Dokumentation Irak
- USA will nach afghanischem Muster gegen Irak vorgehen
- PDS befürchtet Kriegserklärung seitens der USA
- Streit um Irakangriff geht weiter
- Bush will uneingeschränkte Machtbefugnisse
- Protestzug: Kein Krieg gegen den Irak
- Europarat warnt vor Militärschlag gegen Irak
- Ex-Präsident Jimmy Carter: "Die USA wandeln sich zum Unrechtsstaat"
- Bush spitzt die Lage weiter zu
- Ärzte fürchten bis zu 260.000 Tote bei neuem Irak-Krieg
- US-Armee nutzt Spanien und Portugal als Militärbasen gegen den Irak
- Pro Asyl kritisiert skandalösen Umgang mit irakischen Flüchtlingen
An den Tag brachte diesen Coup das Kölner Zollkriminalamt (ZKA), neben Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesverfassungsschutz (BfV) und Militärischem Abschirmdienst (MAD) faktisch der vierte Geheimdienst der Bundesrepublik. Die Agenten des ZKA haben die Bemühungen des Irak, gerade im hochtechnisierten Deutschland an sogenannte Dual-Use-Güter zur Herstellung von ABC-Waffen zu kommen, schon lange im Blickfeld.
Bei Dual-Use-Materialien handelt es sich um Geräte aus der zivilen Fabrikation - Fräsen, Pressen, Vakuummaschinen, computergesteuerte Werkzeuge - die nach kleinen Umbauten auch militärisch genutzt werden können. So entpuppte sich die Ausfuhr von schlichten Transformatoren und Steckern als gesetzwidriger Export von Hochfrequenzschaltungen zur exakten Zündung von Sprengladungen.
Im jüngsten vertraulichen ZKA-"Lagebericht zum Irak-Embargo", der der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, heißt es, trotz des weiter bestehenden Wirtschaftsembargos der Vereinten Nationen gegen den Irak seien dessen Beschaffungen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und Raketen "sprunghaft angestiegen". Das habe sich gerade auch seit dem vor vier Jahren von Bagdad erzwungenen Abzug der UN-Inspektoren gezeigt. Beispielsweise besorge sich Saddam tonnenweise Precursor-Chemikalien, Vorprodukte zur Herstellung chemischer Waffen, sowie Dual-Use-Anlagenteile und hochwertige Laborausrüstungen.
Nach Erkenntnissen des Zollkriminalamtes kooperiert der Irak ungeachtet der Embargobestimmungen "mit einer Vielzahl neuer Lieferanten in China, Indien, Russland, Syrien und Osteuropa". Irakische Ministerien träten dabei offen als Handelspartner auf. Weiter heißt es: "Dezentrale Beschaffungsstrukturen und viele voneinander unabhängig operierende Firmen sollen die Rüstungsprogramme unterstützen. Der Irak bedient sich dabei vornehmlich eigener Beschaffungsfirmen im Ausland, vor allem in Jordanien."
Die ZKA-Agenten verzeichnen zahlreiche Erfolge, so dass bereits mehrere "Übeltäter" den Strafverfolgungsbehörden überstellt werden konnten. Besonders spektakulär war der Fall zweier Deutscher, die bei mehreren deutschen Firmen Tiefbohrgeräte kauften und über Jordanien in den Irak lieferten. Mit den Spezialgeräten konnte durch Stahl gebohrt werden. Die Iraker verwendeten die Maschinen zur Herstellung von Kanonenrohren für 210-Millimeter-Geschütze. Das Waffensystem ist nach Einschätzung von Experten geeignet, chemische und biologische Projektile abzuschießen.
Der Irak arbeitet nach Informationen des Bundesnachrichtendienstes auch an einem neuen Atomprogramm. In einem geheimen Bericht offenbart der BND, dass der Irak im Nuklearbereich wieder den Stand vor dem Golfkrieg von 1990 erreichen kann. Auch sein "Bio-Toxin-Programm" führe Bagdad fort. Es baue eine "mobile B-Waffenkapazität" (biologische Waffen) auf.
Ein Export von Waffentechnologie in die USA, die künftig auch gegen Nicht-Atomwaffen-Staaten Atomwaffen einsetzen wollen, ist im Gegensatz zum Verkauf in den Irak erlaubt.
