Cinar sagte, er rechne damit, dass Bundespräsident Johannes Rau das umstrittene Zuwanderungsgesetz der Regierung unterzeichnen und auch das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung nicht anzweifeln werde. Andernfalls solle wenigstens der Integrationsteil verabschiedet werden. Der gehe grundsätzlich in die richtige Richtung. Allerdings äußerte Cinar die Befürchtung, dass sich Bund, Länder und Kommunen in Zukunft auf die gesetzlich vorgeschriebenen Integrationsleistungen beschränken und bisherige Angebote aufgrund von Finanzierungsproblemen herunterschrauben könnten. Zu den Haushaltsmitteln müssten noch andere Gelder gefunden werden, sagte er.
Am Wochenende findet die Bundesdelegiertenkonferenz der Türkischen Gemeinde unter dem Motto "Gleichberechtigt leben in Deutschland" in Berlin statt. Als Gastredner sind unter anderem Berlins Wirtschaftssenator Gregor Gysi und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eingeladen.
Nachrichten Zuwanderung
- Union macht Wahlkampf mit Zuwanderung
- Zahl der Einwanderer nimmt ab
- Pro Asyl fordert schnelle Einigung im Streit um die Zuwanderung
- Ausländeranteil stagniert
- Integration von Ausländern in Deutschland scheitert
- Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung brauchen Schutz
- Kompromiss bei Zuwanderung droht Abschottung zu werden
- Wissenschaftler mahnen Zuwanderungsgesetz an
- Alternativen zum gescheiterten Zuwanderungsgesetz suchen
- Grüne steigen aus Zuwanderungsgesprächen aus
- Neuer Streit um Ausformulierung des Gesetzentwurfes
- Zuwanderungsverhinderer haben gesiegt
- Schnellere Ausweisung für Ausländer
- Beschäftigungsverordnung zum Zuwanderungsgesetz führt zur Ausgrenzung
Die Türkische Gemeinde in Deutschland warnt vor einer Zuwanderungsdiskussion im Wahlkampf auf dem Rücken der Ausländer. Es dürfe keine Angstkampagne geführt werden, sagte der stellvertretende TGD-Vorsitzende Safter Cinar. Andernfalls würde die Stimmung in Deutschland gefährlich aufgeheizt, und "bestimmte Kreise" könnten sich "zu Übergriffen aufgemuntert fühlen". Dies sei in den 90er Jahren schon einmal der Fall gewesen.
Cinar sagte, er rechne damit, dass Bundespräsident Johannes Rau das umstrittene Zuwanderungsgesetz der Regierung unterzeichnen und auch das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung nicht anzweifeln werde. Andernfalls solle wenigstens der Integrationsteil verabschiedet werden. Der gehe grundsätzlich in die richtige Richtung. Allerdings äußerte Cinar die Befürchtung, dass sich Bund, Länder und Kommunen in Zukunft auf die gesetzlich vorgeschriebenen Integrationsleistungen beschränken und bisherige Angebote aufgrund von Finanzierungsproblemen herunterschrauben könnten. Zu den Haushaltsmitteln müssten noch andere Gelder gefunden werden, sagte er.
Am Wochenende findet die Bundesdelegiertenkonferenz der Türkischen Gemeinde unter dem Motto "Gleichberechtigt leben in Deutschland" in Berlin statt. Als Gastredner sind unter anderem Berlins Wirtschaftssenator Gregor Gysi und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eingeladen.
Am 25-04-2002
"Das Thema 1b"
Eine knappe Woche vor der Bundestagswahl rückt die Union das Thema Zuwanderung in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Neben der Frage der Arbeitslosigkeit sei das "ein 1b-Thema", sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) am Montag in Berlin. Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) hob hervor, vier Millionen Arbeitslose in Deutschland ließen eine ungesteuerte Zuwanderung nicht weiter zu. Harsche Kritik an einem "Ausländerwahlkampf" kam von SPD und Grünen. Angesichts sinkender Umfragewerte sei das Vorhaben eine "Verzweiflungstat" der Union, sagten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) in Berlin.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) berief unterdessen die CDU-Politikerin Rita Süssmuth als Leiterin eines Sachverständigenrates beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Süssmuth hatte bereits die Zuwanderungskommission der Bundesregierung geleitet und war dafür aus der Union heftig angegriffen worden. Auch diesmal scheint eine Konfrontation unausweichlich, da die Union eine umgehende Novellierung des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes verlangt. Der Gesetzesvollzug zum 1. Januar 2003 solle dafür notfalls ein halbes Jahr ausgesetzt werden.
Kernpunkt der von der Union geplanten Änderungen ist laut Beckstein die "ersatzlose Abschaffung" des vorgesehenen Auswahlverfahrens über ein Punktesystem. Auch das Asylverfahren solle gestrafft und eine bessere Abschiebung ermöglicht werden. Zudem gehe es um die Wiedereinführung des Anwerbestopps ausländischer Arbeitnehmer und um eine Beteiligung der Einwanderer an den Integrationskosten.
