DIE Internet-Zeitung
Dessau

Gedenken an Nazi-Opfer Alberto Adriano

Am

Mit einem Begegnungsfest im Stadtpark gedenkt Dessau heute des vor einem Jahr von rechten Jugendlichen ermordeten Mosambikaners Alberto Adriano. Neben Theater, Filmen und Musik sind zahlreiche Gesprächsangebote geplant. Politiker, Polizeibeamte, Mitarbeiter des Arbeitsamtes und Kirchenvertreter wollen mit den Besuchern des Festes unter anderem über Extremismus und kulturellen Austausch diskutieren.


Multikulturelles Zentrum, Kirche, Polizei und Anhaltisches Theater sind die Veranstalter des Festes. Unterstützt wird es vom Verein "Miteinander" und dem Ausländerbeauftragten des Landes.

Kunsthalle sucht nach Nazi-Raub-Kunst

Hamburg

Zur Ermittlung von so genannter "Raub-Kunst" der Nationalsozialisten lässt die Hamburger Kunsthalle derzeit die Herkunft ihrer Bestände prüfen. Von der Aktion betroffen sind Kunstwerke, die vor 1933 entstanden oder nach 1933 in den Besitz der Sammlung gelangten, wie Kunsthallendirektor Uwe Schneede am Dienstag in Hamburg sagte. Wenn die Herkunft eines Kunstwerks nicht eindeutig ist, wird ermittelt, ob es sich dabei um "NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut" handelt. Die Herkunft von 60 Gemälden sei bislang als unbedenklich eingestuft worden, sagte Schneede. Weitere 770 Gemälde stünden noch zur Bearbeitung an. Ebenso sollen Skulpturen, Münzen, Medaillen sowie die Werke im Kupferstichkabinett untersucht werden. Für den Fall, dass Kunstwerke als "Raub-Kunst" identifiziert werden, müssen die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ermittelt werden. Konkrete Richtlinien etwa für die Rückgabe der Werke oder finanzielle Entschädigungen gebe es bisher nicht. "Wir werden uns auf jeden Fall bemühen, faire Lösungen zu finden", betonte Schneede.

Werke, deren Herkunft nicht lückenlos geklärt werden kann, sollen ab Januar 2002 im Internet veröffentlicht werden. Die Hamburger Kunsthalle bereitet zudem vom 20. bis 22. Februar 2002 eine Fachtagung mit der Kulturstiftung der Länder, dem deutschen Städtetag und der Koordinierungsstelle für Kulturverluste in Magdeburg vor. Dort soll der bundesweite Stand der Forschungsarbeiten zusammengetragen werden.

Bundestag, Länder und Kommunen hatten 1999 das Washingtoner Abkommen bestätigt. In den "Principles on Nazi-Confiscated Art" legten zahlreiche Länder, darunter Deutschland, in elf Punkten einen Kodex zum Umgang mit von Nazis beschlagnahmten Artefakten fest. Die Unterzeichner verpflichteten sich, die Identifizierung der Kunstwerke mit allen nötigen Mitteln möglich zu machen.

Neben Hamburg haben fünf weitere deutsche Kunstmuseen mit der Herkunftsforschung ihres Besitzes begonnen. Auch in München, Stuttgart, Dresden und Köln wurden wissenschaftliche Stellen zu diesem Zweck eingerichtet.

Am 12-06-2001

Neue Nazi-Schmierereien auf Usedom

Rechtsextreme Anschlagserie

Die Anschlagserie mit rechtsextremem Hintergrund reißt nicht ab. In Karlshagen auf Usedom hinterließen Unbekannte in der Nacht zu Montag auf einem Schulhof rechtsradikale Sprüche und Hakenkreuze. Bereits am Wochenende war auf der Ostsee-Insel in Ahlbeck ein sowjetisches Ehrenmal beschmiert worden. Inzwischen hält der Staatsschutz den Sprengstoffanschlag auf den Friedhof der Jüdischen Gemeinde in Berlin-Charlottenburg von Samstag eher für eine Tat von Rechtsradikalen als von arabischen Extremisten. Weder zu dem Anschlag auf den jüdischen Friedhof noch zu den Hakenkreuz-Schmierereien auf dem sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Marzahn von Samstag gab es eine heiße Spur zu den Tätern.

