DIE Internet-Zeitung
Gesundheitspolitik

Arzneimittel-Sparpaket wird wieder aufgeschnürt

Am

Das von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geplante Arzneimittel-Sparpaket soll nach Auskunft der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) wieder aufgeschnürt werden. Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt zeigte sich am Wochenende nach einem Gespräch mit Schmidt fest davon überzeugt, dass die Bundesregierung grundlegende Korrekturen am Arzneimittel-Sparpaket vornehmen wird. Auch der Marburger Bund übte Druck auf die Ministerin aus. Der Vorsitzende des Klinikärzteverbandes, Frank Ulrich Montgomery, drohte im nächsten Jahr mit so genannten Abrechnungsstreiks, falls die Bundesregierung nicht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Arbeitszeiten von Klinikärzten umgehend ins deutsche Recht umsetze.


Schmoldt sagte, die Ministerin habe ihre Bereitschaft signalisiert, die geplante Preissenkung für bestimmte Medikamente durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Pharmaindustrie zu ersetzen. Die Gesundheitsministerin will mit ihrem als Reaktion auf die gestiegenen Arzneimittel-Ausgaben geschnürten Paket den Krankenkassen Einsparungen zwischen zwei und drei Milliarden Mark bescheren.

Vorgesehen war eine Absenkung der Herstellerpreise für bestimmte Arzneimittel. Zudem sollen Apotheker künftig im Regelfall nur noch das preiswerteste Medikament unter wirkstoffgleichen Präparaten an Patienten abgeben. Bei einem Spitzengespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der kommenden Woche wollen Pharmaverbände und Chemiegewerkschaft klären, welche Änderungen am Arzneimittel-Sparpaket vorgenommen werden.

Montgomery kritisierte, dass die Arbeitsbelastung in vielen Krankenhäusern längst das menschenwürdige Maß überschritten habe. Ärzte müssten über 30 Stunden am Stück ohne nennenswerte Pausen arbeiten, berichtete der Vorsitzende des mit 70.000 Mitgliedern größten deutschen Ärzteverbandes. Wenn die Politik das Gerichtsurteil umsetzen würde, könnten soziale Dienstpläne erstellt werden, die Übermüdung und damit Patientengefährdung ausschließen, sagte Montgomery. Hierfür seien 15.000 zusätzliche Ärzte und Mehrkosten von zwei Milliarden Mark notwendig.

Der Verbandschef mahnte Schmidt, "das knappe Geld nicht für Ideen wie den Gesundheitspass zu verschwenden". Vielmehr seien Investitionen in die Menschen nötig, die in den Krankenhäusern arbeiteten. Setze die Bundesregierung das Gerichtsurteil nicht bald um, erwarte sie ein "heißer Wahlkampf". Montgomery drohte für diesen Fall mit "Computerstreiks", bei denen Ärzte die Dokumentation verweigerten und somit den Klinikträgern den Geldhahn zudrehten.

Bestärkt wird der Verband mit seiner Forderung durch den "Krankenhaus-Report 2001", den das Wissenschaftliche Institut der AOK nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" Mitte November offiziell vorlegen will. Dem Bericht zufolge haben Ärzte, Schwestern und Pfleger in deutschen Krankenhäusern heute wesentlich mehr Patienten zu versorgen als noch zu Beginn der neunziger Jahre. Insgesamt sei die Zahl der Kranken, die in Kliniken behandelt wurden, auf die Rekordmarke von fast 16 Millionen im Jahr 1999 gestiegen. Danach musste ein Arzt 1999 durchschnittlich 153 Kranke versorgen - drei mehr als acht Jahre zuvor.

Besserer Stand für Unfall- und Arzneimittelopfer

Neues Schadensersatzrecht

Patienten, Kinder und Unfallopfer haben künftig mehr Rechte bei Haftungs- und Schadenersatzfragen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag in Berlin eine Reform der gesetzlichen Schadenersatzregelungen mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der FDP. In dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf wird darauf verwiesen, dass das Schadenersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches seit dem Inkrafttreten vor mehr als 100 Jahren nahezu unverändert geblieben sei. Mit den Neuregelungen sollen nunmehr Haftungslücken und "Gerechtigkeitsdefizite" beseitigt werden.