Am 25-03-2002
USA will nach afghanischem Muster gegen Irak vorgehen
Geheimtreffen in Deutschland
Bei einem Geheimtreffen in Deutschland haben US-Abgesandte und Vertreter der irakischen Oppositionskräfte konkrete Schritte gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein aufeinander abgestimmt, so CIA-Kreise. Dabei sei ein Vorgehen gegen Hussein nach "afghanischem Muster" verabredet worden, erläuterte ein US-Experte.
Die Kurden im Nordirak und die Schiiten im Süden des Zweistromlandes, mit Hussein stark verfeindet, sollen die Angriffsrolle am Boden übernehmen. Washington könne wegen des "waffenstarrenden Irak" zuerst keinen Bodenangriff gegen Saddam wagen. Der US-Plan sehe weiter wie in Afghanistan aus. Es seien wochenlange Bombardements der US-Luftwaffe zur Unterstützung der aufständischen Kurden und Schiiten geplant. Erst danach sollen US-Elitetruppen eingreifen.
Der dreitägige Gedankenaustausch zwischen dem früheren stellvertretenden Sicherheitsberater für Terrorabwehr im US-Präsidialamt, Wayne Downing, und den Kurdenführern Massud Barsani und Dschalal Talabani, habe offiziell nicht in Deutschland stattgefunden. Von Regierungsseite in Berlin hieß es lediglich, es habe Zwischenlandungen auf dem internationalen Luftdrehkreuz Bundesrepublik gegeben. Familiäre Gründe hätten eine Rolle gespielt. Hintergrund der strikten Geheimhaltung: Deutschland fürchtet die Rache Saddam Husseins, dem engste Verbindungen zum Terrornetzwerk von Osama Bin Laden nachgesagt werden.
Ein Angriff auf den Irak, der allgemein in der westlichen und arabischen Welt inzwischen abgelehnt wird, werde "mit Sicherheit nicht mehr in diesem Jahr" stattfinden, war nach dem Treffen von einem US-Geheimdienstmann zu erfahren.
Der Amerikaner verwies darauf, dass die US-Streitkräfte in aller Stille im Scheichtum Katar eine moderne Militärbasis aufbauten, von der wohl der Angriff ausgehen werde.
Nach amerikanischen Presseberichten will die US-Armee mit 250 000 Soldaten aufmarschieren. Wie hoch der britische Anteil an der Streitmacht sein wird, ist noch nicht bekannt.
Der erste Golfkrieg der westlichen Allianz gegen den Irak dauerte im Jahre 1991 über 200 Tage. Danach waren das Kurdengebiet im Nordirak und das Siedlungsgebiet der Schiiten im Südirak von den Golfkriegsalliierten zu Schutzzonen erklärt worden. Ständig werden sie von britischen und amerikanischen Militärjets zur Absicherung gegen Saddam Hussein überflogen. Die alliierten Kampfflugzeuge sichern das Überleben der irakischen Opposition.
Am 15-05-2002
PDS befürchtet Kriegserklärung seitens der USA
Irak-Debatte
Im Streit um die Irak-Politik sollte die Bundesregierung nach Ansicht von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) ein klärendes Gespräch mit den USA suchen. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) müsse endlich direkt mit US-Präsident George W. Bush sprechen, sagte Stoiber am Donnerstag in Berlin. Der CSU-Chef fügte hinzu: "Ich halte es für ein hohes Maß an Arroganz, wenn der deutsche Bundeskanzler nicht einmal bereit ist, darüber mit dem amerikanischen Präsidenten zu reden."
Schröder hatte am Vortag die Bündnistreue Deutschlands im Kampf gegen den Terrorismus hervorgehoben und zugleich die offensichtliche Änderung in der politischen Zielsetzung der USA kritisiert. Mit Blick auf die von Bush zugesagten Konsultationen vor einem möglichen Angriff auf den Irak betonte der Kanzler, hier stelle sich die Frage, "wer mit wem" darüber reden müsse. CDU-Außenexperte Wolfgang Schäuble hielt Schröder vor, dessen offene Ablehnung eines Militärschlags gegen den Irak sei mit dem Anspruch auf Konsultationen nicht zu vereinbaren. Erneut wies der Kanzler am Donnerstag Vorwürfe zurück, sich mit seiner US-kritischen Haltung in die außenpolitische Isolation zu begeben. "Unsere Partner können sich auf uns verlassen, und wir
kennen unsere Pflichten. Aber wir erheben unsere Stimme, wenn etwas falsch ist." Schröder versicherte erneut, unter seiner Führung werde es keine deutsche Beteiligung an einer Intervention im Irak geben. Ähnlich äußerte sich Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Es gebe "keinen Grund", an der Regierungsposition etwas zu ändern. Die PDS appellierte an die Bundesregierung, ihre Kontakte nach Washington zu nutzen, um einen möglichen Krieg zu verhindern.