Dagegen ermittelt in Rostock der Staatsschutz wegen volksverhetzender Schmierereien gegen vier verdächtige Jugendliche, die der rechten Szene zugeordnet werden. Festnahmen gab es nach Angaben der Rostocker Staatsanwaltschaft allerdings noch keine. Bei Wohnungsdurchsuchungen am Wochenende seien aber Sprühdosen sichergestellt worden. Die Ermittler schließen einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag auf den jüdischen Friedhof in Rostock vor knapp zwei Wochen und den Schmierereien in der Innenstadt am Freitag nicht aus.

Seit Wochen halten rechtsextremistische Anschläge Mecklenburg-Vorpommern in Atem. Außer jüdischen Friedhöfen waren auch Gedenkstätten und Ehrenmale für NS-Opfer in Schwerin und Wöbbelin Ziele von Anschlägen.

Die Empörung über den Anschlag auf den jüdischen Friedhof in der Hauptstadt hielt an. Der Polizeipräsident setzte eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro für Hinweise auf die Täter aus. Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin verurteilte die Tat als "Akt des Vandalismus und der Barbarei". Der DGB Berlin-Brandenburg brachte ebenfalls seine Abscheu zum Ausdruck.

Ein oder mehrere Täter hatten am Samstag einen mit explosivem Material gefüllten Metallkörper über das Eingangstor des Friedhofs geworfen, auf dem sich auch die letzte Ruhestätte des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, befindet. Sein Grab war bereits Ende 1998 durch einen Sprengstoffanschlag beschädigt worden.

Die Überwachung der rechten Szene in Nordostbrandenburg zeigte indes Erfolge. Die im April 2001 gegründete Sonderkommission "Täter-Orientierte Maßnahmen gegen Extremistische Gewalt" (Tomeg) habe 30 rechtsradikale Personen in den Kreisen Prenzlau, Templin und im Raum Bernau gezielt observiert, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Eberswalde am Montag. 20 von ihnen seien seither nicht mehr straffällig geworden, einer habe der rechten Szene sogar den Rücken gekehrt. Ziel der Soko sei, die Szene zu verunsichern und aus der Anonymität zu holen.

In Niedersachsen ging dem neuen Verfassungsschutzbericht zufolge die rechtsextremistische Gewalt 2001 zwar zurück, allerdings stieg die Zahl der jungen gewaltbereiten Skinheads auf 1100 an. Dies sei ein bundesweiter Trend, sagte Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD).

Am 18-03-2002

Anklageschrift gegen sieben Neonazis verlesen

Skinheads Sächsische Schweiz

Mit der Verlesung der Anklageschrift ist am Mittwoch in Dresden der Prozess gegen sieben mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) fortgesetzt worden. Die Männer im Alter zwischen 24 und 30 Jahren müssen sich vor der Staatsschutzkammer des Dresdner Landgerichts unter anderem wegen Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft handelt es sich um den ersten Prozess gegen eine rechtsextremistische Vereinigung in Ostdeutschland. Die Gruppierung ist inzwischen verboten. Vor der einstündigen Verlesung der Anklageschrift hatte das Gericht einen Antrag der Verteidigung auf Aussetzung des Verfahrens wegen vermeintlicher Formfehler abgelehnt. Strittig war eine Änderung der Gerichtsbesetzung, über die die Verteidiger offenbar nicht fristgerecht informiert worden waren. Über einen weiteren Antrag der Anwälte wollte die Kammer im weiteren Verlauf des Prozesses befinden. Die Anwälte verlangen darin die Einstellung des Verfahrens, weil sich das sächsische Innenministerium weigert, Auskunft über eventuell in die SSS eingeschleuste V-Männer zu geben.

Die "Skinheads Sächsische Schweiz" wurden vom Innenministerium im April 2001 verboten. Die Organisation habe sich offen zum Nationalsozialismus bekannt, hieß es. Der 1996 gegründeten Vereinigung sollen zwischenzeitlich bis zu 120 Personen angehört haben. Für den Prozess sind bis Dezember 27 Verhandlungstage angesetzt.

Einige Angeklagte kündigten an, sich zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Ein Beschuldigter will zu den Tatvorwürfen am nächsten Mittwoch Stellung nehmen. Da er sich offenbar schon früher gegenüber den Behörden auskunftsfreudig gezeigt hat, wird mit einer Belastung der anderen Angeklagten gerechnet.

