"Von der endgültigen Aufklärung dieses Futtermittelskandals sind wir also noch weit entfernt", sagte Backhaus. Dennoch habe Mecklenburg-Vorpommern einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet. Weitere Aufklärung könne es jetzt nur in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, dem LKA und anderen Institutionen geben.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Fegestaub aus der Halle Malchin der Norddeutschen Pflanz- und Saatgut AG in einer Konzentration von zwei Gramm pro Kilogramm Staub mit Nitrofen belastet war, erlaubt sind aber nur 0,01 Milligramm pro Kilogramm.
Im Zusammenhang mit dem Nitrofen-Skandal ist am Montag vergangener Woche eine Niederlassung der Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG im sächsischen Mochau gesperrt worden. Nach Angaben des sächsischen Landeskriminalamtes soll im Verlauf des Tages anhand von Proben untersucht werden, ob das in Mochau gelagerte Öko-Getreide mit dem als Krebs erregend geltenden Nitrofen verseucht ist. Laut LKA gründet sich der Verdacht darauf, dass in der sächsischen Niederlassung auch Getreide gelagert worden sein soll, das vorher in der Lagerhalle bei Neubrandenburg untergebracht war. In der Halle in Malchin waren zu DDR-Zeiten Herbizide gelagert worden. Sie sind offenbar Ursache für die Verseuchung von Biogetreide mit Nitrofen.
Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast hat am 1. Juni 2002 mitgeteilt, dass der Nitrofen-Skandal aufgeklärt ist. Das mit dem verbotenen Pflanzenschutzmittel verunreinigte Öko-Getreide wurde bei der Einlagerung in einem Saatgutbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern kontaminiert, erklärte die Ministerin. "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es noch eine andere Quelle der Verunreinigung gibt", sagte Künast am Samstagnachmittag in Berlin.
Der Futtermittelhersteller GS agri soll nach Bekannt werden des Nitrofen-Skandals vorsätzlich 420 Tonnen belastetes Öko-Tierfutter an Bio-Landwirte ausgeliefert haben. Obwohl der Hersteller sich verpflichtet habe, nur noch unbedenkliche Ware zu verkaufen, hätten mit Unkrautvernichter kontaminierte Produkte die Firma verlassen, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Hanns-Dieter Rosinke, am Montag in Hannover. Er widersprach damit der Darstellung eines Abteilungsleiters des Ministeriums, der am Freitag behauptet hatte, GS agri habe seine Auslieferungen von selbst gestoppt.
Die fragliche Lagerhalle in Malchin bei Neubrandenburg diente zu DDR-Zeiten als Lagerstätte für eine breite Palette von Pflanzenschutzmitteln und ist dadurch offenbar stark mit Nitrofen und anderen Giften belastet. Sie war nach der Wende von der Treuhand ohne Reinigungsauflagen verkauft worden. Die Ermittlungsbehörden hatten nach dem Auftreten von Nitrofen in Futtermitteln den Weg des kontaminierten Getreides zurückverfolgt und waren dabei auf die Lagerhalle gestoßen. In dem verunreinigten Futter sind auch die Gifte Lindan und DDT nachgewiesen worden.
Verbraucherministerin Künast sprach am Samstagabend in den ARD-Tagesthemen im Zusammenhang mit den Herstellungs- und Vertriebsstrukturen für das Futtermittel von "mafiösen Tendenzen", weil das kontaminierte Saatgut trotz Kenntnis von der Verschmutzung weiter ausgeliefert worden sei. Damit hätten die verantwortlichen Unternehmen mit krimineller Energie gegen ihre Meldepflicht verstoßen und auf Kosten des Öko-Landbaus die Gesundheit der Verbraucher gefährdet.
Kern des Problems seien die alten Strukturen der Futtermittelwirtschaft: "Das was wir jetzt hatten, war kein Ökolandbau-Skandal, sondern ein Skandal der alten Strukturen", sagte Künast. Im Futtermittelbereich gebe es aufgrund einer starken Lobby zu wenig gesetzliche Regelungen. Die Ministerin kündigte an, dies zu ändern.
Greenpeace-Sprecher Christoph Then sagte dazu: "Nun muss auch die Frage der Haftung geklärt werden. Die Entschädigung der Öko-Höfe, die ihre Produkte vom Markt nehmen mussten, darf nicht auf Kosten der Steuerzahler gehen. Zuvor müssen Futtermittelindustrie und Hersteller von Pflanzengiften, wie Hoechst/Aventis und Bayer, zur Verantwortung gezogen werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Konzerne, die jahrelang an dem Gift verdienten, für die Spätfolgen überhaupt nicht haften müssen. Es ist auch dringend zu klären, wie viele Orte in Deutschland durch alte Agrarchemikalien belastet sind. Sie müssen gefunden werden, damit die Chemikalien beseitigt und die Orte gereinigt werden können."
Weiter verwies er darauf, dass Lebensmittel aus konventionellem Landbau häufig mit Pestizidrückständen belastet sind. Ende April stelle die EU in einer Studie fest, dass 40 % aller Lebensmittel in der EU mit Pestiziden belastet sind, davon 5 % über dem Grenzwert. Erst vor kurzem fanden Wissenschaftler vom Forschungzentrum Jülich in allen untersuchten Lebensmitteln Rückstände von Nonylphenol, das den Spritzmitteln als Hilfsstoff zugesetzt wird.