Nach dem neuen Recht haften Kinder künftig erst ab zehn Jahren für einen von ihnen verursachten Verkehrsunfall. Nach geltendem Recht sind sie ab dem vollendeten siebten Lebensjahr für den Schaden verantwortlich. Zudem gilt in Zukunft die so genannte Gefährdungshaftung im Straßenverkehr auch zu Gunsten von Fahrzeuginsassen. Mitfahrer sind demnach als Unfallopfer genauso von der Haftung des Fahrzeughalters umfasst wie Personen, die außerhalb des Wagens geschädigt wurden.

Ferner soll es bei der Verletzung von Körper, Gesundheit und sexueller Selbstbestimmung einen allgemeinen Anspruch auf Schmerzensgeld geben. Arzneimittelgeschädigte erhalten Beweiserleichterungen bei ihrem Anspruch gegen Pharmafirmen. Die teilweise seit mehr als 20 Jahren unveränderten Haftungshöchstgrenzen der Gefährdungshaftungen werden erhöht. Die Reform soll zum 1. August dieses Jahres in Kraft treten. Nach drei Jahren soll die Bundesregierung zudem einen Bericht über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz vorlegen.

In der Debatte zeigten sich Abgeordnete von Regierung und Opposition einig in der Einschätzung, dass die Modernisierung des Schadenersatzrechts lange überfällig gewesen sei. Der Opferschutz werde durch das Gesetz deutlich gestärkt, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Eckhart Pick (SPD). Für Opfer von Schädigungen durch fehlerhafte Arzneimittel werde sogar erstmals "ein Stück Waffengleichheit" mit der Pharmaindustrie geschaffen. Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck sprach hier von einem "Durchbruch", nachdem erst in jüngster Zeit der Lipobay-Skandal wieder gezeigt habe, wie schwer die Rechte von Patienten bisher durchzusetzen gewesen seien.

Dagegen lehnte die FDP das Gesetz gerade wegen der Verschärfungen bei Arzneimittelschäden ab. Der FDP-Abgeordnete Rainer Funke kritisierte, diese Änderungen führten letztlich nur dazu, dass Medikamente teurer würden und die deutsche Pharmaindustrie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verliere.

Am 19-04-2002

vzbv erwirkt Rücknahme der illegalen Arzneimittelwerbung von Pharmariesen

Arzneimittelwerbung

Als Reaktion auf eine Abmahnung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. (vzbv) hat die Firma Bristol-Meyers Squibb (einer der weltweit größten Pharmakonzerne) erklärt, ihre Anzeigenkampagne zurückzuziehen. Die Firma hatte trotz Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente in ganzseitigen Zeitungsannoncen für verschreibungspflichtige Aids-Medikamente geworben. In einem Schreiben an den vzbv vom 7.10.2002 erklärte der Konzern, derartige Werbemaßnahmen künftig zu unterlassen. "Dies ist ein Erfolg gegen die illegale Arzneimittelwerbung und für den gesundheitlichen Verbraucherschutz", erklärte Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsreferent des vzbv. Als weiteres positives Signal gegen eine Lockerung des Werbeverbots für Arzneimittel wertete der vzbv die jüngste Entscheidung des zuständigen Ausschusses im Europaparlament. Dieser hatte in der vergangenen Woche dem Vorschlag der EU-Kommission, zur Verbesserung der Patienteninformation die Werbung für rezeptpflichtige Medikamente zur Behandlung von HIV/Aids, Diabetes und Asthma modellhaft für fünf Jahre zuzulassen, eine Absage erteilt. Das Parlament wird sich am 22. Oktober mit der Angelegenheit befassen.

"Wir treten mit allen europäischen Verbraucherorganisationen entschieden dafür ein, Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel uneingeschränkt weiter zu verbieten", so Etgeton. Dies würde den gesundheitlichen Verbraucherschutz insgesamt verschlechtern und zu weiteren Kostensteigerungen im Gesundheitswesen beitragen. Das berechtigte Interesse, Patientinnen und Patienten gut und unabhängig zu informieren, ließe sich durch Werbung nicht befriedigen.