Unter den Angeklagten sind mit dem 28-jährigen Thomas S. und dem 24-jährigen Thomas R. zwei mutmaßliche Rädelsführer der SSS. Beide werden von zwei Anwälten aus Regensburg und Berlin verteidigt, die nach Medienberichten zuvor bereits in anderen Verfahren das Mandat von Rechtsextremen übernommen hatten.

Am 07-08-2002

Verzeichnis der von den Nazis verbrannten Büchern erschienen

"Lest, was die Nazis verbrannten"

Zur Lektüre der von den Nazis verfemten Literatur soll ein Verzeichnis anregen, das am Dienstag in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Anlass der Publikation unter dem Titel "Lest, was die Nazis verbrannten" sind die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen vor 70 Jahren, teilten die Initiatoren mit. Verzeichnet sind sowohl die Werke von 104 "verbrannten Dichtern", die im Buchhandel erhältlich sind, als auch 79 damals verfemte Autoren, deren Bücher heute allenfalls in Antiquariaten zu finden sind. Die Bücherverbrennungen hatten am 10. Mai 1933 begonnen. 1935 standen über 5000 Bücher auf der "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums", die die Reichsschrifttumskammer herausgegeben hatte, geht aus der Broschüre hervor.

In Frankfurt am Main erinnert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit einer Ausstellung und zahlreichen Lesungen an die Bücherverbrennungen vor 70 Jahren und ihre Folgen. "Es ist ein trauriges Jubiläum", sagte der Vorsitzende des DGB Frankfurt, Harald Fiedler, am Dienstag. Für Samstag hat der DGB zu einem Mahngang zum Frankfurter Römerberg aufgerufen. Dort hatten - wie in zahlreichen anderen deutschen Städten - vor sieben Jahrzehnten Bücherscheiterhaufen gebrannt. Die Stiftung Lesen veranstaltet eine "Woche der verbrannten Bücher". Vom 10. bis 17. Mai wollen Schriftsteller aus Werken der von den Nazis geächteten Schriftsteller lesen.

Am 06-05-2003

Mitangeklagte im Münchner Neonazi-Prozess belasten den Hauptangeklagten Wiese

Geständnis

Der Münchner Neonazi-Prozess hat eine überraschende Wende genommen. Die zwei Mitangeklagten David Schulz und Alexander Metzing legten am Dienstag vor dem Oberlandesgericht ein Geständnis ab und belasteten zugleich den Hauptangeklagten Martin Wiese schwer. In von ihren Anwälten verlesenen Erklärungen sagten sie aus, die so genannte "Kameradschaft Süd" habe über Sprengstoff verfügt. Zudem sei in der Gruppe über eventuelle Anschläge diskutiert worden. Wiese wies die Vorwürfe zurück. Der mutmaßliche Rädelsführer betonte: "Wir haben zu keiner Zeit einen Anschlag auf das jüdische Zentrum geplant, wir sind keine Terroristen". Er versicherte, er sei nie bereit gewesen, "Gewalt auszuüben oder gar Menschen zu töten". Wiese räumte lediglich ein, dass er "dumme Sprüche" gemacht habe, die aber nicht ernst gemeint gewesen seien. So habe er einmal in Erregung gesagt: "Wir sprengen den Scheiß in die Luft." Dies werde ihm nun zu unrecht als Tatankündigung zur Last gelegt.

Metzing betonte hingegen, in der Gruppe sei darüber diskutiert worden, den Sprengstoff auch einzusetzen. Bis zu seiner Inhaftierung habe aber "kein konkreter Plan" vorgelegen, welches Ziel eventuelle Anschläge haben sollten. Er räumte ein, an der Beschaffung von Waffen beteiligt gewesen zu sein und fügte hinzu: "Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. Ich bedaure alles zutiefst. Gewalt darf keine Lösung sein."

Schulz betonte, ihm seien die rechtradikalen Ansichten Wieses bewusst gewesen. Weiter gab er zu, dass er sich Gedanken darüber gemacht habe, was mit dem Sprengstoff passieren solle. Er habe an Anschlagspläne gedacht. Zugleich betonte Schulz: "Es tut mir alles wahnsinnig Leid."

