Gleichzeitig spricht sich die CDU gegen eine Abschaffung des Grundrechts auf Asyl aus und verzichtet auf den umstrittenen Begriff der "deutschen Leitkultur". Schon vor dem Parteitag hatte die CDU-Führung auf Druck der Basis ihr ursprüngliches Konzept in der Frage der Zuwanderung von Arbeitskräften verschärft. Diese sollen nun schon bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschkenntnisse nachweisen.
Zuwanderung
- Zuwanderung wird kontrovers diskutiert
- Zuwanderung in Deutschland: Großzügigerer Familiennachzug gefordert
- Regierungskomission empfiehlt 50.000 Zuwanderer pro Jahr
- SPD-Fraktion mit Konzept, Forscher mit Warnung vor Wahlkampfthema
- Evangelische Kirche: Integration kostet auch Geld
- Rot-grüne Koalition streitet weiter um Zuwanderung
- Menschenrechtler warnen vor Restriktionen bei Zuwanderungsregelung
- Keskin sieht türkische Zuwanderung als Erfolgsgeschichte
- Deutschland vergab im letzten Jahr 10.000 Green Cards an Informatiker
- Union fordert Entgegenkommen der Regierung
- Zoff um Zuwanderung ohne Ende
- Neues Gesetz nächste Woche im Bundestag
- Bundestag beschloss Zuwanderungsgesetz
- Über das Zuwanderungsgesetz entscheidet das Bundesverfassungsgericht
Am 07-06-2001
Arbeitsmarkt
Die Frage der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte nach Deutschland wird weiter kontrovers diskutiert. Während die Bundesanstalt für Arbeit eine Überforderung des deutschen Arbeitsmarktes verhindern will, plädiert die Wirtschaft dafür, qualifizierte Fachleute nach Bedarf ins Land zu holen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit kamen über die Green-Card-Aktion bislang knapp 8.000 ausländische Computerspezialisten nach Deutschland. Behörden-Präsident Bernhard Jagoda sagte, er rechne damit, dass deren Zahl noch in diesem Jahr auf 10.000 Fachleute und im Jahr 2002 auf 20.000 Fachkräfte anwachsen werde.
Zuwanderung gehe angesichts der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland nicht ohne Akzeptanz bei der Bevölkerung. Jagoda sagte, zuerst müsse das inländische Arbeitskräftepotenzial beschäftigt werden, bevor Arbeitskräfte in großer Zahl ins Land geholt würden. Damit dies möglich werde, sei auf der einen Seite mehr Wirtschaftswachstum, auf der anderen Seite noch größere Investitionen in die Qualifikation der Arbeitssuchenden nötig.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte dagegen: "Ich halte es für falsch, wenn wir mit der Begründung der zu hohen Arbeitslosigkeit nur sehr bescheidene Kontingente für arbeitsmarktbezogene Zuwanderung öffnen." Hundt sagte, die Beschäftigungschancen in Deutschland hingen entscheidend von einem ausreichenden Angebot qualifizierter Arbeitskräfte ab. Dazu könne und müsse eine Zuwanderung, die sich flexibel am Bedarf des Arbeitsmarktes in Deutschland orientiere, einen wichtigen Beitrag leisten.
Vor allem der sich durch die demografische Entwicklung verschärfende Fachkräftemangel schwäche die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und verursache Wachstumsverluste. Die Gefahr sozialer Konflikte zwischen Arbeitslosen und Zuwanderern sieht Hundt nicht. Voraussetzung sei jedoch, dass die Zuwanderung exakt gesteuert werde. Daneben müsse durch eine "aktivierende Arbeitsmarktpolitik" Erwerbslosen schneller zu einem Job verholfen werden, verlangte Hundt.
Jagoda sagte, in der IT-Branche hätten sich die von den deutschen Arbeitsämtern initiierten Fortbildungsprogramme ausgezahlt. Im Jahr kämen rund 40.000 Absolventen von Qualifizierungsmaßnahmen auf den Markt. Auch die ersten in Firmen ausgebildeten IT-Fachkräfte hätten inzwischen ihre Abschlussprüfungen hinter sich. Jagoda betonte, die IT-Branche wachse zwar weiter, allerdings nicht so rasant wie in den letzten Jahren.