Am 10-10-2002

Erfolgsgeschichte der WHO-Liste "Unentbehrliche Medikamente"

25 Jahre Arznei für die Welt

Am 21. Oktober wird die Liste der unentbehrlichen Medikamente (Model List of Essential Medicines) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 25 Jahre alt. Hilfsorganisationen feiern diese Liste als Instrument, das seit der ersten Veröffentlichung dazu beigetragen hat, Menschen weltweit Zugang zu lebensrettenden Arzneimitteln zu verschaffen. Als die WHO die Liste am 21. Oktober 1977 zum ersten Mal herausgab, beinhaltete sie 208 Wirkstoffe. Diese relativ geringe Anzahl genügte, um die meisten medikamentös behandelbaren Krankheiten weltweit zu bekämpfen. Dabei hatten klare Kriterien die Auswahl bestimmt: Die Medikamente sollten den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit entsprechen und jederzeit in ausreichender Menge und angemessener Darreichungsform sowie zu erschwinglichen Preisen erhältlich sein. Die Modell-Liste wurde inzwischen zu einem weltweit anerkannten Konzept. 25 Jahre später zeigt sich, dass dieses Konzept zu einer besseren Übersicht auf dem Arzneimittelsektor geführt hat. Die meisten Länder der Welt (156 von 191) haben anhand der WHO-Liste bereits eine nationale Liste der unentbehrlichen Arzneimittel verfasst, die den aktuellen Erfordernissen kontinuierlich angepasst wird. Die Beschaffung sowie die rationale Anwendung der Medikamente wurden seitdem verbessert und die Kosten stark gesenkt. Darüber hinaus trägt die Liste dazu bei, die Ausbildung des Personals zu verbessern.

Im April 2002 legte die WHO die zwölfte Ausgabe ihrer Modell-Liste vor, die nun 325 Wirkstoffe enthält. Neu aufgenommen wurden u.a. zwölf Präparate zur Behandlung von HIV/Aids. Dies wird von den Hilfsorganisationen als ein Durchbruch gefeiert, denn damit wird ihrer Forderung nach der Bereitstellung von kostengünstigen HIV/Aids-Medikamenten Rechnung getragen. Zudem wurde eine sehr umfangreiche und über das Internet verfügbare Datenbank aufgebaut, die wissenschaftlich gesicherte Hintergrundinformationen zu jedem dieser 325 Mittel enthält.

Dennoch weisen die Hilfsorganisationen darauf hin, dass ein Drittel der Weltbevölkerung noch immer keinen Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten hat. Denn meist sind die Arzneimittel für die arme Bevölkerung nach wie vor unbezahlbar. Außerdem beeinträchtigen Naturkatastrophen, Kriege oder bankrotte Staatskassen den Aufbau einer nachhaltigen, stabilen Versorgungsstruktur in vielen Ländern, und Kommunikations- und Transportprobleme stehen einer Versorgung ländlicher Gebiete mit den notwendigen Arzneimitteln häufig im Wege.

Deshalb setzen sich die Organisationen auch nach 25 Jahren dafür ein, dass das Konzept der unentbehrlichen Arzneimittel - das auch für Länder des Nordens Hilfestellung bietet - weiter verbreitet und umgesetzt wird. Nach Ansicht der Hilfsorganisationen ist es eine unverzichtbare Voraussetzung für eine bessere und finanzierbare Arzneimittelversorgung weltweit. Schließlich dokumentierte die WHO noch im Juni 2002, dass der Zugang zu Gesundheitsversorgung – und dazu gehört auch die Bereitstellung von Basismedikamenten zu akzeptablen Preisen - als Menschenrecht anzusehen ist.

Zu den Unterstützern gehören die Buko Pharmakampagne in Bielefeld, die kritisiert, dass Deutschland wie einige andere Industrieländer die WHO-Liste noch immer nicht in eine nationale Liste umgesetzt hat. Auch Ärzte ohne Grenzen setzt sich mit der Kampagne "Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten" seit 1999 dafür ein, die Behandlung mit lebensnotwendigen Arzneimitteln weltweit zu gewährleisten. Dabei fordert die Organisation u. a. mehr Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln gegen vernachlässigte Krankheiten wie Malaria und die Schlafkrankheit. Dies sei die Voraussetzung dafür, dass in Zukunft neue Medikamente in die WHO-Liste aufgenommen werden können, die auch gegen Krankheiten in ärmeren Ländern wirksam sind.