Wiese bezeichnete die belastenden Aussagen von Schulz und Metzing als Unwahrheiten. Er sei "menschlich und kameradschaftlich sehr enttäuscht". Offenbar hätten beide mit der Staatsanwaltschaft "einen Deal gemacht", um aus der Sache herauszukommen. "Diese Personen haben aber gelogen", sagte Wiese.

Der Hauptangeklagte beteuerte: "Ich wollte nie mit Gewalt meine politischen Ziele erzwingen." Er habe stets die "politische und nicht die gewalttätige Auseinandersetzung" gesucht. Die "nationale Bewegung" werde in der Öffentlichkeit falsch wahrgenommen. "Keiner von uns will ein Drittes Reich aufbauen", versicherte Wiese.

Allerdings gab er zu, den Erwerb von Waffen eingefädelt zu haben. Er wisse, dass er sich damit strafbar gemacht habe. Bei den Waffen habe es sich jedoch um "Kriegsschrott" gehandelt, der für einen Sammler bestimmt gewesen sei. Der Mann habe dafür zugesagt, die Gruppe mit Geld und Flugblättern zu unterstützen. Wiese räumte auch ein, mit Softairpistolen die Selbstverteidigung trainiert zu haben. Dieses Training beschrieb Wiese als "Spiel, hinter dem aber keine strategische Linie stand".

Die Bundesanwaltschaft wirft Wiese und seinen Anhängern vor, für den Tag der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in München am 9. November 2003 ein Bombenattentat geplant zu haben. Nachdem diese Pläne wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verworfen worden seien, sollen sie über einen Anschlag auf dem Münchner Marienplatz nachgedacht haben. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft waren diese Pläne durch den Einsatz eines V-Mannes und durch einen so genannten Lauschangriff aufgeflogen.

Am 08-03-2005

Gedenken an Befreiung vom Faschismus und Protest gegen Neonazis

Demonstration am 8. Mai

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat seine Mitglieder aufgerufen, sich bundesweit an Gedenkveranstaltungen zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und an Aktionen gegen die geplanten Aktivitäten von Neonazis zu beteiligen. Aus dem Nazi-Regime und dem Holocaust erwachse eine besondere Verantwortung, heute den Anfängen zu wehren und sich den Neonazis entgegenzustellen, heißt es im Aufruf des Attac-Koordinierungskreises: "Wenn Nazis versuchen, öffentliche Räume zu besetzen, ist Widerstand notwendig. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen." Gerade weil die Neonazis versuchen, von der zunehmenden Armut, Ausgrenzung und Prekarisierung zu profitieren, und dabei die Abschottung der "Volksgemeinschaft" propagieren, müsse auch die globalisierungskritische Bewegung klar Stellung beziehen. "Die Neonazis möchten von der Kritik an der neoliberalen Globalisierung profitieren und bringen ihren völkischen Wahn ins Spiel", sagte Pedram Shahyar vom Attac-Koordinierungskreis. "Wir wollen an diesem Tag auch deutlich machen, dass unsere Globalisierungskritik mit der der Neonazis nichts gemein hat. Wir sind Internationalisten und keine Globalisierungsgegner. Wir wollen weltweite soziale Rechte, also die Globalisierung emanzipatorisch wenden."

In Berlin beteiligt sich Attac an der Bündnis-Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch. Die Auftaktkundgebung beginnt um 10 Uhr am Bertolt Brecht Platz. Dabei wollen Attac-Mitglieder versuchen, die NPD-Demonstration durch eine friedliche Sitzblockade zu verhindern. Shahyar: "Die Neonazis dürfen an diesem Tag in Berlin keinen Schritt machen."

Auch in anderen Städten unterstützt Attac die Veranstaltungen zum 8. Mai, unter anderem durch die Teilnahme an einer internationalen historischen Konferenz der Friedensbewegung in Potsdam. Aus den Verbrechen der Geschichte erwachse ein besondere Verantwortung, heute an der Gestaltung einer friedlichen und sozial gerechten Zukunft zu arbeiten, sagte Hugo Braun vom Attac-Koordinierungskreis. In diesem Sinn empfinde sich Attac Deutschland als Teil der weltweiten antifaschistischen Bewegung.