Die FDP begrüßte weitgehend die Unions-Vorstellungen. Die Zuwanderung müsse gesteuert, kontrolliert und an einem "wohlverstandenen nationalen Interesse" ausgerichtet werden, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Zudem müsse das Erlernen der deutschen Sprache eine "zwingende Voraussetzung" für jede Zuwanderung sein.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nannte die Zuwanderungskampagne der Union einen durchsichtigen Versuch, im Wahlkampf noch einmal anzugreifen. "Die haben Feuer unterm Dach" und "große Probleme", den Brand zu löschen, sagte Müntefering.
Grünen-Chefin Claudia Roth warnte, mit ihrer Kritik am Zuwanderungsgesetz werde die Union zu einem "Standortrisiko". Der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland brauche Einwanderung.
Beckstein (CSU) wies die Vorwürfe zurück. Die Union wolle in keiner Weise die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte stoppen. Doch müsse angesichts einer möglichen Verdoppelung der Nettozuwanderung auf 300.000 Menschen pro Jahr auf verstärkte Integration auch "im Interesse der in Deutschland lebenden Ausländer" gedrungen werden. "Eine multikulturelle Gesellschaft, ein unverbundenes Nebeneinander von Parallelgesellschaften, kann niemand wollen", sagte der Politiker.
Am 16-09-2002
Zuwanderung
Im Jahr 2001 sind knapp 273 000 Menschen mehr nach Deutschland zugewandert als das Bundesgebiet verlassen haben. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, waren davon 84 000 Deutsche und 188 000 Ausländer. Für das Jahr 2002 sei auf Grund der vorliegenden Zahlen mit einem Zuwanderungsüberschuss von 235 000 Personen und damit rund 14 Prozent weniger als im Vorjahr zu rechnen.
Zu Beginn der 90er Jahre hätte der jährliche Zuwanderungsüberschuss deutlich höher gelegen: Er erreichte den Angaben zufolge 1992 mit 782 000 Personen einen Höchststand. Bis 1998 ging er auf 47 000 Zuwanderer zurück; seit 1999 steigt er wieder. Insgesamt sind dem Bundesamt zufolge zwischen 1991 und 2001 rund 3,6 Millionen Menschen, darunter 2,2 Millionen Ausländer mehr nach Deutschland gekommen als das Land verlassen haben.
Am 07-02-2003
Einwanderung
Angesichts der am Donnerstag stattfindenden ersten Lesung des Zuwanderungsgesetzes im Bundestag spricht sich PRO ASYL dafür aus, bereits bei dieser Gelegenheit die Probleme des Gesetzes nicht in ein Vermittlungsverfahren zu verschieben. Das Zuwanderungsgesetz habe neben positiven Regelungen zahllose Mängel, die im Gesetzgebungsprozess beseitigt werden müssten, so die Menschenrechtsorganisation.
Als ein Beispiel nennt die Organisation, das Arbeitsverbot für Bescheinigte: Viele Inhaber einer Duldung würden künftig nur noch eine sogenannte Bescheinigung erhalten. Da das Zuwanderungsgesetz für eine Arbeitserlaubnis einen Aufenthaltstitel voraussetze und eine Bescheinigung dies nicht sei, würden Tausende bislang "Geduldeter" ihre Arbeitsplätze verlieren und in die Sozialhilfe gedrängt werden. Diese Regelung sei absurd.
Auch die gesellschaftliche Eingliederung von Geduldeten würde hierzulande bewusst verhindert. Viele der Betroffenen lebten seit Jahren in Deutschland, manche ihr ganzes Leben - ohne gesicherte Lebensperspektive. Eine großzügige Bleiberechtsregelung sei notwendiger Bestandteil einer Integrationspolitik und müsse im Zuwanderungsgesetz verankert werden.
Auf keinen Fall dürfe es im Prozess der Zuwanderungsgesetzgebung Rückschritte bei der Frage der Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung geben. PRO ASYL begrüße, dass die Bundesrepublik Deutschland am 5. März 2003 endlich gegenüber der Europäischen Kommission ihre diesbezügliche Vorbehaltserklärung zurückgezogen habe. Der Weg sei nunmehr frei, die Anerkennung der nichtsstaatlichen Verfolgung auf EU-Ebene zu verankern.
Am 13-03-2003
Zuwanderung
Der Ausländeranteil in Deutschland hat sich seit 1998 kaum verändert. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, lebten Ende vergangenen Jahres 7,34 Millionen Ausländer in Deutschland. Das waren 17 000 oder 0,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung von 82,55 Millionen Einwohnern liege damit seit 1998 bei 8,9 Prozent. Statistisch nicht eingerechnet seien dabei Personen, die neben ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit auch einen deutschen Pass besitzen.