Am 15-10-2002

Streit um Reformvorschläge gegen die Kostenlawine der Arzneimittelausgaben

Arzneiverordnungsreport 2002

Der im Wissenschaftsverlag Springer erschienene Arzneiverordnungs-Report 2002 der beiden Herausgeber Prof. Dr. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath beschreibt die Entwicklung der Arzneimittelverordnungen des Jahres 2001 und sagt, dass 4,2 Mrd. Euro durch eine wirtschaftlichere Verordnungsweise ohne Qualitätsverlust eingespart werden könnten. Würde konsequent auf preiswerte Generikapräparate umgestellt und auf hochpreisige Analogpräparate und umstrittene Arzneimittel ohne therapeutischen Nutzen verzichtet, könnte dieses Einsparpotenzial in einer Größenordnung von zwanzig Prozent des gesamten Arzneimittelumsatzes für die Finanzierung von therapeutisch bedeutsamen Innovationen verwendet werden. Nach Aussagen des Reports rollt Kostenlawine der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ungebremst weiter: Der Fertigarzneimittelumsatz stieg 2001 um 10,4 Prozent und erreichte einen neuen Rekordwert von 21,3 Mrd. Euro. Der Ausgabenzuwachs gegenüber dem Vorjahr betrug 2,0 Mrd. Euro und lag damit weit über dem langjährigen Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Diese hohen Arzneimittelkosten haben ein tiefes Loch in den Gesamthaushalt der GKV gerissen und waren die Hauptursache für das finanzielle Defizit von 2,8 Mrd. Euro bei den GKV-Gesamtausgaben von 138 Mrd. Euro.

Nach Ansicht der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) seien dagegen die dargestellten Einsparvolumina unrealistisch und lenkten von den eigentlichen Ausgabenproblemen der GKV ab. Während die Krankenkassen ihre permanent überdurchschnittlich steigenden Verwaltungskosten mit wachsenden Aufgaben begründen, propagierten sie gleichzeitig bei den Apotheken Einschnitte, die eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung unmöglich machen würden.

Besonders bedauerlich sei, dass die Regierungskoalition offenkundig gewillt ist, diesem St.-Florians-Prinzip der Kassen zu folgen und in dem angekündigten Vorschaltgesetz ausschließlich den Arzneimittelbereich auszubluten. Sollte das Gesetz in der bislang bekannt gewordenen Form umgesetzt werden, rechnet die ABDA mit dem Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen in den Apotheken. Im Frühsommer dieses Jahres hätten sich 7,7 Millionen Menschen gegen die Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln und für den Erhalt der unabhängigen Apotheke ausgesprochen.

Anlässlich des Reports beklagte erklärte Dr. Manfred Richter-Reichhelm, erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): "Die Preis- und Produktpolitik der Pharmaunternehmen macht es uns unmöglich, unsere Einsparziele bei den Arzneimittelausgaben zu erreichen." Er betonte, dass sich die Kassenärzte dennoch intensiv bemühen, die Arzneimittelkosten zu senken.

Richter-Reichhelm kritisierte die aus KBV-Sicht fragwürdigen Praktiken der Pharmaindustrie: "Einzelne Hersteller treiben die Medikamentenpreise immer weiter in die Höhe." Besonders dreist sei es, so genannte Scheinpräparate auf den Markt zu bringen, um von der Aut-idem-Regelung zu profitieren. Diese verlangt von Apotheken, Medikamente aus dem unteren Preisdrittel abzugeben. Um das untere Drittel auszuweiten, würden neue Produkte zu völlig überzogenen Preisen eingeführt. Ein Beispiel dafür war nach KBV-Angaben etwa ein Ranitidin-Präparat zu über 500 Euro. Der Wirkstoff Ranitidin wird bei Magengeschwüren verschrieben. Durch das überteuerte Mittel hob sich die Obergrenze des unteren Preisdrittels dieser Wirkstoffgruppe von 33,65 Euro auf bis zu 82,83 Euro. Erst nach einigen Protesten glich das Unternehmen den Preis an.