PDS-Fraktionschef Roland Claus sagte, die angekündigte Ansprache Bushs zur Lage der Nation und von der UNO ließen eine Kriegserklärung befürchten. Daher müsse Deutschland "Signale setzen" und den NATO-Bündnisfall aufheben.
Am 05-09-2002
Streit um Irakangriff geht weiter
Nach dem 11. September
Der Streit über die deutsche Haltung im Irak-Konflikt geht weiter. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) bekräftigte am Mittwochabend die Position der Bundesregierung. Die Risiken eines Krieges gegen den Irak seien "nicht vertretbar", sagte er im ARD-Fernsehen. Hier gehe es "um eine neue Ebene der Auseinandersetzung" und um die Frage, was aus der internationalen Koalition gegen den Terror werde. Zudem stelle sich die Frage der regionalen Stabilität im Nahen Osten im Falle eines Kriegs.
US-Präsident George W. Bush hatte am ersten Jahrestag des Anschlags auf das World Trade Center den Willen seiner Regierung zum weltweiten entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus bekräftigt. Zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 sagte Bush am späten Mittwochabend (Ortszeit) in New York in seiner kurzen Ansprache an die Nation, dass die USA es "keinem Terroristen oder Tyrannen erlauben" werden, "die Zivilisation mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen".
Die USA stehen nach Ansicht Fischers in der Irak-Frage vor der riskantesten Entscheidung seit dem Vietnam-Krieg. Der für Donnerstag angekündigten Rede von US-Präsident George W. Bush vor der UN-Vollversammlung sehe er mit Spannung entgegen. "Sollten neue Fakten auftauchen, dann werden sie zu bewerten sein", sagte Fischer im ZDF.
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, eine Frage hochzuspielen, die niemand an Deutschland gestellt habe und niemand stellen werde. Hier handele es sich um ein "Täuschungsmanöver", um ein Thema in den Mittelpunkt zu rücken, "was keines ist". Wenn sich jeder so verhalten würde wie Schröder, würde dies Saddam Hussein freie Bahn geben "für alle Möglichkeiten, die er sucht". Dies sei "keine verantwortungsvolle Politik", betonte Stoiber.
Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) plädiert für eine juristische Lösung. "Saddam Hussein, der Zehntausende Kurden mit Giftgas umgebracht hat, gehört vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag", sagte er der Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung". Der ungelöste israelisch-palästinensische Konflikt gefährde die Sicherheit Europas und damit auch der Bundesrepublik in extremer Weise. Eine friedliche Lösung dieses Konflikts "würde durch einen gewaltsamen Sturz von Saddam Hussein erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht".
Am 12-09-2002
Bush will uneingeschränkte Machtbefugnisse
Kritik an der amerikanischen Irak-Politik nimmt zu
Bush versucht in Washington die Daumenschrauben weiter anzuziehen. Das Weiße Haus legte dem Kongress am Donnerstag einen Resolutionsentwurf vor, der Bush uneingeschränkte Machtbefugnisse, darunter auch "den Einsatz von Gewalt" zusichert, um UN-Resolutionen gegenüber den Irak durchzusetzen. Auch wenn sich im Kongress eine Mehrheit abzeichnet, geht vor allem vielen oppositionellen Demokraten diese Marschrichtung entschieden zu weit. "Wir sollten eine so weit reichende Resolution, die Tausende dem Tod preisgeben und dem Steuerzahlen Milliarden kosten würde, nicht unterzeichnen", sagte beispielsweise der demokratische Abgeordnete Lloyd Doggett (Texas). Der Irak hatte zugestimmt, internationale Waffeninspektoren wieder "ohne Vorbedingungen" ins Land zu lassen. Damit scheint der Bush-Regierung zumindest in UN-Kreisen der Wind wieder aus den Segeln genommen zu sein.
UN-Chef-Waffenkontrolleur Hans Blix berichtete dem Weltsicherheitsrat, dass er schon in Kürze mit 80 Inspektoren wieder in den Irak ziehen könne. Am 30. September und 1. Oktober will er mit Vertretern Bagdads in Wien erneut über die ogistischen Notwendigkeiten sprechen.