Am 15-06-2001
Türkische Gemeinde
Großzügigere Regelungen beim Familiennachzug fordert der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin. Deutschland dürfe sich innerhalb der EU nicht weiter isolieren. Das drohe, wenn die bereits sehr engen Bestimmungen mit der Zuwanderungsdebatte nun noch weiter verschärft würden. Statt dessen solle die Bundesregierung der EU-Empfehlung folgen, wonach neben Ehegatten und kleinen Kindern auch Kindern über 16 Jahren sowie deren Großeltern die Einwanderung erlaubt werden solle.
Keskin unterstützte die Position der großen Parteien, in der Zuwanderungsdebatte zunächst stärker auf die Qualifikation und Integration der bereits hier Lebenden zu setzen. Das sei angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen gerade auch unter Ausländern als einen "sehr wichtigen und richtigen Ansatz". Zudem schätze er die Bereitschaft in der deutschen Bevölkerung, weitere Ausländer aufzunehmen, momentan als gering ein. Daher sei es nun wichtig, die Menschen durch sachliche Information für die Notwendigkeit von Zuwanderung zu sensibilisieren, betonte Keskin.
Die momentane Ausrichtung der Debatte auf deutsche Wirtschaftsinteressen hält Keskin für gleichermaßen legitim und problematisch. Die Wirtschaft dränge natürlich "zu Recht" darauf, dass ihr Bedarf an Fachkräften möglichst umgehend gedeckt werde und nicht erst, wenn durch Ausbildung das inländische Potenzial an Arbeitskräften für solche Posten zur Verfügung stehe. Er sehe aber auch die Gefahr, dass bei dieser Diskussion humanitäre Aspekte vergessen werden. Keinesfalls dürften etwa die Armutsflüchtlinge ausgeklammert werden, betonte Keskin.
Am 03-07-2001
Zuwanderungsbericht übergeben
Die Leiterin der unabhängigen Kommission, die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), übergab am Mittwoch in Berlin den knapp 300 Seiten starken Bericht an Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Der Bericht trägt den Titel "Zuwanderung gestalten - Integration fördern" und definiert Deutschland als Einwanderungsland. Die Kommission will zunächst rund 50.000 ausländische Arbeitskräfte pro Jahr einwandern lassen. Das Grundrecht auf Asyl soll nicht angetastet werden. Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung werden in dem Bericht zwar für schutzwürdig erklärt, eine konkrete Empfehlung zur Ausweitung des Asylrechts bleibt jedoch aus.
Die von Schily berufene 21-köpfige Kommission hat seit ihrer Konstituierung am 12. September vergangenen Jahres an ihren Vorschlägen gearbeitet. In der Zwischenzeit haben bereits alle Parteien mit Ausnahme der SPD eigene Konzepte vorgelegt. Die Sozialdemokraten wollen ihr Papier in Abstimmung mit dem Süssmuth-Papier am Freitag in der Fraktion und am Montag im Parteivorstand beschließen.
Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), warnte im Deutschlandfunk davor, die Zuwanderung zum Wahlkampfthema zu machen. Die Versuchung sei groß, doch sie glaube, dass sich die Parteien ihrer Verantwortung bewusst seien. Nur wenn die Notwendigkeit der Zuwanderung von den großen Volksparteien sachlich vermittelt werde, werde auch die Bevölkerung mitziehen. Der Europarat hatte Deutschland in einem Bericht Rassismus und Ausländerdiskriminierung vorgeworfen und schärfere Gesetze gefordert. Marieluise Beck begrüßte den Bericht des Europarates. Er sei zwar "unangenehm", doch nur ein Spiegel dessen, was seit vergangenem Jahr in Deutschland diskutiert werde, sagte Beck im Deutschlandfunk. Die Empfehlungen zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit seien brauchbare Vorschläge. Bundesinnenminister Schily hatte den Bericht als unzutreffend zurückgewiesen.
