Simonis wie auch auf ihren Gegenkandidaten, CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen, entfielen jeweils 34 Stimmen bei einer Enthaltung. Damit war kein Kandidat gewählt. Der Ältestenrat zog sich daraufhin zu Beratungen zurück und entschloss sich dazu, einen vierten Wahlgang anzusetzen.
Wahrscheinlicher neuer Weltbankchef unerfahren bei Entwicklungshilfe
Das seit 1944 gültige Verfahren, wonach die USA den Chef der Weltbank und die Europäer den des Internationalen Währungsfonds (IWF) stellen, sei undemokratisch und gehöre nicht mehr ins 21. Jahrhundert. So kommentierte das Netzwerk WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) die Nominierung von Paul Wolfowitz für den Posten des Weltbankpräsidenten an. Wolfowitz genüge in keiner Weise den Anforderungen an dieses Amt, sagte Daniela Setton, Sprecherin von Weed.