Am 06-05-2005

Lange Haftstrafen für Neonazis

Waffen- und Sprengstoffdelikte

Der Münchner Neonazi Martin Wiese und seine drei engsten Komplizen müssen für mehrere Jahre ins Gefängnis. Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte Wiese am Mittwoch in München wegen der Rädelsführerschaft einer terroristischen Vereinigung sowie verschiedener Waffen- und Sprengstoffdelikte zu sieben Jahren Haft. Die Mitangeklagten aus der so genannten "Kameradschaft Süd" erhielten Freiheitsstrafen zwischen über zwei Jahren und knapp sechs Jahren. Konkrete Anschlagspläne auf die Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums in München am 9. November 2003 hatten die Neonazis nach Ansicht des Gerichts aber nicht. Der Vorsitzende Richter Bernd von Heintschel-Heinegg sagte in seiner Urteilsbegründung, die Versicherungen Wieses, er und seine Kameraden seien keine Terroristen, seien "schlicht falsch". Der Wille, Straftaten wie Mord und Totschlag zu begehen, habe bestanden.

Ziel des engsten Kreises um Wiese sei es gewesen, das bestehende demokratische System in Deutschland zu beseitigen und durch eine Staatsform nationalsozialistischer Prägung zu ersetzen. Immer öfter sei die Rede davon gewesen, dass dies nur durch eine "blutige Revolution" möglich sei, sagte Heintschel-Heinegg. Dass diese Revolution auch Menschenleben hätte kosten können, hätten alle Beteiligten billigend in Kauf genommen.

Bundesanwalt Bernd Steudl zeigte sich zufrieden mit dem Urteil, obwohl das Gericht unter seiner Forderung von acht Jahren Haft für Wiese blieb: "Ob Wiese ein Jahr mehr oder weniger bekommt, ist heute nicht das Thema. Dass sich der Rechtsstaat wehrhaft zeigt gegen terroristische Aktivitäten der rechten Szene, das ist entscheidend. Diese Botschaft kommt durch das Urteil an", betonte Steudl.

Wieses Anwalt Günther Herzogenrath-Amelung kritisierte die Entscheidung des Gerichts: "Ich sehe, was die terroristische Vereinigung angeht, das Urteil als Fehlurteil an." Der Verteidiger hatte eine Freiheitsstrafe von maximal sechs Jahren gefordert und dafür plädiert, seinen Mandanten vom Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung freizusprechen. Ob er nun in Revision gehen werde, wolle er noch mit seinem Mandanten besprechen, sagte Herzogenrath-Amelung.

Der Mitangeklagte Alexander M. muss für fünf Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Dieses Strafe liegt etwas unter der Forderung der Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das gilt auch für Karl-Heinz S., der vier Jahre und drei Monate Haft bekam. David S. wurde zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Am 06-05-2005

Vertrieb der Neonazi-Band "Landser" vor Gericht

Faschismus

Fünf mutmaßliche Vertreiber rechtsextremistischer Tonträger aus Sachsen müssen sich seit Montag vor dem Landgericht Dresden verantworten. Vorgeworfen wird dem Quintett das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. Der Karlsruher Bundesgerichtshof hatte erst Anfang März ein Urteil des Kammergerichts Berlin bestätigt, das mit "Landser" Ende 2003 erstmals eine rechtsextreme Musikgruppe als kriminelle Vereinigung eingestuft hatte. Der Sänger und Texter der inzwischen aufgelösten Skinhead-Band wurde damals auch wegen Volksverhetzung zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Laut Anklage haben die 26 bis 37 Jahre alten Männer vor viereinhalb Jahren mit konspirativen Mitteln die Produktion und Verbreitung einer Musik-CD der inzwischen verbotenen Neonazi-Band "Landser" ermöglicht.

Der älteste unter den Angeklagten, ein 37-jähriger Dresdner, räumte bereits am Montag wesentliche Punkte der Anklageschrift ein. Er gab sich als Anrufer mit dem Code-Name "Otto" zu erkennen, der die CD-Bestellungen von Zwischenhändlern Ende 2000 abgefragt hatte.

Ihre CD "Ran an den Feind" soll von einem Chemnitzer Plattenlabel unter Beteiligung aller fünf Beschuldigten vertrieben worden sein. Laut Anklage knüpften die Texte von "Landser" an den Wortgebrauch der NSDAP an, zudem wurde in den Liedern "zur Beseitigung anderer Menschen aufgerufen". Die einstigen Bandmitglieder sollen am Mittwoch in den Zeugenstand treten.