Führende Politiker von CDU und CSU bezeichneten das am Mittwoch in Berlin vorgestellte Konzept als ungenügend und "in seiner Gesamtheit aus Sicht der Union nicht zustimmungsfähig". Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kündigte dagegen an, die Bundesregierung werde auf der Grundlage des Berichts umgehend ihre Vorstellungen formulieren. Bis zum Jahresende könnte dann ein Gesetz verabschiedet werden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zeigte sich zuversichtlich, dafür eine breite Zustimmung im Parlament zu bekommen. Dem Bundestag soll noch im September ein abgestimmter Gesetzentwurf der Bundesregierung zugeleitet werden. Bis Jahresende werde in Deutschland das "modernste Zuwanderungsrecht" Europas geschaffen. Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen forderten die Union auf, sich einem solchen Konsens nicht zu verweigern. Auch Bundespräsident Johannes Rau appellierte an die Parteien, sich um Gemeinsamkeiten zu bemühen.
Am 04-07-2001
Zuwanderung
Als letzte der Bundestagsparteien hat die SPD ihr Zuwanderungskonzept beschlossen. In einer Sondersitzung einigte sich die SPD-Fraktion am Freitagmorgen in Berlin auf ein Eckpunktepapier mit dem Titel "Steuerung, Integration, innerer Friede". Die SPD plädiert dafür, zunächst höchstqualifizierte Ausländer anzuwerben. Wie auch die Regierungskommission unter Leitung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth wollen die Sozialdemokraten die Auswahl über ein Punktesystem regeln. SPD-Fraktionschef Peter Struck nannte das Papier "eine ausgezeichnete Grundlage auch für die Verhandlungen mit der Opposition".
Die SPD-Eckpunkte seien "weitgehend identisch" mit den Empfehlungen der Süssmuth-Kommission, unterstrich Struck. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel bekräftigte seine ablehnende Haltung zu dem am Mittwoch vorgelegten Süssmuth-Papier. "Wir wollen das Thema Asyl in die Einwanderung einbeziehen", betonte Goppel. Dies wird von der Süssmuth-Kommission und von der SPD-Fraktion abgelehnt.
Führende Meinungsforscher warnten davor, das Thema Zuwanderung und Integration von Ausländern im Bundestagswahlkampf zu instrumentalisieren. Es sei "gefährlich, wenn man bei diesem Thema allzu deutlich mit dem Feuer spielt", sagte Manfred Hilmer vom Berliner Meinungsforschungsinstitut infratest dimap. Der Leiter der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, Dieter Roth, bestätigte, dass eine Zuwanderungsdebatte "tendenziell" eher den rechten Parteien helfen könne. Problematisch werde es dann, "wenn eine der beiden großen Parteien glaubt, Wähler am rechten Rand gewinnen zu können", stellte der Chef des Berliner forsa-Institutes, Manfred Güllner, fest.
Zwar spricht sich die SPD in ihrem Papier für eine Quote bei der Arbeitsmigration aus, nennt aber keine Zahl. Grundsätzlich will die SPD der Qualifikation von Inländern Vorrang vor Neuzuwanderung von Arbeitskräften einräumen. Ein Bedarf an jüngeren und gut ausgebildeten Menschen wird in der Vorlage ab spätestens 2010 gesehen. Das Konzept wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Vize-Fraktionsvorsitzenden Ludwig Stiegler vorgelegt. Am Montag will der SPD-Vorstand das Papier beschließen.
Laut ihrem Eckpunktepapier will die SPD-Fraktion den Schutz für Opfer geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung verbessern. Asylverfahren sollen gestrafft werden, an der grundgesetzlich verankerten Rechtswegegarantie will die SPD aber nicht rütteln. Das Nachzugalter für Familienangehörige soll nach bisherigen SPD-Plänen von derzeit 16 auf 18 Jahre heraufgesetzt werden. Die vielen verschiedenen Rechtstitel im Ausländerrecht sollen durch drei Kategorien ersetzt werden: Duldung für maximal ein Jahr, befristete und unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Am 06-07-2001
Zuwanderung
Die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen ist nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, Prüfstein für die gesamte deutsche Zuwanderungspolitik. Die Gesellschaft müsse wissen, was auf dem Spiel stehe, sagte Kock am Mittwoch im Südwestrundfunk (SWR). Wer Ausländer ins Land lasse oder sogar "rein lockt", weil man sie brauche, der müsse auch etwas für deren Integration tun und bereit sein, dafür zu zahlen. Wer den Nutzen von Zuwanderung haben, dafür aber nichts zahlen wolle, der handle geradezu "bigott".