Blix hält sich mit seinem Fahrplan an bestehende UN-Resolutionen. Ein solch gebremstes Tempo ist aber für die Bush-Regierung nicht akzeptabel. "Die USA fürchten, so nicht mehr Herr des Verfahrens über einen Krieg zu sein", hieß es aus westlichen UN-Kreisen in New York. Washington wolle lieber einen neuen, eng begrenzten Zeitrahmen setzen.
Andere Kritiker von Bushs Offensive verwiesen darauf, dass Bush so nicht nur den Irak "vorbeugend" angreifen, sondern auch Militäraktionen gegen weitere Länder in der Region führen könnte. Außerdem gebe es in dem Bush-Vorschlag keine ausdrückliche Bindung an UN-Entscheidungen. Vor allem die Demokraten im Kongress sind aber für ein internationales Bündnis, so wie schon im Golfkrieg.
Am 20-09-2002
Protestzug: Kein Krieg gegen den Irak
Demonstration am 3.10.2002
Ein Zusammenschluss verschiedener Friedensinitiativen ruft für den 3. Oktober zu einer Demonstration gegen die US-Airbase in Frankfurt am Main auf. In der Begründung heißt es: „Die USA planen einen Krieg gegen den Irak. Mit fadenscheinigen Argumenten zimmert sich die US-Administration eine Legitimation für einen Angriff zurecht. Die Frage scheint nicht mehr ob, sondern wann der Krieg gestartet wird. Im letzten Golfkrieg 1991 durchlitten die Menschen 42 Tage und Nächte pausenlose Bombardements. Mindestens 150.000 Menschen starben unter den angeblich "sauberen, chirurgischen" Schlägen. In Folge der eingesetzten Uran-Munition stiegen Krebs- und Missbildungsraten rapide an. Das andauernde UN-Embargo hat bis heute mehr als 500.000 Kinder das Leben gekostet. Aus Protest gegen diese Sanktionen, die die irakische Bevölkerung leiden lassen, das Regime dagegen faktisch stabilisieren, sind nacheinander zwei UN-Koordinatoren für den Irak zurückgetreten.“
Die Organisatoren der Demonstration meinen, das Leiden der irakischen Bevölkerung müsse ein Ende haben. Es sei der Westen gewesen, der den irakischen Diktator bei seinem Angriffskrieg gegen den Iran hochgerüstet hat, auch als dieser Giftgas gegen Iraner und die eigene kurdische Bevölkerung eingesetzt hat. Dem jetzt von den USA beschlossenen Regimewechsel würden wieder tausende unschuldige Menschen zum Opferfallen, das Land werde weiter verwüstet. Ein politisches Nachkriegskonzept sei nicht vorhanden. Nicht nur der gesamten Golfregion drohe Destabilisierung, auch die weltpolitischen Konsequenzen der "Präventivkrieg"-Doktrin, die sich auch den Einsatz atomarer Waffen vorbehält, seien gar nicht absehbar. Das Recht des Stärkeren drohe das Völkerrecht zu verdrängen.
Die Veranstalter des Protests glauben, der angekündigte Krieg könne und müsse verhindert werden. In vielen Ländern der Welt formiere sich Widerstand gegen diesen Krieg. Den begrüßenswerten Aussagen unserer Politikerinnen, Deutschland werde sich an Militäraktionen gegen den Irak nicht beteiligen, müssten nun Taten folgen. Die Initiatoren der Demonstration fordern den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus der Golfregion und keine Nutzung der US-Militärbasen in Deutschland als Aufmarsch- und Nachschubstützpunkte! Insbesondere die US-Airbase am Frankfurter Flughafen sei ein wichtiger Ort für die Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden. Deshalb rufen sie zu einer friedlichen Protestaktion auf:
Am Donnerstag, 3. Oktober 2002, Treffpunkt 14 Uhr, Bahnhof Zeppelinheim, Protestzug zur US-Airbase
Die Aufrufenden sind: ATTAC Ffm, Frankfurter Schülerinnen Initiative für den Frieden, GEW Ffm, Initiative Ordensleute für den Frieden, IPPNW-Regionalgruppe Ffm, Jungdemokraten/Junge Linke Hessen, Linksruck Ffm, Pax Christi- Bistumsstelle Limburg, PDS Kreisverband Ffm, ["solid] Ffm, Einzelpersonen: Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt (Anti-Nazi-Koordination Frankfurt am Main), Giuseppe Zambon, Sung Hyung Cho, Edeltraud Thielen (Ver.di), Marianne Müller (MLPD), Bruni Freyeisen (DKP-Kreis Ffm), Horst Schäfer, Claudia und Ralf Köster, Claudia und Michael Volpp, Barbara Lang, Katinka Pönsgen (IG-Metall Frankfurt)
Am 27-09-2002
Europarat warnt vor Militärschlag gegen Irak
Parlamentarier im Europarat
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Behrendt, Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, erklärte anlässlich der Dringlichkeitsdebatte in Strassburg zum Irak: „Mit grosser Mehrheit haben sich die Parlamentarier aus 44 Europaratsstaaten gegen ein militärisches Vorgehen gegen den Irak ohne vorheriges Mandat des VN-Sicherheitsrates ausgesprochen."