Das Dresdner Gericht stellt sich auf ein längeres Verfahren ein. Gehört werden sollen nach derzeitigem Stand 28 Zeugen, angesetzt sind bereits zehn weitere Termine. Die Anklagen waren bereits im Februar 2003 und im April 2004 erhoben worden. Unter anderem wegen der Problematik von staatlich bezahlten V-Männern im "Landser"-Umfeld war ein erster Prozessanlauf im November 2004 gescheitert.

Am 30-05-2005

"Nazi-Jäger" Simon Wiesenthal ist tot

"Recht, nicht Rache"

Sein Motto lautete: "Recht, nicht Rache". Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich Simon Wiesenthal als unermüdlicher "Nazi-Jäger" einen Namen und war an der Ergreifung von mehr als 1100 Kriegsverbrechern beteiligt. Nun ist Wiesenthal im Ater von 96 Jahren in Wien friedlich verstorben. Geboren wurde Wiesenthal am 31. Dezember 1908 im galizischen Buczacz in der heutigen Ukraine. Nach seinem Abitur studierte der Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmannes Architektur in Prag und Lemberg und erhielt 1940 sein Ingenieur-Diplom. Als die deutschen Truppen 1941 die Sowjetunion überfielen, wurde er zum ersten Mal von ukrainischen Milizionären verhaftet.

Zwar konnte Wiesenthal 1943 aus einem Zwangsarbeiterlager fliehen, doch wurde er wenige Monate später wieder aufgegriffen und anschließend in insgesamt zwölf Konzentrationslager (KZ) deportiert. Sein Leidensweg endete in Österreich, als die Amerikaner das KZ Mauthausen am 5. Mai 1945 befreiten. Während des Holocaust ermordeten die Nazis alle Verwandten von Wiesenthal und seiner Frau Cyla - insgesamt 89 Personen. Cyla war - wie ihr Mann - die einzige Überlebende in ihrer Familie; sie starb 2003.

Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich Wiesenthal - zunächst im Auftrag der Amerikaner - der Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern und gründete 1947 im österreichischen Linz ein Dokumentationszentrum. Darin sammelten er und seine Mitstreiter Unterlagen von verschleppten Juden sowie ihren Verfolgern. Da bei den Alliierten im Kalten Krieg das Interesse an der Suche nach Nazi-Verbrechern deutlich zurückging, schloss Wiesenthal 1954 das Zentrum und übergab die Dokumente der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

Der spektakulärste Fall Wiesenthals führte zur Ergreifung des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann im Jahre 1960 durch israelische Agenten - jenem Beteiligten der Wannsee-Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage", der die Deportation der Juden nach Auschwitz-Birkenau leitete und dessen Ziel es war, die Ausrottung der Juden zu rationalisieren. Bereits 1953 hatte Wiesenthal erste Hinweise auf den Aufenthaltsort Eichmanns erhalten.

Der laut Wiesenthal "schwierigste Fall" war die Entdeckung des Gestapo-Beamten Karl Josef Silberbauer im Jahr 1963, der 1944 die 15-jährige Anne Frank in ihrem Versteck in Amsterdam verhaftete. Ihr Tagebuch ist weltberühmt. 1967 sorgte Wiesenthal für die Verhaftung des ehemaligen Kommandanten von Treblinka, Franz Stangl, der in Brasilien aufgespürt und nach Deutschland ausgeliefert wurde. Mit Wiesenthals Namen verbunden ist auch die Ergreifung des SS-Führers Erich Rajakowitsch, dem Stellvertreter Eichmanns in den Niederlanden, oder der KZ-Aufseherin Hermine Braunsteiner, die Hunderte Kinder in Majdanek tötete.

Mitte der 70er Jahre beschuldigte Wiesenthal in Österreich mehrere Mitglieder der SPÖ, aber auch den Parteichef des möglichen FPÖ-Koalitionspartners von Bundeskanzler Bruno Kreisky als Alt-Nazis. Kreisky warf Wiesenthal daraufhin "Selbstjustiz" vor. 1976 kündigte Wiesenthal an, sich künftig nur noch internationalen Fällen zu widmen.