Fast 80 Prozent (5,82 Millionen) der Ausländer in Deutschland seien Europäer, so die Statistik, gut ein Viertel (1,86 Millionen) stammten aus der EU. 12,3 Prozent kämen aus Asien, 4,2 Prozent aus Afrika, 3,1 Prozent aus Amerika sowie 0,2 Prozent aus Australien und Ozeanien. Bei knapp einem Prozent handele es sich um Staatenlose oder Personen mit unbekannter Staatsangehörigkeit.
Die größte Nationalitätengruppe stellten mit 1,91 Millionen die türkische Mitbürger dar. Dies seien 26,1 Prozent der ausländischen Bevölkerung. In Deutschland leben ferner 610 000 Italiener (8,3 Prozent) und 591 000 Personen aus Serbien und Montenegro (8,1 Prozent). Es folgten mit einem Anteil von 4,9 Prozent Griechen (395 000), 4,3 Prozent Polen (318 000) und 3,1 Prozent Kroaten (231 000).
Die Aufenthaltsdauer der zurzeit in Deutschland lebenden Ausländer betrage im Durchschnitt 15,6 Jahre. 20,9 Prozent oder 1,53 Millionen der in Deutschland lebenden Ausländer seien hier geboren worden.
Am 13-03-2003
Zuwanderung
In ihrem Sozialbericht 2002 beschreibt die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Lebensverhältnisse von Zuwanderern in Deutschland als "Dokument integrationspolitischen Versagens". Dem deutschen Bildungssystem gelinge es nicht, ausländische Kinder adäquat auszubilden. Unter anderem blieben ausländische Jugendliche viermal häufiger als deutsche ohne Berufsabschluss (33 Prozent). Vier Fünftel der ausländischen Familien lebten in westdeutschen Großstädten unter schlechteren Bedingungen als Deutsche, zahlten aber höhere Mieten.
Auch die Säuglingssterblichkeit liege um 29 Prozent höher als bei deutschen Babys. Häufig seien Fehldiagnosen und falsche Medikamentierung ausländischer Patienten. Konzepte zur Versorgung alter, pflegebedürftiger Ausländer stünden aus.
Der AWO-Bundesvorsitzende Manfred Ragati kritisierte die Union scharf für ihre Blockade des Zuwanderungsgesetzes und damit für das Behindern einer Integrationsregelung. CDU und CSU stellten "Forderungen aus der migrationspolitischen Steinzeit" und beschädigten mit "populistischer Angstmache" den sozialen
Frieden. Die 137 Änderungsanträge der Union zum Gesetz atmeten "den alten konservativen Geist von Abwehr, Ausgrenzung und Ausweisung".
Der AWO-Vorsitzende unterstrich, Integration dürfe "keine Einbahnstraße" sein. Es dürften nicht nur Forderungen an die Zuwanderer gestellt werden, auch die Deutschen müssten sich
"integrieren in die multikulturelle Gesellschaft".
Angesichts des begonnenen Krieges fordert Ragati schnell und unkompliziert ein Konzept zum Auffangen des erwarteten Flüchtlingsstroms.
Am 20-03-2003
Zuwanderungsgesetz im Vermittlungsausschuss
Im Vorfeld der Sitzung der Arbeitsgruppe Zuwanderung im Vermittlungsausschuss am kommenden Freitag warnt PRO ASYL noch einmal eindringlich davor, die Klarstellung im Gesetzentwurf, dass Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung in den Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, zu verwässern oder aufzugeben. Andernfalls würde die Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland weiterhin nicht völkerrechtskonform angewendet. Dies hätte weitreichende Auswirkungen für den Flüchtlingsschutz in Deutschland, aber auch für ein gemeinsames Asylrecht in Europa.
Weiterhin fallen Flüchtlinge in Deutschland in eine Schutzlücke. Asylsuchende aus dem Irak können nach dem Ende des Saddam Hussein-Regimes ebenso wenig darauf rechnen, dass ihnen adäquater Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung gewährt wird, wie Schutzsuchende aus Afghanistan seit der Vertreibung der Taliban. Schutzsuchenden aus Somalia wird seit Jahren mit der Standardargumentation, in Somalia existiere weiterhin keine staatliche Gewalt, von der Verfolgung im Sinne des bundesdeutschen Asylrechts ausgehen könnte, der Flüchtlingsstatus in Deutschland verweigert. Im europäischen Vergleich drückt sich diese Praxis in einer großen Diskrepanz bei den Anerkennungszahlen aus.