Jenseits aller Nützlichkeitserwägungen aber müsse der Gesellschaft immer bewusst sein, dass die Zuwanderer nicht nur als "Rädchen im Getriebe einer Arbeitswelt" hierher kämen. Wenn es nicht gelinge, sie wirklich als Menschen zu betrachten, dann werde auch die Integration nicht funktionieren. In diesem Zusammenhang betonte der EKD-Ratsvorsitzende, er sei optimistisch, dass es zu einem Konsens der Parteien über die Zuwanderung kommen werde. Das Konzept der Süssmuth-Kommission sei eine gute Basis für eine seriöse Diskussion.
Am 11-07-2001
Zuwanderung
Die rot-grüne Koalition ringt weiter um einen Kompromiss bei der Zuwanderung. Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller sagte, der Entwurf von Bundesinnenminister Otto Schily habe nach wie vor "viele Mängel".
Ihre Partei wolle keine humanitären Verschlechterungen für Flüchtlinge. Das Innenministerium dementierte Gerüchte, die Verhandlungen seien ins Stocken geraten. Noch in dieser Woche werde es weitere Gespräche geben.
Schily wolle möglichst schnell den Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen, sagte eine Sprecherin. Einen festen Termin nannte sie nicht.
Am 15-10-2001
Zuwanderung
Menschenrechtsorganisationen befürchten zusätzliche Restriktionen bei der Zuwanderungsregelung durch die aktuellen Anti-Terror-Maßnahmen. Eine Zuwanderungsregelung würde durch sicherheitsolitische Verschärfung ad absurdum geführt, sagte der stellvertretende Vorsitzende von Aktioncourage, Gerd Pflaumer.
Es sei nicht einzusehen, dass die Debatte um ein Zuwanderungsgesetz plötzlich von Maßnahmen zur Terrorbekämpfung derart überschattet werde. Seine Organisation habe den Ansatz des Zuwanderungskonzepts der rot-grünen Koalition trotz mancher Kritikpunkte immer als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Doch unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September könnten strittige Fragen wie der Schutz von Flüchtlingen bei nichtstaatlicher Verfolgung oder die Frage des Familiennachzugs gar nicht mehr zur Diskussion stehen, befürchtet Pflaumer. Und selbst die Migranten, die schließlich ins Land kämen, müssten sich künftig viel umfassenderen Überprüfungen unterziehen.
Auf die Grünen als parlamentarische Lobby für Flüchtlinge vertraut Pflaumer nicht mehr. Sie seien zwar immer die letzte parlamentarische Hoffnung gewesen, aber in der gegenwärtigen Situation zu schwach, um sich in der Koalition gegen Bundesinnenminister Otto Schily und Kanzler Gerhard Schröder durchsetzen zu können, sagte Pflaumer.
Aktioncourage wurde 1992 von Bürgerinitiativen, Menschenrechtsgruppen, Vereinen und Einzelpersonen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und politischen Lagern als Reaktion auf rassistische Anschläge in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock gegründet. Im Bundesgebiet haben sich nach Angaben der Initiative inzwischen über 60 lokale und regionale Organisationen der Aktioncourage angeschlossen.
Am 25-10-2001
Integration
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin, wertet die 40-jährige Gastarbeitergeschichte seiner Landsleute in der Bundesrepublik insgesamt als Erfolg. Keskin sagte im Deutschlandfunk, die Anwerbung türkischer Arbeitnehmer und die Integration der Türken in Deutschland könne alles in allem positiv gesehen werden. Es gebe allerdings auch Probleme. So seien die Türken in Deutschland nach wie vor nicht gleichberechtigt.
Keskin, der selbst seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, erinnerte daran, dass heute rund 2,5 Millionen Türken in Deutschland eine neue Heimat gefunden hätten. In deutschen Schulen würden mehr als eine halbe Million türkische Kinder unterrichtet. Außerdem gebe es hierzulande rund 60.000 selbstständige türkische Unternehmer. Insofern könne durchaus von einem harmonischen, wenn auch nicht von einem gleichberechtigten Leben der Türken in Deutschland gesprochen werden.