1978 spürte er den ehemaligen stellvertretenden Lagerkommandanten von Sobibor, Gustav Wagner, in Brasilien auf. In den 80er Jahren verfolgte Wiesenthal die Spur des berüchtigten KZ-Arztes Josef Mengele. Nach der Exhumierung von dessen Gebeinen in Brasilien schlug Wiesenthal 1985 dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl vor, die auf Mengele ausgesetzte Belohnung von einer Million D-Mark den etwa 150 noch lebenden Opfern auszuzahlen.

Nach der politischen Wende in Ostdeutschland hoffte Wiesenthal, mit Hilfe der Akten der DDR-Staatssicherheit zahlreiche Verfahren gegen NS-Verbrecher neu aufrollen zu können. Vor wenigen Monaten wurde die "Operation letzte Chance" gestartet, mit der das Simon-Wiesenthal-Zentrum unentdeckte NS-Verbrecher in Deutschland aufspüren will.

Insgesamt 6000 Hinweisen ging Wiesenthal in den vergangenen Jahrzehnten nach, um mit seiner Arbeit eine "Warnung für potenzielle Mörder von Morgen" zu geben. Den Fall Eichmann hatte Wiesenthal zum Anlass genommen, in Wien ein Dokumentationszentrum einzurichten. 1977 wurde dann das nach ihm benannte Zentrum in Los Angeles gegründet, das neben Außenstellen in New York, Toronto und Miami auch in Paris, Jerusalem und Bueno Aires vertreten ist.

Das Simon Wiesenthal Center ist nach eigenen Angaben heute eine der größten internationalen jüdischen Menschenrechtsorganisationen mit über 400.000 eingeschrieben Familien. Wiesenthal sagte einmal dazu: "Ich habe viele Auszeichnungen in meinem Leben erhalten. Und wenn ich sterbe, werden diese Ehrungen mit mir sterben. Aber das Simon Wiesenthal Center wird als mein Vermächtnis weiter leben."

Am 20-09-2005

"Ex-Nazis wie Kiesinger und Filbinger in höchste Staatsämter befördert"

Bundestag

Nach seinem abermaligen Scheitern bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten hat der Chef der Linkspartei.PDS, Lothar Bisky, den Parlamentariern mangelnde Toleranz vorgeworfen. Er bekenne sich dazu, ein "loyaler DDR-Bürger" gewesen zu sein. Dies werde von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten "nicht akzeptiert", sagte Bisky am Mittwoch im Deutschlandfunk. Für den früheren SPD-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg und jetzigen parlamentarischen Geschäftsführer der Linkspartei im Bundestag, Ulrich Maurer, hat die Abstimmung im Bundestag gezeigt, dass die Mehrheit im Bundestag einen DDR-Lebenslauf wie den von Lothar Bisky nicht akzeptiere. Das sei ein "unglaublich arrogantes Verhalten", sagte Maurer der Chemnitzer "Freien Presse". Dieselben Leute hätten keine Skrupel damit gehabt, "Ex-Nazis wie Kiesinger und Filbinger in höchste Staatsämter zu befördern". Maurer forderte einen "Schlussstrich" in der bisherigen Debatte über die DDR-Vergangenheit. Die Gegner Biskys hätten gezeigt, "dass sie in der Einheit noch nicht angekommen sind". Sie hätten größere Probleme mit Menschen, die eine positive Grundeinstellung zur DDR gehabt hätten, als mit ehemaligen Faschisten.

Links-Fraktionschef Gregor Gysi hatte am Mittwoch das Wahlverhalten der Parlamentarier als Ausgrenzung von Millionen ostdeutscher Wähler bezeichnet. Er argumentierte, wer kein Problem damit gehabt habe, 1966 mit dem früheren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) ein ehemaliges NSDAP-Mitglied zum Regierungschef einer großen Koalition zu wählen, sei nun nicht berechtigt, Bisky abzulehnen.

Bisky hatte am Dienstag zum vierten Mal erfolglos für einen der sechs Vizepräsidentenposten des Bundestages kandidiert. Gegen ihn stimmten 310 Abgeordnete. Für Bisky votierten 249 Parlamentarier, 36 enthielten sich. Er hatte bereits bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments am 18. Oktober in drei Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit erzielen können.