Ein solches Vorgehen berge nicht nur die Gefahr, dass sich eine Kluft zwischen dem Westen und der islamischen Welt auftut. Es würde darüber hinaus der Autorität der Vereinten Nationen einen schweren Schlag versetzen und könnte zu Spaltungen innerhalb der demokratischen Staaten führen. Anstatt als Akt der Bekämpfung des Terrorismus zu wirken, kann das Risiko nicht ausgeschlossen werden, dass ein militärischer Schlag gegen den Irak ohne VN-Mandat den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft bei der Bekämpfung des Terrorismus gefährdet.
Die Forderungen an Bagdad seien eindeutig: Die irakischen Behörden müssen die Resolutionen des Sicherheitsrates über das Verbot der Herstellung von Massenvernichtungswaffen, insbesondere Resolution 1284 (1999), uneingeschränkt erfüllen. Dazu gehöre des weiteren, dass die UN-Inspektoren und Abrüstungsexperten unverzüglich mit uneingeschränktem Zutritt und mit Garantien ihre Arbeit vor Ort wieder aufnehmen können, um dem Sicherheitsrat entsprechend Bericht zu erstatten. Solange der Sicherheitsrat jedoch noch keine Gelegenheit hatte, diesen Bericht zu prüfen, sollte jeder bewaffnete Konflikt vermieden werden.
Bagdad müsse darüber hinaus öffentlich den Terrorismus verurteilen und keinerlei Anlass zu Zweifeln daran geben, dass es nicht in Terrorismus verwickelt ist. Die Mitgliedstaaten, Beobachterstaaten und besonderen Gaststaaten des Europarates müssten alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen neuen Krieg im Irak zu vermeiden.
Eine Lösung des Problems könne nur innerhalb und im Einklang mit den Prinzipien und Mechanismen der Vereinten Nationen gefunden werden. Ein militärisches Eingreifen auf Veranlassung und entsprechend der Charta der Vereinten Nationen dürfe nur dann erfolgen, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind und in dem zukünftigen Bericht der Inspektoren eine flagrante Verletzung der Resolutionen der Vereinten Nationen festgestellt wurde.
Am 27-09-2002
Ex-Präsident Jimmy Carter: "Die USA wandeln sich zum Unrechtsstaat"
Angriff auf den Irak
In einem Artikel in der „Washington Post“ vom 20.09.02 zeigt sich Ex-Präsident Jimmy Carter tief besorgt über den gegenwärtigen Kurs der US-Administration. Er schreibt: „Nach der Tragödie des 11. September musste der Präsident reagieren, und er hat das zunächst auch schnell und vernünftig getan. Aber mittlerweile versucht eine Gruppe von Konservativen, lang gehegte Ambitionen unter dem Deckmantel des Krieges gegen den Terrorismus zu verfolgen.“
Die USA drohen selbst zu einem der Unrechtsregimes zu werden, die sie sonst verurteilen, befürchtet Carter: „Über das Unrecht in den Ländern, die uns beim Kampf um den Terrorismus unterstützten, haben wir hinweg gesehen. Bei uns im eigenen Land wurden amerikanische Bürger als Feinde inhaftiert, ohne Anschuldigung und ohne juristischen Beistand. Trotz aller Kritik der Bundesgerichte verweigert sich das Justizministerium diesem Problem. Und mit Blick auf die Gefangenen in Guantanamo erklärt der Verteidigungsminister, dass sie selbst dann nicht freigelassen werden würden, wenn sich ihre Unschuld erwiesen hat. All das passt zu Unrechtsstaaten, die von amerikanischen Präsidenten in der Vergangenheit immer verurteilt wurden.“
Weiter schreibt er: „Wir haben unsere Missachtung der restlichen Welt auch gezeigt, indem wir aus mühsam vereinbarten internationalen Abkommen ausgestiegen sind. Verträge über Rüstungskontrolle, Konventionen über biologische Waffen, Umweltabkommen und Vereinbarungen, mit den die Folterung und Bestrafung von Kriegsgefangenen verhindert werden soll - all das haben wir nicht nur abgelehnt, sondern auch all jene bedroht, die an diesen Abkommen festhalten. Diese ganze einseitige Politik isoliert die Vereinigten Staaten immer mehr von den Nationen, die wir brauchen, um den Terrorismus zu bekämpfen.“
Abschließend appellierte Carter, die historischen und wohl begründeten Verpflichtungen Amerikas müssten die Oberhand gewinnen: Für Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte, Umwelt und internationale Kooperation.