Die Folgen im europäischen Vergleich: Anerkennungspraxis - Flüchtlingsstatus nach der GFK bei Flüchtlingen aus Somalia: Frankreich: 52, 8 % (2001) 43,0% (2002) Großbritannien: 34, 0 % (2001) 37,0% (2002) in der ersten Instanz Österreich: 14, 6 % (2001) 42,9% (2002)
Deutschland gewährte nach den Statistiken des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge keinem einzigen Flüchtling aus Somalia im Jahr 2002 einen Asylstatus. 70 Personen (37,6 %) wurden Abschiebungshindernisse nach § 53 Absatz 6 Ausländergesetz zugesprochen. Die meisten von ihnen erhalten einen Nicht-Status - die Duldung. Die Duldung, die bloße Aussetzung der Abschiebung, ist jedoch kein Schutz und bietet keinerlei soziale Rechte.
Seit Monaten blockiert die Bundesregierung - gegen alle anderen EU-Mitgliedstaaten - die Verabschiedung der Flüchtlingsrichtlinie nach dem Motto: Zuerst das bundesdeutsche Zuwanderungsgesetz - Europa muss warten. Es ist zwischen allen Mitgliedsstaaten der EU unstrittig, dass Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung in den Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Die Bundesrepublik Deutschland will ihre abweichende Praxis bei der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Entwurf des Zuwanderungsgesetzes korrigieren und hat Anfang März 2003 den bis dahin eingelegten Vorbehalt in dieser Frage auf EU-Ebene fallen lassen. Genau dieser Fortschritt droht nun im Vermittlungsausschuss wieder zu Fall gebracht zu werden.
Wider besseres Wissen redet die CDU/CSU weiterhin davon, damit würden die Asylgründe ausgeweitet. Die anvisierte Klarstellung im Zuwanderungsgesetz stellt jedoch nicht mehr und nicht weniger als die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention auch in Deutschland sicher.
Seit Mitte der 90er Jahre fordern dies UNHCR, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen, um auch den deutschen Gerichten bei der Anwendung der Flüchtlingskonvention Orientierung zu geben. Das ist nötig, damit auch das Bundesverwaltungsgericht bereit ist, die bundesdeutsche Schutzlücke zu schließen: Bei nichtstaatlicher Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist es unerheblich, ob die Verfolgung dem Herkunftsstaat zuzurechnen ist. Im Vorgriff auf die künftige EU-Richtlinie zum Flüchtlingsbegriff sollte durch die Klarstellung im Zuwanderungsgesetz eine völkerrechtskonforme Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention in naher Zukunft auch in Deutschland gewährleistet werden.
Am 04-12-2003
Annäherung der Parteien
Im jahrelangen Streit um eine Neuregelung der Zuwanderung gehen nun auch die Grünen auf die Union zu. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer zeigte sich am Freitag wie zuvor Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dazu bereit, auf das umstrittene Punktesystem für Arbeitsmigranten zu verzichten. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl und der Interkulturelle Rat warnten Rot-Grün vor einer weiteren Verwässerung des Regierungsentwurfes. Ein "Abschottungsgesetz" mache keinen Sinn.
Die Grünen hatten das Punktesystem bisher als einen Kernpunkt des Gesetzes angesehen. Bütikofer betonte allerdings, man könne nicht auf das Auswahlverfahren verzichten und gleichzeitig den generellen Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer beibehalten, wie die Union dies wolle. Der Grünen-Innenexperte Volker Beck ergänzte, ansonsten bliebe "nichts mehr von der Arbeitsmigration übrig". Ähnlich hatte sich Schily geäußert.
In der Union wurden derweil erneut unterschiedliche Positionen über die Arbeitsmigration deutlich. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bekräftigte, dass Deutschland eine gesteuerte Einwanderung von Hochqualifizierten brauche. Beust hatte unlängst ferner das Punktesystem dafür als denkbar bezeichnet. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte dagegen: "Wir werden ein Punktesystem unter keinen Umständen mitmachen. Dann scheitert eben das Gesetz."
Der frühere Bundesminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) hielt unterdessen der CDU vor, ihre eigenen Beschlüsse vergessen zu haben. Das Punktesystem komme in früheren Parteitagspapieren und einem Fraktionsantrag vor, sagte Schwarz-Schilling. Mit ihrer harten Haltung in den Zuwanderungsgesprächen begebe sich die Union in eine "komplette Isolation in unserer Gesellschaft".
Unterdessen appellierte Pro Asyl an SPD und Grüne, "sich nicht noch weiter von ihren eigenen Zielen zu entfernen". Der Gesetzentwurf sei schon in vielen Teilen ein "fauler Kompromiss, der einen großen Teil der hier lebenden Flüchtlinge schlechter stellen würde als bisher". Pro Asyl erwarte, dass nicht an der Anerkennung der nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung als Asylgrund gerüttelt werde. Auch dürften die Kettenduldungen nicht so beseitigt werden, dass bislang Geduldete abgeschoben werden.