Am 09-11-2005

Weiterhin keine Ehrung für Ex-Nazi-Diplomaten

Regelung gilt weiter

Das Auswärtige Amt wird auch in Zukunft verstorbenen Diplomaten, die vor 1945 NSDAP-Mitglieder waren, ein "ehrendes Andenken" verwehren. Eine Pressesprecherin sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", dass die Nachrufpraxis, die der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) eingeführt hat, weiter gelte, solange es noch keine Ergebnisse der unabhängigen Historikerkommmission gebe, die derzeit die Geschichte des Außenamts aufarbeite. Die Arbeit der Historiker sei aber "auf Jahre" angelegt. Fischer hatte im Herbst 2003 die Ehrung früherer NSDAP-Mitglieder untersagt. Im März 2005 wurde dann für alle verstorbenen Ex-Diplomaten eine neutrale Nennung im Hausblatt "intern AA" eingeführt. Dagegen hatte es im Außenamt einen Sturm der Entrüstung gegeben: 76 Diplomaten protestierten in einem Brief an das Blatt. Den damaligen Botschafter in der Schweiz, Frank Elbe, versetzte Fischer in den einstweiligen Ruhestand, nachdem sein Protestbrief an den Minister in der "Bild"-Zeitung erschienen war. Auch die jetzige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Zweifel am pauschalen Verzicht auf ehrende Nachrufe geäußert.

Inzwischen scheint die Sache aber im Sinne Fischers entschieden zu sein, schreibt die Zeitung. In der Dezember-Ausgabe des AA-Hausblatts kritisierte Staatssekretär Georg Boomgaarden den Aufstand gegen die neue Nachrufepraxis als schädlich für das Auswärtige Amt: "Es entstand der Eindruck - und einige Kolleginnen und Kollegen haben leider diesen Eindruck noch verstärkt -, dass dem AA das Bewusstsein für den Umgang mit der schwierigen deutschen Geschichte fehlt."

Am 09-01-2006

Bewährungsstrafen für Neonazi-Musiker

"Race War"

Das Stuttgarter Landgericht hat am Mittwoch die Mitglieder der Neonazi-Band "Race War" zu Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Staatsschutzkammer befand die vier Angeklagten unter anderem der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Volksverhetzung für schuldig. Die Musikgruppe hatte den Angaben zufolge über mehrere Jahre hinweg auf Konzerten und CDs rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Inzwischen soll sie ihre Aktivitäten weitgehend eingestellt haben. Mit dem Urteil wurde nach der Neonazi-Band "Landser" zum zweiten Mal in der Bundesrepublik eine Musikgruppe der so genannten Blood & Honour Bewegung als kriminelle Vereinigung eingestuft. Zuvor hatten die vier Angeklagten im Alter zwischen 22 und 26 Jahren Geständnisse abgelegt, was das Gericht als strafmildern wertete. Die Band "Race War" war 2001 im baden-württembergischen Ostalbkreis gegründet worden. Der 23-Jährige Sänger, Texter und Organisator der Gruppierung wurde als Rädelsführer verurteilt.

Die Gruppe habe zur Verbreitung des Nazi-Gedankengutes beigetragen und zum Kampf für die Wiedererrichtung des Nationalsozialismus aufgerufen, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Küllmer. Mit ihren Texten habe sie einen Nährboden für Rassenhass gebildet.

Die Band hatte den Ermittlungen zufolge von 2001 bis 2004 "mit konspirativen Mitteln" mindestens 18 Konzerte in mehreren Ländern gegeben, unter anderem in Belgien, Frankreich, Österreich und Großbritannien. Dabei seien die Mitglieder teilweise vermummt aufgetreten, um einer Strafverfolgung zu entgehen.

Mit dem Urteil blieben die Richter geringfügig unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Staatsanwalt Apostolos Milionis zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Richterspruch. Das Urteil sei ein "deutliches Signal" an die rechtsextremistische Musikszene, dass die Strafverfolgung nicht an den deutschen Grenzen Halt mache und auch im europäischen Ausland begangenen Straftaten geahndet würden.

Im "Landser"-Verfahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im März 2005 bestätigt, dass Neonazi-Bands als kriminelle Vereinigungen gelten können, wenn sie darauf ausgerichtet sind, Straftaten zu begehen. Dies sahen die Stuttgarter Richter auch im Fall von "Race War" als gegeben an.

Am 22-11-2006

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