Die von der Bundesregierung herausgegebenen und in den meisten Medien verbreiteten Berichte über die humanitäre Lage in der Krisenregion Darfur und im angrenzenden Tschad stellen nach Auffassung des Bundesausschusses Friedensratschlag die Situation in einem verzerrten Licht dar.
Es gebe massive Umweltprobleme in der Region, Flüchtlingsströme und Vertreibungen, die indessen nicht nur den Dschandschawid-Milizen sondern auch den gegen die Zentralregierung kämpfenden Rebellenorganisationen zuzuschreiben seien. Die Lage sei schlimm, sehr schlimm sogar, aber sie sei nicht durch Mord und Totschlag gekennzeichnet. Der Bundesausschuss verweist hierbei auf einen Bericht des Leiters des Sudan-Projekts des Sonderforschungsbereichs der Uni Köln, Dr. Stefan Kröpelin, der am 14. Oktober in der "Frankfurter Rundschaus" dokumentiert wurde.
Der Bundesausschuss kritisiert weiterhin, dass die Außenpolitik der Bundesregierung gegenüber Sudan von einer feindseligen Haltung gegenüber der Zentralregierung in Khartum geprägt sei. "Seit längerem heizen Außen- und Entwicklungsministerium die Diskussion durch ständig wiederholte Forderungen nach einem entschiedenen militärischen Eingreifen von außen in Darfur an." Außenminister Fischer habe am 11. November vor dem Deutschen Bundestag von einer "nationalen Position" Deutschlands gesprochen, weswegen er gerne "weitergegangen" sei als der "politische Druck", den die EU beschlossen habe. Der Bundesausschuss Friedensratschlag warf in seiner Pressemitteilung die Frage auf, was die "nationale Position" Deutschlands im Sudan sei. Anscheinend verfolge die Bundesregierung im Sudan auch noch andere als die "vermeintlichen humanitären Ziele".
Die Organisation vertritt weiterhin die Auffassung, dass die 6,75 Millionen Euro, die für die Bundeswehraktion bereitgestellt werden sollen, sinnvoller einzusetzen wären. Dasselbe gelte in noch höherem Maß für die über 80 Millionen Euro der Europäischen Union. Schon mit wenigen Millionen Euros könne man mobile Ärzte finanzieren, statt mit unvergleichlich höherem Aufwand die immense Logistik für die von weither eingeflogenen afrikanischen Militärs aufzubauen. Jeder Hubschrauberflug koste mehr als die Rettung eines Kinderlebens. Der Bundeswehreinsatz-Antrag der Bundesregierung stütze sich auf die UN-Resolutionen vom Juli und September 2004. Die neueste UN-Resolution, die am 19. November in Nairobi verabschiedet wurde, betone die Wichtigkeit der humanitären Hilfe und fordere die Mitgliedstaaten auf, "dringende und großzügige Beiträge zu den humanitären Maßnahmen bereitzustellen".
Der Bundesausschuss hält eine militärische Befriedung des Gebiets, das so groß sei wie Frankreich, auch mit noch so vielen Truppen nicht für möglich. "Das viele Geld, das von der EU, aber auch von den afrikanischen Staaten für militärische Aktionen ausgegeben werden soll, wird im besten Fall verpuffen, aber kaum ein einzelnes Unrecht verhindern oder Menschenleben schützen. Im wahrscheinlicheren Fall aber zu einer Komplizierung der Lage in Darfur und später womöglich auch in den Herkunftsländern der Truppen führen."
Weiterhin dränge sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung mit dem Sudan-Einsatz ein weiteres Mal versuche, unter dem Deckmantel der "humanitären Hilfe" die Bevölkerung an Militäreinsätze zu gewöhnen. Abgesehen davon werde es aller Voraussicht nach nicht bei dem jetzt beantragten halbjährigen Einsatz bleiben, da auch der Einsatz der Afrikanischen Union zumindest auf ein Jahr angelegt sei. "Leicht möglich, dass die Bundeswehr in länger dauernde und ausgreifende Gewaltkonflikte verstrickt wird."
Offenkundig sei es schließlich auch, "dass die Bundesregierung den Sudan-Einsatz benutzt, um sich bei bestimmten Kreisen der Vereinten Nationen lieb Kind zu machen, strebt sie doch nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat".
Aus den genannten Gründen warnt der Bundesausschuss Friedensratschlag "vor einer militärischen Verstrickung Deutschlands in den Sudankonflikt". Den Problemen in Darfur und im angrenzenden Tschad sei nicht mit Militär beizukommen. Die dafür vorgesehenen Ressourcen sollten statt dessen "in wirklich humanitäre Hilfsmaßnahmen" einschließlich technischer Hilfen investiert werden.
Stimmen aus dem Bundestag
Der Deutsche Bundestag debattierte am Mittwoch über den Verteidigungsetat und den des Auswärtigen Amtes für das kommende Jahr. Thema waren auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die PDS-Abgeordnete Gesine Lötzsch sagte, "noch nie war deutsche Außenpolitik nach dem 2. Weltkrieg so militärisch wie unter dem grünen Außenminister Fischer. Abstimmungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr sind im Bundestag zu einer fast alltäglichen Routine geworden."
Und bezogen auf den Sudan: "Am Freitag werden wir das 41. und 42. Mal über Auslandseinsätze der Bundeswehr abstimmen." Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner vertrat die Ansicht, insbesondere die Grünen seien "einen langen Weg gegangen, von Abschaffern der Bundeswehr zu unkritischen Durchwinkern von Auslandseinsätzen."
Der CDU-Abgeordnete Dietrich Austermann befasste sich mit der "Umsteuerung der Bundeswehr". Er kritisierte die völlige "Transformation" von einer Verteidigungsarmee mit Wehrpflicht, die für Heimatschutz, Katastrophenschutz und Landesverteidigung zuständig sei, wie sie im Grundgesetz stehe, "hin zu einer Armee, die sich in erster Linie darauf konzentriert, internationale Einsätze zu begleiten." Austermann weiter: "Diese Aufgabe steht nicht im Grundgesetz. Da steht zwar auch etwas von internationalen Verpflichtungen, aber an vielen Stellen ist von Verteidigungsarmee, Verteidigungsauftrag und auch der Wehrpflicht die Rede."
Die meisten Abgeordneten sorgten sich um eine mögliche "Unterfinanzierung" der Bundeswehr, deren Etat von der Bundesregierung auf 23,9 Milliarden Euro festgesetzt worden war. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs habe die Bundeswehr damit Mittel in der gleichen Größenordnung verfügbar wie in diesem Jahr. Grünen-Wehrexperte Winfried Nachtwei nannte den Haushaltsrahmen "eng, aber noch ausreichend".
Beschlossen wurde am Mittwoch ein Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundeswehr. Danach sollen Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt beim beruflichen Aufstieg berücksichtigt werden, wenn die Frauenquote unter 50 Prozent im Sanitätsdienst liegt oder bei den anderen Laufbahnen weniger als 15 Prozent beträgt. Zudem sollen in den Streitkräften erstmals Gleichstellungsbeauftragte bestellt werden.