Als ein Vertreter der Pharmaindustrie kommentierte Walter Köbele, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland: "Krankenkassen wollen den gesetzlich Versicherten den therapeutischen Fortschritt offenbar vorenthalten", die Einsparempfehlungen im Bereich patentgeschützter Analogpräparate. Er argumentiert, dass Therapiefortschritte weit häufiger das Ergebnis schrittweiser Weiterentwicklungen bereits bestehender Substanzen seien. Die erste Substanz einer neuen Wirkstoffklasse sei dabei nicht zwingend die Beste. Parallelforschung im Wettlauf um das bessere Produkt für den Patienten sei deshalb unverzichtbar.

Am 15-10-2002

Mängel bei Arzneimittel-Infos im Internet

Gesundheit

Eine Heidelberger Studie stellt Informationen über Arzneimittel im Netz ein schlechtes Zeugnis aus. Die Studie zur Darstellung von Johanniskraut zeigt schwere Defizite auf. Bei der Analyse und Bewertung zufällig ausgewählter englischsprachiger Homepages zeigte sich, dass weniger als ein Viertel der Internetpräsentationen ausreichende und zuverlässige Informationen boten. Homepages, deren Betreiber kein kommerzielles Interesse hätten, schnitten dagegen deutlich besser ab. Die Ergebnisse der Studie wurden im "American Journal of Medicine" publiziert. Wissenschaftler der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg untersuchten insgesamt 208 Websites zu Johanniskraut, da die Anwendung des Arzneimittels gegen Depressionen ohne bestimmte Informationen zu Komplikationen führen kann. "Johanniskraut beschleunigt den Abbau bestimmter Arzneimittel und kann dadurch ihre Konzentration und damit ihre Wirkung vermindern. Zum Beispiel kann es bei transplantierten Patienten, die das Medikament Ciclosporin einnehmen, zu Transplantatabstoßungen kommen", erklärte Meret Martin-Facklam von der Uniklinik Heidelberg.

Bei ihrer Analyse zogen die Wissenschaftler einerseits formale Kriterien heran, wie Nennung der Autoren und des Datums. Andererseits überprüften sie die inhaltliche Qualität, das heißt., ob die korrekte Anwendung für Johanniskraut (Depression) und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, z.B. orale Verhütungsmittel, und deren Konsequenzen erwähnt wurden. "Nur 22 Prozent der Websites gaben an, dass die einzige wissenschaftlich belegte Indikation für Johanniskraut die Depression ist", sagte Martin-Facklam. "Ebenfalls 22 Prozent erwähnten wenigstens eine Wechselwirkung, nur zwei Seiten haben eine praktisch vollständige Liste der möglichen Wechselwirkungen aufgelistet."

Für Naturheilmittel wie Johanniskraut, die nicht verschreibungspflichtig sind und in anderen Ländern sogar unmittelbar über die Website angefordert werden können, sei laut Martin-Facklam eine korrekte und umfassende Information notwendig. Denn hier werde die Anwendung meist nicht mehr mit dem Arzt oder Apotheker besprochen. "Ob diese negative Beurteilung auch für andere Arzneimittel zutrifft, wissen wir noch nicht", schränkt Walter Haefeli das Ergebnis der Studie ein. In einer zweiten Studie werde nun die Arzneimittelinformation zu dem verschreibungspflichtigen Potenzmittel Viagra untersucht. Erste Ergebnisse lägen nahe, dass auch hier die Qualität der Information zu wünschen übrig lasse.

Prinzipiell können sich Anbieter freiwillig bestimmten Auflagen unterwerfen, die von nationalen wie internationalen Organisationen erarbeitet worden sind, z.B. im so genannten "E-Health Code of Ethics". Sie fordern klare Angaben zu allen Informationsquellen sowie den Betreibern und der Finanzierung der Homepage. Diese hätten sich bislang aber nicht als unverzichtbare Qualitätssiegel durchgesetzt.