Der Interkulturelle Rat kritisierte ebenfalls, schon im Gesetzentwurf sei von den ursprünglichen Intentionen von Rot-Grün nicht mehr viel zu erkennen. Wenn die Union jetzt zentrale Aspekte wie das Punktesystem, die Rücknahme des Anwerbestopps und die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung herausverhandele, sei dies nur noch destruktiv. Eine Einigung, die am Ende zu einem "Abschottungsgesetz" führe, mache keinen Sinn, sagte der Vorsitzende der Organisation, Jürgen Micksch.
Am 27. Februar berät die Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses erneut über einen Zuwanderungskompromiss. Schily hatte am Donnerstag den Termin als "praktisch letzte Möglichkeit zur Einigung" bezeichnet.
Am 30-01-2004
Erst ausbilden, dann rauswerfen?
Namhafte deutsche Forschungs- und Hochschulorganisationen haben den anhaltenden Streit über das Zuwanderungsgesetzes kritisiert. In einer Umfrage der "Berliner Zeitung" in ihrer Montagausgabe mahnten sie zügige Regelungen an, um Deutschland für Spitzenforscher attraktiver zu machen. "Wer Bildung und Innovation stärken will, darf das Zuwanderungsgesetz nicht länger blockieren", sagte der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Hans-Dieter Rinkens. Er appellierte an die Union, bei den Verhandlungen mit Rot-Grün flexibler zu sein. "Man kann nicht erst mit milliardenschweren Programmen Talente nach Deutschland holen und sie nach Abschluss des Studiums wieder weg schicken. Das ist äußerst paradox", kritisierte Rinkens.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaehtgens. Die Bundesrepublik müsse daran interessiert sein, dass die "besten Köpfe aus aller Welt" in Deutschland arbeiten können, erklärte er.
Nach Ansicht des Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, hat die Bundesrepublik im weltweiten Tauziehen um Talente schlechte Karten. Während der eigene Spitzen-Nachwuchs ins Ausland abwandere, kämen fremde Spitzenkräfte seltener nach Deutschland. Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, forderte ein modernes Gesetz, um jungen Forschern und ihren Familien aus der ganzen Welt zu signalisieren, "dass sie bei uns willkommen sind".
Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Walter Kröll, verlangte eine Entschlackung des Ausländerrechts. Er sagte: "Wir brauchen klare und einfache Regelungen frei von komplizierten bürokratischen Hürden."
Am 02-02-2004
Vermittlungsverfahren beenden
PRO ASYL, Amnesty International und der Interkulturelle Rat in Deutschland fordern die Regierungskoalition zum Abbruch der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz auf. Die ursprünglichen Ziele, Einwanderung zu ermöglichen, Integration zu fördern und Flüchtlinge zu schützen seine nicht erreicht worden. Ein gesellschaftlich notwendiges Reformprojekt sei damit inhaltlich gescheitert.
Statt Einwanderung zu gestalten, bleibe es bei der Abkapselung Deutschlands: Das Punktesystem als arbeitsmarktunabhängiges und zukunftsorientiertes Steuerungsinstrument der Zuwanderung werde aufgegeben. Der generelle Anwerbestopp von 1973 solle bestehen bleiben.
Die Integration bleibe ein weitgehend unbestelltes Feld. Nach den nun bekannt gewordenen Formulierungen werden Forderungen von Teilen der CDU/CSU übernommen. Der Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnahmen soll fallen gelassen werden. Die Ausländerbehörden können die Integrationskurse als Sanktionsinstrument gegenüber missliebigen Flüchtlingen und Migranten benutzen.
Der desaströse Zustand der Kettenduldung wird nicht beendet. Eine Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutschland geduldete Flüchtlinge fehle. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung werden zentrale rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards zur Disposition gestellt.
Die positiv zu bewertende Anerkennung von nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung im Zuwanderungsgesetz ist bereits auf europäischer Ebene erreicht worden. Die entsprechende EU-Richtlinie vom März 2004 muss ohnehin in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Zuwanderungsgesetz ist hierfür nicht erforderlich, sagen Pro Asyl und der Interkulturelle Rat.
Von den weiteren Verhandlungen seien keine positiven Impulse mehr zu erwarten. PRO ASYL und Interkultureller Rat fordern, die Verhandlungen abzubrechen. Die Bundesregierung kann statt des zustimmungspflichtigen Zuwanderungsgesetzes wesentliche Reformen im Ausländer- und Asylrecht ohne die Zustimmung des Bundesrates beschließen: Die rot-grüne Regierungsmehrheit kann für eine Liberalisierung des Nachrangigkeitsprinzips auf dem Arbeitsmarkt sorgen und die Möglichkeiten der Erteilung einer Arbeitserlaubnis ausweiten. Ausländischen Studierenden, die an deutschen Hochschulen studiert haben, kann nach dem Studium die Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme erleichtert werden.
Die Regierung könne die deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention zurückziehen und die Situation hier lebender minderjähriger Flüchtlinge verbessern. Sie kann geduldeten Flüchtlingen den Wechsel in einen gesicherten Aufenthaltsstatus erleichtern und eine Härtefallregelung beschließen.