Am 30-09-2002
Bush spitzt die Lage weiter zu
Irak-Konflikt
Trotz der jüngsten Einigung zwischen UN-Waffenchefkontrolleur Hans Blix und dem Irak über eine Wiederaufnahme der Kontrollen von Massenvernichtungswaffen auf Basis alter Vereinbarungen besteht Washington weiter auf einer neuen, ultimativen UN-Resolution mit Kriegsandrohung. "Wir werden uns nicht mit Iraks Halbwahrheiten, Iraks Kompromissen, Iraks Bemühungen zufrieden geben, uns wieder in den gleichen Sumpf hinein zu ziehen, in dem sich die Vereinten Nationen bereits 1998 befanden", sagte US-Außenminister Colin Powell als Reaktion auf die Wiener Vereinbarungen. UN-Waffenkontrolleure sollten erst dann wieder in den Irak reisen, wenn sie mit neuen Autoritäten ausgestattet seien, um "ihren Job auch wirklich tun (zu können)".
Der als gemäßigte Stimme im so genannten "Kriegs-Kabinett" Bushs geltende Powell sprach seinem Präsidenten damit aus dem Herzen. Schließlich zielt Bush offen darauf ab, nicht nur die angeblichen Massenvernichtungswaffen von Iraks Präsident Saddam Hussein offenzulegen und vernichten zu lassen, sondern will außerdem das diktatorische Regime selbst gestürzt sehen.
Zwar jongliert Washington zwischen beiden Polen und betont – je nach Gesprächspartner - mal das eine, mal das andere Ziel mehr, um seinen Hardliner-Forderungen auch gegen Widerstände innerhalb des Weltsicherheitsrates oder des heimischen Parlaments Nachdruck zu verleihen. An der Marschrichtung selbst lässt Bush aber keinen Zweifel: Schließlich sei Saddam "der Mann, der meinen Dad versucht hat, zu ermorden", sagte Bush Junior erst kürzlich unverblümt.
Noch bevor Blix vor dem UN-Sicherheitsrat am Donnerstag seinen Bericht über die Wiener Vereinbarungen abgeben wird, die zum Unmut der USA weiter die acht Paläste Saddams für ungehinderte, internationale Kontrollen ausklammern, wollten die USA dem Vernehmen nach offiziell ihre Weltsicht im höchsten UN-Gremium durchsetzen. Dabei scheuen sie offensichtlich auch nicht davor zurück, bei anhaltendem Widerstand gegen eine neue scharfe Resolution eine Wiederaufnahme der UN-Waffenkontrollen nach altem Strickmuster zu torpedieren. Die USA würden auf einen "Verhinderungsmodus umschalten", hieß es aus dem Außenministerium.
Nach bisherigen Vorstellungen Washingtons, die von London unterstützt und in bilateralen Gesprächen mit den 15 Sicherheitsrats-Mitgliedern ausgelotet wurden, soll der Irak nach Verabschiedung einer neuen UN-Resolution Berichten zufolge nur sieben Tage Zeit haben, um seine Zustimmung zur Erfüllung der Forderungen erklären zu können. Innerhalb weiterer 23 Tage müssten alle Lagerstätten von und Entwicklungsprogramme für Massenvernichtungswaffen angegeben werden - "ansonsten knallt es", beschrieb ein ungenanntes US-Delegationsmitglied das scharfe US-Szenario. Bagdad hatte bislang neue UN-Forderungen kategorisch abgelehnt.