Am 14-01-2003

Alternative zu Tierversuchen in der EU

Arzneimitteltests

EU-Forschungskommissar Philippe Busquin hat am heutigen Montag, neue Methoden für Arzneimitteltests vorgestellt. Sie sollen eine sichere Alternative zu Tierversuchen bieten und 200.000 Kaninchen den Einsatz als Versuchstier ersparen. Als Kaninchen-Ersatz diene eine sechsteilige Testreihe, bei der fiebererzeugende Stoffe (Pyrogene) in Arzneimitteln unter Verwendung menschlicher Blutzellen ermittelt werden. Die Tests wurden von einem Forschungsteam aus nationalen Überwachungslabors, Testentwicklern und Unternehmen erarbeitet und werden derzeit von der Kommission validiert. Sie finden bereits in 200 Labor Einsatz. Parenteral (unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes) verabreichte Medikamente werden in ganz Europa regelmäßig zur Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt. Zur Gewährleistung der Sicherheit dieser häufig eingesetzten Arzneimittel ist eine strenge Überwachung, sowie Prüfung jeder Charge auf etwaige Pyrogenkontamination notwendig. Mit Hilfe der neuen Tests kann bei der Ermittlung von Pyrogenen in parenteral verabreichten Medikamenten auf Kaninchen-Versuche verzichtet werden.

Bislang wurden beim Pyrogentest Kaninchen eingesetzt. Dabei wird den Tieren die Testsubstanz injiziert und anschließend die Entwicklung der Körpertemperatur registriert. Ein erheblicher Temperaturanstieg ist ein Indiz für das Vorhandensein von Pyrogenen. Bei der Arzneimittelqualitätssicherung wird das Verfahren seit 50 Jahren eingesetzt. Es ist aber für wichtige neue Therapien unter Verwendung von etwa Blutzellprodukten oder speziesspezifischen Wirkstoffen ungeeignet. Als In-vitro- Alternative gilt einzig der so genannte LAL-Test, der eine Gerinnungsreaktion der Blutzellen des Pfeilschwanzkrebses Limulus polyphemus nutzt. Dieser ermittelt aber nicht alle Pyrogene und die Ergebnisse sind nicht vollständig auf den Menschen übertragbar.

Die neuen Tests sollen nun weniger aufwändig, kostengünstiger und genauer sein. Die Ergebnisse der Validierungsstudie weisen darauf hin, dass auf Tierversuche vollständig verzichtet werden kann. Die neuen Verfahren sind zur Ermittlung aller Arten von Pyrogenen geeignet, heißt es aus Brüssel. Eine für den Handel bestimmte Testausrüstung sei bereits entwickelt und genormt worden. Ein vielseitig verwendbares Testreagens aus vorgetestetem Tiefkühlblut mit Blutzellen befinde sich in Entwicklung.

Am 12-05-2003

Verband der Krankenversicherten warnt vor Ende für rezeptfreie Medikamente

Aus für Homöopathika?

Versteckt hinter den Zuzahlungen für den Arztbesuch, dem geplanten Wegfall der Erstattung für Zahnersatz, der Extraversicherung für Krankengeld und weiteren Einschränkungen kündigt sich eine Beschränkung der Behandlungsmöglichkeiten an. Der Verband der Krankenversicherten Deutschlands (VKVD) hat daher am Montag in Berlin Alarm geschlagen. Vorgesehen sei laut dem Eckpunktepapier der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform auch der Ausschluss der rezeptfreien Arzneimittel aus der gesetzlichen Kassenerstattung. Betroffen von dieser Regelung sind auch die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, wie beispielsweise Homöopathika. Dabei sind die Argumente für diese Einschränkung der Therapiefreiheit weder medizinisch noch ökonomisch erklärbar. Sie schaden dem Patienten in materieller Hinsicht und unter Risikoaspekten. Der VKVD rechnet vor: Die Differenz zwischen einem rezeptpflichtigen und einem rezeptfreien Arzneimittel liege im Durchschnitt bei 24,60 Euro. Bezogen auf homöopathische Arzneimittel sogar bei 27,20 Euro. Sein Fazit: Höhere Kosten bei zunehmendem Risiko an Nebenwirkungen.

Das Konsenspapier lässt jedoch dem Patienten noch ein Fünkchen Hoffnung - wenn er schnell reagiert. So soll es eine Ausnahmeregelung für die Erstattung nicht-rezeptpflichtiger Arzneimittel geben, wenn sie bei bestimmten Anwendungsgebieten (Indikationen) eingesetzt werden. Die Liste dieser Ausnahmenindikationen wird in Kürze von einem Expertengremium erstellt. Wichtig ist daher in den Augen des VKVD, dass die Ausnahmen komplexe Krankheitsbilder mit Folgeproblemen wie zum Beispiel rheumatische Erkrankungen, Herzbeschwerden, Diabetes oder Schwindel berücksichtigt, also Erkrankungen, die auch im Mittelpunkt der Aktivitäten von Selbsthilfegruppen stehen.