Die Bundesregierung könne und müsse ohne weiteren Verzug ein wirkungsvolles Anti-Diskriminierungsgesetz verabschieden. Durch Erhöhung des entsprechenden Haushaltstitels kann sie ihre Anstrengungen im Integrationsbereich verstärken.
Am 29-04-2004
Pro Asyl begrüßt Entscheidung
Die Grünen wollen die Verhandlungen mit der Union über das Zuwanderungsgesetz beenden. "Das Spiel ist aus - so macht eine Fortsetzung der Gespräche keinen Sinn", sagte Parteichef Reinhard Bütikofer am Montag nach Sitzungen von Grünen-Vorstand und Parteirat in Berlin. In den Gremien habe zu diesem Punkt "Einhelligkeit" bestanden. Ein endgültiger Beschluss sei dem Länderrat am Wochenende vorbehalten. Der Bundesvorstand und der Fraktionsvorstand wollten dazu einen Antrag vorlegen. Die Menschenrechtsorganisation pro Asyl begrüßt den anmgekündigten Ausstieg. Ein modernes in die Zukunft gerichtetes Einwanderungsrecht sei nicht mehr zu erreichen.
Bütikofer betonte, der Schlusspunkt sei nun erreicht. Er fügte mit Blick auf die ergebnislosen Verhandlungen vom Wochenende hinzu, die Grünen seien außerordentlich kompromissbereit gewesen. Es habe sich aber gezeigt, dass mit der Union ein vernünftiger Kompromiss nicht zu erreichen sei. Auch CDU-Chefin Angela Merkel habe offensichtlich das Interesse an einer Lösung längst verloren und fahre seit langem eine Verunsicherungspolitik.
Bütikofer betonte, es handele sich aus Sicht der Grünen nicht um einen einseitigen Ausstieg aus den Verhandlungen, da seine Partei schon in den Koalitionsgesprächen deutlich gemacht habe, wo für die Grünen die "Grenzlinie" verlaufe. Der Grünen-Vorsitzende kündigte an, es werde nun Gespräche zwischen SPD und Grünen geben, um auszuloten, welche Punkte im Zuwanderungsgesetz die rot-grüne Koalition allein durchsetzen könne. Pro Asyl sieht die Schuld des Scheiterns der Verhandlungen ebenfalls nicht bei den Grünen und ihren angeblich überzogenen Vorstellungen, sondern an der Blockadehaltung der Union.
Am 03-05-2004
Einigung im Zuwanderungsgesetz
Nach der politischen Einigung zwischen Regierung und Opposition über ein Zuwanderungsgesetz droht neuer Streit über die Ausformulierung des Gesetzes. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer stellte am Mittwoch in Berlin klar, seine Partei werde genau darauf achten, ob der Gesetzestext am Ende dem am Dienstag getroffenen Kompromiss entspreche. Die Grünen befürchten, dass das Zuwanderungsgesetz der Grundsatzeinigung vom Dienstag widersprechen wird. Der Gesetzestext soll in einer Dreiergruppe von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) ausformuliert werden. Die Grünen bleiben hier außen vor, was innerhalb der Partei für Kritik sorgt.
Eckpunkte der Einigung im Zuwanderungsstreit
Der Weg zu einem Zuwanderungsgesetz scheint nach Gesprächen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und den Parteivorsitzenden von SPD, CDU, CSU, FDP und Grünen frei. Die wichtigsten Punkte der Einigung im Überblick:
SICHERHEIT: Ausländer können aufgrund einer "TATSACHENGESTÜTZTEN GEFAHRENPROGNOSE" ausgewiesen werden. Für die rechtliche Überprüfung gibt es nur noch eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht.
Bei Abschiebungshindernissen sind MELDEAUFLAGEN, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Kommunikationsverbote geplant. Die von der Union verlangte SICHERUNGSHAFT ist vom Tisch.
Vor Erteilung von Daueraufenthaltserlaubnissen und Einbürgerungen wird die REGELANFRAGE beim VERFASSUNGSSCHUTZ eingeführt.
"Geistige Brandstifter" wie so genannte HASSPREDIGER sollen ausgewiesen werden. Die Abschiebung liegt im Ermessen der Ausländerbehörden. SCHLEUSER werden ausgewiesen, wenn sie zu einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurden.
Verschärfungen im STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHT kommen nicht.
Eine WARNDATEI für extremistische Ausländer soll es auf nationaler Ebene geben, falls eine solche Datei in Europa bis 2006 nicht zustande kommt.
ARBEITSMIGRATION: Es bleibt beim generellen ANWERBESTOPP. Allerdings erhalten HOCHQUALIFIZIERTE die Möglichkeit eines Daueraufenthalts. Ausländische STUDENTEN können nach Ende des Studiums einen Job in Deutschland aufnehmen. SELBSTSTÄNDIGE sollen zuwandern können, wenn positive Wirkungen für Wirtschaft und Beschäftigung zu erwarten sind.