Vor genau 40 Jahren, am 30. Oktober 1961, hatten die Bundesrepublik und die Türkei ein Abkommen über die Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach Deutschland beschlossen.
Am 30-10-2001
Zuwanderung
Mehr als 10.000 ausländische Computerspezialisten in Deutschland sind mittlerweile im Besitz einer Green Card. Wie die Bundesanstalt für Arbeit am Mittwoch in Nürnberg mitteilte, wurden bis Ende vergangener Woche 10.054 Arbeitserlaubnisse für IT-Fachkräfte aus dem Ausland vergeben. Aus den osteuropäischen Staaten einschließlich Russlands kommen mehr als 4.200 Green-Card-Inhaber. Die größte Gruppe aus einem einzelnen Land stellen die Inder mit 2.130 Arbeitserlaubnissen.
Das Bundeskabinett befasste sich am Mittwoch in Berlin mit dem Stand und weiteren Verlauf der Green-Card-Initiative. Im Anschluss an die Kabinettsberatungen soll die Bundesanstalt für Arbeit beauftragt werden, Arbeitsgenehmigungen für eine zweite Gruppe von weiteren 10.000 Fachkräften zu erteilen. Die Green-Card-Regelung geht zurück auf eine Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vom Frühjahr 2000. Ziel ist es, dem Fachkräftemangel im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologien (IT) entgegenzuwirken.
Seit 1. August vergangenen Jahres können ausländische IT-Spezialisten in Deutschland eine Green Card bekommen. Voraussetzung für die auf fünf Jahre befristete Green Card ist ein Hochschul- oder Fachhochschulabschluss in einem IT-Studiengang. Alternativ reicht eine Zusage des Arbeitsgebers über ein Bruttogehalt von 100.000 Mark im Jahr.
Am 31-10-2001
Zuwanderungsstreit
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, ein Knackpunkt sei das Nachzugsalter für Kinder, deren Eltern nach Deutschland kommen. Hier gebe es eine klare Linie der Union, wonach diese Kinder spätestens bis zum 10. Lebensjahr nachfolgen müssen. Merz wies Kritik zurück, wonach ein so begrenztes Nachzugsalter die betreffenden Familien, die nach Deutschland einwandern, zerreißen würde. Der CDU-Politiker sagte, wenn Familien nicht "im Verbund" kämen, sondern die Eltern getrennt von den Kindern, finde das Auseinanderreißen der Familie bereits im Heimatland der Familie statt. Die Kinder müssten so früh wie möglich nachkommen, weil sonst eine Integration nicht mehr möglich sei. Er selbst sehe das 10. Lebensjahr als "absolute Obergrenze" an, besser wäre ein Nachzugsalter bei Kindern von weniger als 10 Jahren, sagte er.
Merz schloss nicht aus, dass die Zuwanderung zum Wahlkampfthema im nächsten Jahr werden könnte. Es hänge von der Bundesregierung ab, ob es noch zu einer Einigung komme. Das Nachzugsalter für Kinder sei dabei ein Thema, die "Zuwanderung in Sozialsysteme" ein anderes. Die Union habe insgesamt 79 Änderungsanträge am Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ausformuliert. Wenn die Regierung "dem Kern" der Anträge folge, werde es eine Einigung geben. Falls jedoch die Koalition ihre Vorstellungen einer "signifikanten Ausweitung der Zuwanderung" durchsetzen wolle, werde das Thema auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. Es reiche nicht aus, das Wort "Begrenzung" in den Gesetzestitel zu schreiben, wenn im Gesetz das Gegenteil stehe.
Am 12-12-2001
Delikates Wahlkampfthema
Die Chancen für eine Lösung im Streit um die Zuwanderung schwinden trotz erneuter Beteuerungen zu Kompromissbereitschaft seitens der Grünen und der CSU. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte am Wochenende, die Grünen seien verhandlungsbereit, allerdings dürften die "Kernpunkte" des rot-grünen Gesetzentwurfs nicht "rausverhandelt" werden. Dazu zählte sie die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung und das Nachzugsalter von ausländischen Kindern. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, die CSU wolle ein Gesetz "zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung" zu Stande bringen, notwendig seien aber massive Veränderungen am rot-grünen Konzept.