Noch stehen drei der ständigen Sicherheitsratsmitglieder mit Veto-Rechten - Russland, China und Frankreich – Washingtons militärisch ausgelegter Marschrichtung offiziell ablehnend gegenüber. Sie wollen erneut erst alle politisch-diplomatischen Lösungsmöglichkeiten ausgeschöpft sehen. Bekannt ist in UNO-Kreisen aber auch, dass das zaudernde Trio mit dem alten Kontroll-Modus, der Bagdad zu viel Spielraum ließ, um die UNO immer wieder "vorzuführen", alles andere als glücklich sind. In der US-Regierung herrscht deshalb die Meinung vor, dass auch Kritiker wie Frankreich und Russland bei anhaltendem Druck aus Washington letztlich auf amerikanische Forderungen einschwenken.
Am 02-10-2002
Ärzte fürchten bis zu 260.000 Tote bei neuem Irak-Krieg
Prognose
Nach einer Studie der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) muss bei einem erneuten Krieg gegen den Irak mit 48.700 bis 261.000 Toten auf allen Seiten gerechnet werden. Dabei wurde ein drei Monate andauernder konventioneller Krieg angenommen. Käme es zusätzlich zu einem Bürgerkrieg im Irak oder zu atomaren Anschlägen, könnte sich die Zahl der geschätzten Todesopfer auf 375.000 bis 3.889.100 erhöhen. "Diese Schätzungen beinhalten nicht Tote durch indirekte oder langfristige Folgen des Krieges", sagte Jane Salvage, eine der Autorinnen der Studie. "Allein durch den völligen Zusammenbruch der Infrastruktur im Irak ist mit bis zu weiteren 200.000 Toten zu rechen, etwa durch Infektionskrankheiten."
Die von der IPPNW als "konservativ" bezeichneten Berechnungen basieren auf den gegenwärtigen Konfliktszenarien der US-amerikanischen Militärstrategen und den gesicherten Daten über die Folgen des zweiten Golfkrieges. Zusätzlich seien Informationen über das gegenwärtige irakische Gesundheitssystem und die derzeitige Versorgungsstruktur im Land herangezogen worden. Zu den Autoren der Studie "Collateral Damage: The Health and Environmental Costs of War on Iraq" zählen Ärzte und Gesundheitsexperten aus verschiedenen Ländern.
Die IPPNW rechnet außerdem mit erheblichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen, etwa durch die Bombardierung von Industrie- und Waffenproduktionsanlagen oder von Ölquellen.
Die Kosten des Krieges werden für die USA mit 50 bis 200 Milliarden US-Dollar angegeben - allein für die Kriegsführung. 5 bis 20 Milliarden US-Dollar jährlich würde eine Besatzung kosten. Die Ärzteorganisation verweist darauf, dass mit 100 Milliarden US-Dollar alternativ vier Jahre lang die Kosten für die Gesundheitsversorgung der ärmsten Menschen in der Welt bezahlt werden könnten.
Für die IPPNW wäre einen Krieg "gegen das durch die Sanktionen und den Diktator Saddam Hussein bereits schwer getroffene irakische Volk zutiefst inhuman".
Am 15. November hatte die IPPNW Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer 31.600 Unterstützer-Unterschriften für den Appell "Mit Fuchs und Flotte" übergeben. Der Appell an die Bundestagsabgeordneten richtete sich gegen eine Verlängerung des Bundeswehr-Mandates für eine Beteiligung am "Krieg gegen den Terrorismus". Die Terroranschläge vom 11. September 2001 seien kein Freibrief für Krieg.
Die Friedensorganisation verlangt als Zeichen einer glaubwürdigen Friedenspolitik, die deutschen Truppen- und Flottenverbände aus Kuweit und vom Horn von Afrika zurückzuholen und keine deutsche Infrastruktur für einen erneuten Krieg zur Verfügung zu stellen.
Am 21-11-2002
US-Armee nutzt Spanien und Portugal als Militärbasen gegen den Irak
Krieg gegen den Irak
Während die UN-Waffeninspektoren medienwirksam im Irak unterwegs sind, bereitet die US-Armee in aller Stille auch von Spanien aus Militärschläge gegen das Regime von Saddam Hussein vor. Die spanische Regierung hat den Amerikanern gestattet, Militärstützpunkte auf ihrem Territorium für militärische Schläge gegen den internationalen Terrorismus zu nutzen. Dabei handelt es sich um die Marinebasis in Rota bei Cadiz in Südspanien und um den Luftwaffenstützpunkt in Moron bei Sevilla.
"Wir gehen davon aus, dass wir spätestens im März nächsten Jahres den Irak angreifen werden", sagte ein für den Nachschub zuständiger hoher US- Offizier der Nachrichtenagentur ddp auf der Rota-Basis. Die Stützpunkte sind für Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten im Nahen und Mittleren Osten von größter Bedeutung. In Rota lagern mittlerweile über 50 000 Tonnen Treibstoff. Hier "drängeln" sich Marineschiffe, Tankflugzeuge, Jagdflieger und Bomber.