HUMANITÄRES: Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten den FLÜCHTLINGSSTATUS gemäß der Genfer Flüchtlingskommission. Für problematische Einzelfälle sind HÄRTEFALLKOMMISSIONEN vorgesehen. Bei der geschlechtsspezifischen Verfolgung wird die unklar formulierte EU-Richtlinie für das Zuwanderungsgesetz präzisiert.
INTEGRATION: Ausländer erhalten einen Anspruch auf SPRACHKURSE, es soll zugleich Sanktionen bei Nichtteilnahme geben. Die Kosten für die Kurse übernimmt der Bund.
Am 26-05-2004
Zuwanderungsgesetz verabschiedet
In einer ersten Reaktion bewertet PRO ASYL den gestrigen politischen Kompromiss zum Zuwanderungsgesetz als enttäuschend. Der Öffentlichkeit werde ein X für ein U vorgemacht. Anstatt Zuwanderung zu ermöglichen und zu gestalten, regiere eine große Koalition der Zuwanderungsverhinderer. CDU/CSU hätten weitgehend ihre Ziele erreicht, nachdem sie systematisch über Monate hinweg SPD und Grüne vor sich hergetrieben haben. Von den ursprünglichen Zielen des Gesetzes sei nun kaum noch etwas zu erkennen.
Schröder und Schily seien auf CDU-Kurs umgeschwenkt und hätten den Vorschlägen von CDU/CSU nichts entgegengesetzt. Bündnis 90/Die Grünen sei die ohnmächtigste Regierungspartei, die Deutschland je hatte. "Bütikofer hat gebrüllt wie ein Löwe und jetzt sitzen die Grünen noch nicht einmal am Katzentisch", kommentierte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Aber auch die FDP sei außen vor - sie selbst habe es noch nicht einmal bemerkt. Die Entscheidungen werden nun nur noch zwischen Schily, Beckstein und Müller getroffen. Für eine Demokratie sei es höchst problematisch, wenn Beschlüsse nicht in parlamentarischen Gremien gefasst werden, sondern in einer Dreierrunde, die keine parlamentarische Legitimation besitze. Weder der Bundestag noch der Bundesrat noch der von Beiden eingesetzte Vermittlungsausschuss seien wirklich beteiligt.
Entgegen dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Eindruck sei die Materie zu kompliziert, um in einer Stunde zu Lösungen zu kommen. Es komme auf das Kleingedruckte im Gesetzestext an. Zwischen politischen Versprechungen und dem realen Gesetzesinhalt klafften schon jetzt Welten. Beispiel: die Abschaffung der Kettenduldungen. Die politisch von CDU/CSU und SPD schon lange angekündigte Abschaffung der Kettenduldungen halte das Gesetz nach dem bekanntgewordenen Stand des Vermittlungsverfahrens nicht ein. Es biete noch nicht einmal den lange hier Lebenden und Geduldeten eine Chance auf ein Daueraufenthaltsrecht. PRO ASYL kritisiert vor allem, dass eine großzügige Bleiberechtsregelung, mit der die angeblich neue Ära der Zuwanderungspolitik eingeleitet werden müsse, fehle.
Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten seien viele wegweisende Impulse auf dem Altar der Konsenssuche geopfert worden: Die Aufgabe des Punktesystems kommt einer Verabschiedung von einer modernen Einwanderungspolitik gleich. Im Flüchtlingsbereich kommt es neben den Verbesserungen, die auf europäischer Ebene bereits erreicht worden sind (die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung) zu Restriktionen.
Eine Bleiberechtsregelung für die über 150.000 Geduldeten fehlt. Die Integrationskurse werden in Gängelungsinstrumente umgemünzt. In den vergangenen Wochen wurden auf fatale Weise in den Verhandlungen Zuwanderungsfragen und Sicherheitsfragen vermengt. Ohne die Wirksamkeit der sogenannten Antiterrorgesetze I und II zu überprüfen, setzt nun ein neuer Aktionismus der Gesetzesverschärfung ein. Bereits die jetzigen Instrumentarien schneiden schwer in ein rechtsstaatliches Gefüge ein.
PRO ASYL betrachtet die gestrige politische Einigung als eine verspielte Chance, ein modernes und innovatives Zuwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Statt Probleme zu lösen, werden der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit und politische Entschlossenheit vorgegaukelt - ohne dass die Paragraphen des Gesetzes halten, was versprochen wird. Der nötige Impuls, dass Migranten und Flüchtlinge in Deutschland erwünscht sind, könne von solch einem Gesetz nicht ausgehen.
