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Europäischer Gerichtshof

Staudamm von Itoiz wird geflutet - Einspruch in Straßburg erfolglos

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Ein langer Kampf nähert sich dem Ende. Mit der Befüllung des Staudamms von Itoiz versinken auch die Hoffnungen vieler in die europäische Justiz. Große Hoffnungen hatten die Bewohner der beiden wertvollen Täler des Irati und des Urobi in die europäischen Institutionen gesetzt, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg den Fall sogar als Eilverfahren angenommen hatte. Doch die Ablehnung des Widerspruchs enttäuscht die Gegner des Stausees in der nordspanischen Provinz Navarra.


Itoiz und acht weitere Dörfer, 1000 Hektar Wald und Ackerfläche verschinden nun unter einer Wassersäule, so hoch wie der Kölner Dom. Versinken werden auch Teile von drei wertvollen Naturschutzgebieten und zwei Vogelschutzzonen, denn in beiden Tälern siedeln fast 100 Tierarten die vom Aussterben bedroht sind, wie Schmutzgeier, Steinadler und Königsuhus. Der bedrohte Fischotter wurde durch die Bauarbeiten schon vertrieben.

Kürzlich hatte Strassburg dem umstrittensten Damm Spaniens gegen überraschend das Plazet erteilt. Die Richter urteilten, die Rechte der Gegner seien zwar eingeschränkt, aber nicht verletzt worden. Sie hätten keine Beweise dafür vorgebracht, dass die Naturschutzgebiete 1996 mit dem Ziel verändert wurden, um das Projekt doch noch realisieren zu können.

Das verwundert. Vor allem der Anwalt der Koordination gegen Itoiz, der es geschafft hat für die Bürgerinitiative bis nach Strassburg vorzudringen, staunt Bauklötze. Für José Luis Beaumont ist das Urteil und die Begründung völlig unverständlich. Er geht deshalb den ungewöhnlichen Schritt und legt gegen die Entscheidung erneut Widerspruch ein, wie er dem Neuen Deutschland erklärte. Mit Bezug auf die Regionalregierung von Navarra sagte Beaumont: "Wir stehen vor einem Verbrechen, das der Verbrecher mehrfach angekündigt und seine Motive öffentlich dargelegt hat". Beaumont kann sich das Urteil nur damit erklären, dass die Richter den Fall nicht richtig geprüft haben. Dabei hätten sie in dem Eilverfahren mehr als ein Jahr gebraucht, was enorm lang sei.

Effektiv hat der Regierungschef von Navarra nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Ränder der Naturschutzgebiete explizit verlegt wurden, um den Staudamm fertig zu bauen und bis zur ursprünglich geplanten Höhe befüllen zu können. Es existieren viele Aufnahmen oder Protokolle der Parlamentsdebatten in denen Miguel Sanz die nachträgliche Veränderung der Naturschutzgebiete 1996 mit dem Projekt verknüpft.

Zuvor hatten mehrfach die Gegner vor spanischen Gerichten Recht bekommen: Im Sommer 1995 annullierte der Nationale Gerichtshof in Madrid sogar das Projekt. Das Gericht entschied, der See dürfe nur zu einem kleinen Teil gefüllt und die Staumauer nicht weitergebaut werden, damit hätte das Dorf Itoiz den teuersten Badesee Spaniens erhalten. Der Damm wäre nur mit wenigen Prozent der geplanten Kapazität gefüllt worden. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wurden erst nach dem Urteil vom Parlament die Naturschutzgebiete verkleinert. Was bei der Planung des Damms noch geschützte Gebiete waren, waren es danach nicht mehr.

Trotz der Veränderungen bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Nationalen Gerichtshofs 1997 noch einmal. Aber die obersten Richter knüpften einen Baustopp an eine Kaution von umgerechnet etwa 150 Millionen Euro - ein unerschwinglicher Betrag für die Bürgerinitiative.

Wegen dieser Vorgänge sind die Anwälte der Koordination um eine Erfahrung reicher. Gewohnt an Entscheidungen in Spanien, die oft politischen Vorgaben folgen, hatten sie gehofft in Strassburg "mit einem seriöseren Gerichtshof zu tun zu haben", sagte Beaumont. Die Richter hätten ohne Kenntnis der Realität und ohne "gesunden Menschenverstand" geurteilt. Es sei ein "Skandal", deshalb werde Widerspruch gegen das Urteil bei der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs eingelegt.

Den beiden Tälern dürfte das aber nichts nutzen. Denn mit Brachialgewalt hat die Regierung von Navarra im letzten Jahr Tatsachen geschaffen. Die Dörfer wurden auch ohne Urteil geräumt und zerstört. Noch schlimmer ist, dass die Ultrakonservativen die Bevölkerung unterhalb des Damms einer tödlichen Gefahr aussetzen. Worüber in Strassburg nicht entschieden wurde, ist die Unsicherheit des Staudamms. Jahrelang hatte man Gutachten unterschlagen, die vor einem Bruch des Damms warnten. Ein neues Gutachten angesehenster Staudammbauer Spaniens kam zu sieben möglichen Katastrophenszenarien, die auch das Atomkraftwerk Asco schädigen könnten. Die Fehler bei Bau seien nicht zu heilen, urteilten die Gutachter.

Das Verfahren wegen der Sicherheitsmängel ist noch in Madrid anhängig. Obwohl die Planungen derzeit nur Probeflutungen bis zur Marke 531 über dem Meeresspiegel vorsehen, um den Damm zu testen, ist schon jetzt die Marke 540 weit überschritten. Da es nun stark regnet, wird sich der Damm wie im vergangenen Frühjahr womöglich erneut unkontrolliert füllen, obwohl seine Festigkeit noch nicht geprüft wurde.

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