Alle direkt und potenziell Betroffenen Patienten haben noch kurze Zeit, diesen Ausnahmekatalog mit zu beeinflussen. Der VKVD empfiehlt deshalb, Kontakt mit den jeweiligen örtlichen Politikern aufzunehmen oder auch direkt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung über ein Kontaktformular in dessen Internet-Seite anzusprechen. Ziel sei es, den verantwortlichen Experten auf diese Weise noch einmal den schon in verschiedenen Studien und Befragungen (z.B. von Allensbach) bekundeten Wunsch zu verdeutlichen, dass sich die große Mehrheit der Bevölkerung bevorzugt eine naturheilkundliche - also nebenwirkungsarme - Behandlung wünscht.

Am 11-08-2003

Medikamenten-Kompromiss gefährdet Zugang zu Arzneimitteln

WTO-Konferenz in Cancún

Anlässlich der WTO-Konferenz in Cancún warnen Nichtregierungsorganisationen davor, dass der bereits im Vorfeld des Treffens verabschiedete Kompromiss zum Patentschutz von Medikamenten den Zugang zu Arzneimitteln in ärmeren Ländern gefährde. Während die WTO die Regelung als Erfolg feiert, hat die Vereinbarung nach Ansicht von Ärzte ohne Grenzen, BUKO Pharma-Kampagne und Aktionsbündnis gegen Aids ihr ursprüngliches Ziel nicht erreicht. Den Organisationen zufolge wird der Zugang zu kostengünstigen Medikamenten durch komplizierte bürokratische Verfahren massiv erschwert. "Wir werden die Regierungen der betroffenen Länder ermutigen, die Möglichkeiten des TRIPS-Abkommens und des neuen Kompromisses voll auszuschöpfen, um den Schutz der öffentlichen Gesundheit sicherzustellen", sagte Tobias Luppe von Ärzte ohne Grenzen in Cancún. "Dann wird sich zeigen, ob die Regelung in der Realität auch praktikabel ist." Den Organisationen zufolge könnten beispielweise in Honduras die rund 6.000 HIV-Infizierten, die derzeit eine medikamentöse Therapie brauchen, behandelt werden, wenn die Regierung mit dem Geld, das ihr vom Globalen Fonds zur Verfügung steht, Generika kaufen würde.

Neben der Kritik am WTO-Kompromiss verurteilen die Organisationen auch die Versuche einiger Industrieländer, den Zugang zu Medikamenten durch bilaterale und regionale Handelsabkommen weiter zu erschweren. So versucht die US-amerikanische Regierung beispielweise im Rahmen der Verhandlungen zur gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA), den Patentschutz auf Medikamente zu verschärfen. Die vorgesehenen Maßnahmen gehen weit über die Rechte hinaus, die im TRIPS-Abkommen festgelegt sind und die auf dem Ministertreffen der WTO in Doha im November 2001 ausdrücklich bekräftigt wurden. Die US-Regierung schlägt vor, innerhalb der FTAA das Patentrecht über die bisher erforderlichen 20 Jahre hinaus zu verlängern. Zudem will sie die Möglichkeiten, Zwangslizenzen zu vergeben, stark einschränken.

Auch der Beitritt von Kambodscha zur WTO in Cancún zeigt den Organisationen zufolge, wie ärmere Länder von den Industrieländern unter Druck gesetzt werden. In ihrem Patentgesetz aus dem Jahr 2003 hatte die kambodschanische Regierung im Sinne der Erklärung von Doha den Patentschutz auf Medikamente bis zum Jahr 2016 ausgeschlossen. Doch während der Verhandlungen zum WTO-Beitritt stimmte die Regierung - offensichtlich unter dem Druck der USA - der so genannten TRIPS-Plus-Vereinbarung zu, die den Zugang zu preiswerten Kopien geschützter Medikamente, sogenannten Generika, dramatisch erschweren wird.

Am 12-09-2003

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