Beckstein drohte der SPD damit, "dass das Thema im Wahlkampf eine Rolle spielt", sollte es mit den Stimmen Brandenburgs im Bundesrat zu einem "Gesetz zur Erweiterung der Zuwanderung" kommen. Die Bundesregierung ist in der Länderkammer Anfang März auf die Zustimmung zu ihrem Gesetzentwurf aus Ländern angewiesen, in denen die CDU mitregiert. Große Hoffnungen setzt Rot-Grün auf die Große Koalition in Brandenburg.
Nach Einschätzung des Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, sind die Chancen für eine Einigung "eher gering". Vor einem Gespräch mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in der kommenden Woche beharrte Glos darauf, dass es "keine Zuwanderung in unsere Sozialversicherungssysteme geben" dürfe.
SPD-Fraktionschef Peter Struck unterstrich, mit dem von Rot-Grün geplanten Gesetz werde es "keine Zuwanderung zu Lasten von Arbeitssuchenden geben, sondern nur im Bereich der Hochqualifizierten, bei denen wir uns in einem Wettlauf mit allen anderen Industrienationen befinden".
Grünen-Innenexperte Cem Özdemir sagte, es gebe "keinen Spielraum" mehr für Änderungen. "Der vorliegende Entwurf ist bereits ein Konsensvorschlag. Es hat keinen Sinn, einen Kompromiss über einen Kompromiss zu machen." Roth unterstrich, beim Nachzugsalter hätten sich die Grünen bereits bewegt. Das "Recht auf Familie", für das sich Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) stets stark mache, gelte nicht nur für Deutsche, sondern auch für Ausländer.
Roth warnte die CDU/CSU eindringlich vor einem Wahlkampf "auf Kosten von Migranten und Flüchtlingen". So sei es unverantwortlich, wenn Unions-Politiker versuchten, Arbeitslose gegen Zuwanderer auszuspielen. Auch die Wirtschaft habe schließlich deutlich gemacht, dass "mit Einwanderung neue Arbeitsplätze entstehen".
Am 20-01-2002
Zuwanderung
Das umstrittenen Zuwanderungsgesetz soll nach dem Willen der Koalition bereits in der kommenden Woche im Bundestag verabschiedet werden. Damit könne sich der Bundesrat am 22. März mit dem Thema befassen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, am Mittwoch in Berlin. Angesichts der starren Haltung der Union bei den Konsensgesprächen sei ein Kompromiss ohnehin erst im Vermittlungsausschuss möglich.
"Höchstwahrscheinlich ist der Vermittlungsausschuss die letzte Chance, einen Wahlkampfschlager Zuwanderung zu verhindern", sagte Schmidt. Bei einer Einigung im Vermittlungsausschuss könnte der Bundestag bereits Ende April das Ergebnis bestätigen. Kritik an diesem engen Zeitplan wies Schmidt zurück. Es mache in einem Wahlkampfjahr keinen Sinn, ein solches Thema "über Monate" weiter schmoren zu lassen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kritisiert die Union für ihre Haltung in der Zuwanderungsdebatte in scharfer Form. Wer durch "immer neue Verzögerungstaktiken und unsinnige öffentliche Erklärungen" versuche, den Prozess aufzuhalten, der werde damit nicht durchkommen, sagte Schröder am Mittwoch auf einem SPD-Kongress in Berlin. Dieses Gesetz werde den "humanitären Wertvorstellungen" und dem Bedarf der Gesellschaft an Internationalität entsprechen. Dabei gehe es letztlich um ein Stück Zukunftsfähigkeit in Deutschland. Im weiteren Verfahren könne die Opposition dann entweder ihre Zustimmung geben oder vernünftige Veränderungen anregen, "über die man reden kann und reden wird", sagte der Kanzler weiter.
Am 20-02-2002
Zustimmungsbedürftig
Der Bundestag hat mit der Stimmenmehrheit von SPD und Grünen das Zuwanderungsgesetz beschlossen. CDU/CSU und PDS votierten am Freitag nahezu geschlossen gegen die Vorlage der rot-grünen Koalition, die FDP enthielt sich. In namentlicher Abstimmung stimmten 321 Parlamentarier für das Gesetz und 225 dagegen, 41 Abgeordnete enthielten sich. Wirksam werden kann das Gesetz erst, wenn am 22. März der Bundesrat zustimmt. Hier ist die Bundesregierung auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen CDU oder PDS mitregieren. Eine Mehrheit in der Länderkammer ist ungewiss. Das Zuwanderungsgesetz liegt ganz im Interesse der Wirtschaft, die damit die Hoffnung auf billige Arbeitskräfte aus dem Ausland verbindet.