Auch das amerikanische CIA arbeitet bei der Beschaffung von Informationen über die islamistischen Terroristen eng mit dem spanischen Geheimdienst Cesid (Centro Superior de Informacion de Defensa) zusammen. "Wir unterhalten schon seit langem gute Beziehungen zu einigen wichtigen Diensten in der arabischen Welt", erläuterte ein Cesid-Mann. Ein "Zeichen an der Wand", wie brisant die Lage ist, zeigt die Entscheidung von mehreren spanischen Zeitungen auf, jetzt Sonderkorrespondenten nach Bagdad zu schicken.
Ministerpräsident Jose Maria Aznar hatte mehrmals erklärt, Spanien werde "Seite an Seite" mit den Vereinigten Staaten gegen den Terrorismus kämpfen und gegen Staaten, die ihn unterstützen. Verbindungen zwischen arabischen Terroristengruppen mit der baskischen Untergrundorganisation ETA konnten bisher nicht nachgewiesen werden. "Wir haben allerdings bereits Anhaltspunkte dafür", war aus dem Cesid zu hören.
Auch Portugal hat den Amerikanern die Nutzung einer Militärbase auf den Azoren erlaubt. Die zu Portugal gehörenden Azoren sind auf Grund ihrer Lage mitten im Atlantik für Militärmaschinen vor allem als Zwischenstation zum Auftanken von größter Bedeutung. Der Stützpunkt liegt bei Lajes auf der Azoren-Insel Terceira. Die Amerikaner müssen jedoch in Lissabon die Erlaubnis einholen, wenn sie den Stützpunkt in einem kriegerischen Konflikt mit dem Irak nutzen wollen.
Am 03-12-2002
Pro Asyl kritisiert skandalösen Umgang mit irakischen Flüchtlingen
Tag der Menschenrechte
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte kritisiert Pro Asyl den skandalösen Umgang mit irakischen Flüchtlingen in Deutschland. Immer weniger erhalten Schutz. Von 65 Prozent im Jahr 2001 fiel die Anerkennungsquote des Bundesamtes kontinuierlich bis auf unter 30 Prozent im ersten Halbjahr 2002. Im November wurden sogar nur noch 16,2 Prozent der Antragsteller als Verfolgte im Sinne der Genfer Konvention oder von Artikel 16 a Grundgesetz anerkannt.
Immer häufiger finden sich in Ablehnungsbescheiden Sätze wie: „Der Antragstellerin ist die Rückkehr in den Nordirak über die Türkei möglich und zumutbar.“ Pro Asyl hält diese Einschätzung des Bundesamtes für falsch und unverantwortlich – und dies nicht nur angesichts der akuten Kriegsgefahr. Im Nordirak, der international nicht anerkannt ist, ist die politische Lage instabil. Irakische Truppen befänden sich in Schussweite von Flüchtlingslagern. Ein militärischer Zugriff sei jederzeit möglich. Zur labilen Sicherheitslage komme eine katastrophale Versorgungssituation der bereits jetzt dort lebenden Flüchtlinge.
Pro Asyl sieht dem drohenden Krieg im Irak mit großer Sorge entgegen. Neben den öffentlich diskutierten und bekannten Gründen gegen den Krieg müsse die Situation der Flüchtlinge ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen. Der Nordirak könne im Kriegsfall zur Todesfalle für Tausende von Flüchtlingen werden. Bereits jetzt sei er von den Nachbarstaaten hermetisch abgeriegelt worden. Große Teile der Grenze zum Iran wurden in den vergangenen Jahren neu vermint. Türkische Truppen halten einen ‚Sicherheitsstreifen’ entlang der irakisch-türkischen Grenze besetzt. Beide Länder wollen eine erneute Fluchtbewegung wie z.B. im Jahr 1991, als rund zwei Millionen Kurden vor irakischen Truppen flüchteten, verhindern.
Pro Asyl warnt die rot-grüne Bundesregierung vor einem erheblichen Glaubwürdigkeitsproblem: Wer in der Außenpolitik glaubwürdig für die Achtung der Menschenrechte eintreten wolle, müsse sich dafür auch im Innern einsetzen und Flüchtlinge, die vor Menschenrechtsverletzungen fliehen, schützen.
Am 10-12-2002