Am 26-05-2004
Zuwanderungsgesetz
Ausländer können in Zukunft schneller ausgewiesen werden. Nach Berichten der Menschenrechts-organisation Amnesty International reiche nach dem Beschluss des Zuwanderungsgesetzes an Stelle von belegten Tatsachen bereits eine sogenannte "tatsachengestützte Gefahrenprognose" für eine Ausweisung. Außerdem solle Menschen, die zum Beispiel wegen drohender Folter nicht abgeschoben werden dürfen, die Aufenthaltserlaubnis verweigert werden, wenn sie aus Sicht der Behörden "als Gefahr für die Allgemeinheit" angesehen würden.
"Wenn das Gesetz am 9. Juli verabschiedet wird, erhält die Bundesrepublik endlich ein Gesetz, das internationalen Mindeststandards entspricht.", so die Flüchtlings-Expertin von amnesty international, Julia Duchrow. Insgesamt werde das Gesetz aber die Regelungen für eine moderne Arbeitsmigration und eine nachhaltige Integration an den Rand drängen.
Die Organisation bemängelt außerdem, dass die Regierung mit dem Zuwanderungsgesetz die Chance verpasst habe, rechtliche Probleme im Zusammenhang mit dem Flughafenverfahren und der Abschiebungshaft zu lösen. "Anders als angekündigt, wird die Praxis der Kettenduldungen nur teilweise abgeschafft", so Duchrow.
Als positiv bewerten die Menschenrechtler die in dem Kompromiss vorgesehenen Verbesserungen für Flüchtlinge. In Zukunft könnten in Deutschland auch Menschen aus Staaten wie Somalia, in denen keine Staatsgewalt herrsche, Abschiebungsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Auch die Regelung zum Schutz vor geschlechtspezifischer Verfolgung werde zu einer deutlichen Verbesserung der Rechtslage führen, insbesondere für Frauen, die vor Genitalverstümmelung fliehen würden.
Am 18-06-2004
Innenminister
Während sich im Rahmen der Interkulturellen Woche Kirchen, Verbände, Flüchtlingsorganisationen und Gewerkschaften für eine Politik der Integration einsetzen, erhebt Bundesinnenminister Otto Schily die Politik der Desintegration zum Programm. An Schilys Veto scheiterte am vergangenen Mittwoch, wie jetzt bekannt wurde, die Verabschiedung der beiden Ausführungsverordnungen zum Zuwanderungsgesetz, die den Arbeitsmarktzugang von Ausländern regeln sollen. "Ein unbefristetes Arbeitsverbot verstößt gegen die Menschenwürde und degradiert die Geduldeten zu bloßen Objekten staatlichen Handelns," kritisiert Marei Pelzer von PRO ASYL.
Schily will nun durchsetzen, dass Geduldete einem dauerhaften vollständigen Arbeitsverbot unterliegen. Arbeitsverbote sind mit einer rationalen Arbeitmarktpolitik nicht vereinbar. Ohnehin sollten Geduldete - wie bisher - nur einen nachrangigen Arbeitmarktzugang haben. Für sie besteht nur dann eine Chance auf einen Arbeitsplatz, wenn sich für die freie Stelle kein Deutscher oder EU-Bürger findet. Das verantwortliche Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte in der Beschäftigungsverordnung/Inland u.a. einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt für Geduldete vorgesehen. Dies entspricht der geltenden Rechtslage. Bereits die bisherige Regelung ist eine Diskriminierung, die dauerhaft hier lebenden Menschen die eigene Existenzsicherung oftmals unmöglich macht.
Von den 230.000 Geduldeten leben 150.000 schon länger als fünf Jahre in Deutschland. Ein Großteil der Betroffenen wird auch nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Zustand der Kettenduldungen bleiben, da die gesetzlichen Hürden für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sehr hoch sind. Nach Einschätzung von PRO ASYL wird das von Schily geforderte Arbeitsverbot nicht nur eine kleine Gruppe treffen, sondern würde zu einer dauerhaften Ausgrenzung tausender Geduldeter führen.
Während für Asylbewerber, die sich im Asylverfahren befinden, der Arbeitsmarktzugang im Zuwanderungsgesetz geregelt wurde, sind die Geduldeten darauf angewiesen, dass die Beschäftigungsverordnung Ihnen eine Chance auf eine Beschäftigung eröffnet. Der Beschäftigungsverordnung/Inland muss der Bundesrat nicht zustimmen. Obwohl die Bundesregierung ohne die Opposition handeln könnte, torpediert Schily den bereits zwischen den Ministerien abgestimmten Verordnungsentwurf.
PRO ASYL fordert Bundeswirtschaftsminister Clement auf, dem Konflikt nicht auf Kosten der Betroffenen aus dem Weg zu gehen. Geduldete dürften nicht dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Bei denjenigen, die nach mehreren Jahren Aufenthalt in Deutschland einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang erhalten, müssten die Duldungszeiten angerechnet werden, wie es der Verordnungsentwurf aus dem Haus Clement vorsieht.
Am 27-09-2004