Führende Wirtschaftsvertreter forderten vor der Bundestagsabstimmung von den Parteien eine rasche Einigung über das Zuwanderungsgesetz. Der Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, richtete einen eindringlichen Appell an die Parteien, sich noch vor der Bundestagswahl auf ein Zuwanderungsgesetz zu verständigen. "Ich kann die Union nur dazu auffordern, das Gesetz der Bundesregierung nicht zu blockieren", mahnte Henkel in der "Berliner Zeitung".
Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), warf der Union vor, in der Bevölkerung die Angst vor einer massenhaften Einwanderung zu schüren. Solche Darstellungen seien schlicht falsch. Anfang der 90er Jahre seien 1,2 Millionen Menschen pro Jahr nach Deutschland zugewandert, Ende der 90er Jahre seien es 900 000 gewesen, sagt Beck. "Im letzten Jahr sind davon 86 000 Ausländer in Deutschland geblieben. Das ist wahrlich keine Zahl, die uns beunruhigen könnte", appelliert sie an die Union.
Hier die Kernpunkte des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und die Kritik der Union:
ARBEITSMIGRATION: Laut Gesetzentwurf haben Deutsche und bereits hier lebende Ausländer bei der Arbeitsplatzvergabe Vorrang vor der Anwerbung von Kräften aus dem Ausland. Vor der Erteilung einer Arbeitserlaubnis müssen die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in ganz Deutschland geprüft werden. Davon unabhängig bekommen Hochqualifizierte ein Daueraufenthaltsrecht. Der Union ist die Bindung an nationale Interessen nicht strikt genug. Sie kritisiert, dass die Entscheidung den regionalen Arbeitsämtern überlassen werden soll.
ASYL: Asylverfahren werden beschleunigt. Die Duldung als Aufenthaltstitel wird abgeschafft. Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten kein Asyl, aber einen Abschiebeschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, das so genannte "kleine Asyl". Dieser Aufenthaltsstatus verfestigt sich nach drei Jahren - ein Kritikpunkt der Union, der das Gesetz hinsichtlich neuer Zuwanderungstatbestände zudem zu ungenau ist.
BEGRENZUNG: In Paragraf 1 des Gesetzentwurfes heißt es: "Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland." Damit kam die Regierungskoalition der Union entgegen. CDU und CSU kritisieren jedoch, dass das Gesetz in Wahrheit die Zuwanderung nicht begrenzt, sondern erheblich erweitere.
FAMILIENNACHZUG: Die Koalition will das Nachzugsalter für Kinder in Deutschland lebender Ausländern von derzeit 16 auf 12 Jahre senken. CDU und CSU fordern in ihrem gemeinsamen Papier maximal 10 Jahre und bemängeln am Regierungsentwurf zudem, dass das Nachzugshöchstalter durch Ausnahmebestimmungen faktisch auf 18 Jahre angehoben werde.
HÄRTEFALLREGELUNG: Der jüngste Entwurf sieht vor, dass eine Aufenthaltserlaubnis ohne sonstige Gründe erteilt werden kann, "wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen". Diese Formulierung ist der Union zu ungenau.
INTEGRATION: Im Gesetzentwurf sind Deutschkurse und eine Einführung in deutsche Geschichte, Kultur und das Rechtssystem vorgesehen. Die Kosten sollen sich Bund und Länder teilen, einen "angemessenen Beitrag" sollen auch die Zuwanderer selbst zahlen. Der Union fehlen Sanktionen gegen Zuwanderer, die an den Kursen aus eigenem Verschulden nicht teilnehmen. Auch seien von den Ländern gewünschte Verbesserungen bei der Aufteilung der Kosten nicht erfolgt.
Am 01-03-2002
Eklat im Bundesrat
Über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz könnte letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bei der entscheidenden Abstimmung der Länderkammer über das Gesetz hatte Brandenburgs Arbeitsminister Alwin Ziel (SPD) mit Ja votiert, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dagegen mit Nein. Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) wertete nach Nachfrage bei Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) das Votum Brandenburgs als Zustimmung und stellte fest, dass das Gesetz damit die erforderliche Mehrheit gefunden habe. Nach Auffassung der Union sind die Stimmen Brandenburgs jedoch ungültig, da laut Grundgesetz jedes Bundesland seine Stimmen einheitlich abgeben muss. Pro Asyl warnte, die Bundesratsentscheidung dürfe nicht der Startschuss für einen fremdenfeindlichen Wahlkampf sein.
Das umstrittene Gesetz sei in großen Teilen restriktiv gefasst. Auch weiterhin dominiere in zentralen Bereichen die Doktrin eines Ausländerrechtes als Gefahren- und Fremdenabwehrrecht. Von einer zukunftsträchtigen Reformidee von weitreichender gesellschaftlicher Bedeutung sei es zu einem halbherzigen Projekt hin degeneriert. Das politische Gezerre zeige, dass Parteiinteressen und Wahltaktik Vorrang vor Sachfragen hätten.
Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) sprach nach der Abstimmung von einer "Verfassungskrise". Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) betonte dagegen, Wowereit habe sich "absolut korrekt verhalten". Die Frage, wie im Fall einer gesplitteten Stimmenabgabe im Bundesrat zu verfahren ist, ist auch in der Rechtswissenschaft umstritten. Letztlich entscheiden wird wohl das Bundesverfassungsgericht. Die Abstimmungssituation weist Parallelen zu einem Vorgang von 1949 auf. Damals hatten zwei nordrhein-westfälische Landesminister bei einer Bundesratsabstimmung gegensätzlich votiert. Der damalige Bundesratspräsident Karl Arnold (CDU), der auch NRW-Regierungschef war, ergriff daraufhin die Initiative und stimmte der Novelle zu.
Im Bundesrat zog die umstrittene Entscheidung einen massiven Eklat nach sich. Die Vertreter der unionsgeführten Länder verließen aus Protest die Sitzung, nachdem ihre Forderung nach einer Vertagung der Beratungen gescheitert war. Zuvor bekräftigte Wowereit, dass es bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses keinen Fehler gegeben habe.
Nach der Abstimmung über das vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetz hatte die Länderkammer ihre Sitzung zunächst für eine dreiviertel Stunde unterbrochen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) beantragte anschließend namens der unionsgeführten Länder, die Feststellung des Abstimmungsverhaltens zum Zuwanderungsgesetz zu korrigieren. Dieses sei "offensichtlich verfassungswidrig", sagte Koch. Das unterschiedliche Abstimmungsverhalten Brandenburgs sei "nicht korrekt aufgenommen" worden.
Koch äußerte die Erwartung, dass Bundespräsident Johannes Rau das "nicht ordnungsgemäß zu Stande" gekommene Gesetz nicht unterzeichnen werde. Die Prüfung des Zuwanderungsgesetzes durch Bundespräsident Johannes Rau kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Während bei vielen Gesetzen die Prüfung binnen einer Woche abgeschlossen sei, habe es beim ebenfalls umstrittenen Lebenspartnerschaftsgesetz rund sechs Wochen gedauert, nannte ein Sprecher Raus als Vergleichsbeispiel. Der Bundespräsident könne dabei neben den hauseigenen Juristen auch externe Gutachter zu Rate ziehen. Falls Rau feststelle, dass das Gesetz nicht verfassungsgemäß beschlossen worden sei, werde es Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zurücküberwiesen, sagte der Sprecher.
Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe räumte den Bruch des Koalitionsvertrages mit der CDU ein. Er kündigte seine Bereitschaft an, im Potsdamer Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, "um einen Neuanfang zu ermöglichen". Zugleich betonte Stolpe, er sei "fest entschlossen", für die Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition zu werben.
Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl warnte vor einer Stimmungsmache im Wahlkampf. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus erhielten dadurch neue Nahrung. Wer polarisiere, sei mitverantwortlich für die rassistischen Angriffe gegen Flüchtlinge und Fremde in Deutschland.
Am 22-03-2002