Bundesagentur Rückblende
Zuletzt hatten zwei Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler "in einer Studie erklärt", der derzeitige "Hartz IV"-Regelsatz von 351 Euro pro Monat sei eher zu hoch.
Weise sagte, die Zahl der Missbrauchsfälle beim Arbeitslosengeld II gehe zurück. "Seit Januar 2007 haben wir rund 100.000 nachgewiesene Missbrauchsfälle im Bereich 'Hartz IV', sagte er. Gut 20.000 davon seien wegen des Verdachts einer Straftat an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
"Bei über sieben Millionen Menschen, die derzeit Hartz IV beziehen, reden wir also über eine Größenordnung des Missbrauchs von einem Prozent", sagte Weise. Wo es notwendig sei, kontrolliere die Bundesagentur mehr. "Aber wir wollen keine Polizeibehörde werden", so Weise und ergänzt ganz führsorglich: "Im Vordergrund unserer Arbeit steht die Hilfe, nicht der Betrugsverdacht."
Bundesagentur erhöht Druck auf Langzeitarbeitslose
Arbeitslose "nicht erreichbar"
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Kontrollen von Beziehern des Arbeitslosengeldes II verstärken. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums kündigte am Montag in Berlin an, dass die seit Juli laufenden stichprobenartigen Telefonate zur Erreichbarkeit der Leistungsempfänger ausgeweitet werden sollen. Die Sprecherin verwies darauf, dass eine "große Anzahl" von "Hartz IV"-Empfängern bei den bisherigen Telefonaten durch Call Center der Bundesagentur nicht erreichbar gewesen sei. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte die Telefon-Aktion scharf kritisiert. "Wesentliche datenschutzrechtliche Grundsätze" seien nicht berücksichtigt worden.
Zwar sei eine Nichterreichbarkeit noch kein Hinweis auf "Leistungsmissbrauch". Die Leistungsempfänger hätten jedoch "eine Mitwirkungspflicht", sagte eine Ministeriumssprecherin. Dazu gehöre, für Rückfragen der Bundesagentur zur Verfügung zu stehen.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) im August aufgefordert, die Befragung von Empfängern von Arbeitslosengeld II durch ein privates Call-Center sofort zu stoppen, bis die Betroffenen vorab schriftlich über die geplanten Anrufe informiert wurden. Offizielle Ziel der Befragung von 1,2 Millionen Betroffenen sollte es sein, die bei der BA gespeicherten Daten im Gespräch mit den Betroffenen abzugleichen und weitere Vermittlungsaktivitäten vorzubereiten.
Bundesagentur: 170.000 Arbeitslose waren weder bei Vorstellungsgesprächen noch saßen sie neben dem Telefon
Der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, hatte am Montag im Deutschlandfunk gesagt, die Bundesagentur habe bei 390.000 Anrufen 170.000 Menschen nicht erreicht. "Da muss also wirklich nur ein sehr Naiver glauben, dass alle diese 170.000 gerade in Vorstellungsgesprächen waren", sagte Clever, der für die Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat der Agentur sitzt.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" geschätzt, dass rund 20 Prozent der Menschen, die das Arbeitslosengeld II beziehen, nicht anspruchsberechtigt seien. Nach Stichproben bezögen zehn Prozent derer, die zur Zeit ALG II erhielten, dieses zu Unrecht. Dazu kämen noch etwa 20 Prozent, die auf telefonische Anfragen eine Auskunft verweigerten.
Schwere Datenschutz-Kritik an Telefon-Aktion
Allerdings ist kein Empfänger von Arbeitslosengeld II verpflichtet, mit den Anrufern zu sprechen. Sie müssen zu Beginn des Gesprächs darauf sogar ausdrücklich hingewiesen werden - was allerdings häufig nicht geschehe, so Beschwerden von Betroffenen, die der Bundesdatenschutzbeauftragte der Arbeitsagentur vorhielt.
Der Datenschützer hatte kritisiert, dass die Befragung im Vorfeld nicht mit ihm abgestimmt worden sei, "so dass wesentliche datenschutzrechtliche Grundsätze nicht berücksichtigt wurden". Problematisch sei insbesondere, dass die Betroffenen vorher nicht schriftlich über die Befragung informiert würden. Schließlich sei offen, wie die Anrufer gegenüber den Betroffenen ihre Berechtigung zur Befragung nachweisen.
Schaar kritisierte, bei der Telefonaktion würden sensible Sozialdaten erhoben, die einem besonderen Schutz unterlägen. Eine Vorabinformation ermögliche es dem Betroffenen, sich nach gründlicher Abwägung für oder gegen eine Teilnahme zu entscheiden. Zudem würde hierdurch erschwert, dass sich "Trittbrettfahrer" unter Berufung auf die Telefonaktion der BA missbräuchlich Daten beschafften.
Am 24. Okt. 2005
Bundesagentur plant offenbar umfangreiche Befragung von Arbeitslosen
"Intim-Verhör"
Empfänger von Arbeitslosengeld II müssen sich künftig offenbar einer umfangreichen Befragung unterziehen. Wie die Zeitung "Bild am Sonntag" unter Berufung auf ein Fachkonzept der Bundesagentur berichtete, sollen Fallmanager in den Arbeitsagenturen alle Daten des "sozialen Geflechts" von Arbeitslosen erfragen. Dazu zählt die Bundesagentur Familienkonstellation, Freundschaften, Nachbarschaftskontakte, Vereinszugehörigkeit und Wohnsituation. Außerdem solle eine "Bewertung der Beziehungsstärke" zu den jeweiligen Personen ausgearbeitet werden, schrieb das Blatt.
Erfragt würden auch "Gesundheitsdaten" wie "gesundheitlicher Zustand, regelmäßige Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte". Auch die Belastbarkeit und "Frustrationstoleranz" der Betroffenen solle erfragt werden. Das Konzept werde zunächst in zwei Arbeitsagenturen erprobt.
Die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), kritisierte die Pläne. "Die Befragung der Arbeitslosen in diesem Umfang ist datenschutzrechtlich kaum vertretbar", sagte sie der Zeitung. Zwar seien bestimmte Auskünfte für den Fallmanager wichtig, um sich ein Bild über den Arbeitslosen zu machen. Das treffe aber nicht auf Daten über Freundschaften und Krankenhausaufenthalte zu. "Ich befürchte, dass sich diese erhobenen Daten bei der Beschaffung einer neuen Stelle sogar nachteilig für die Arbeitslosen auswirken können", sagte Sonntag-Wolgast.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, forderte: "Die Arbeitsagenturen sollten sich endlich um die Vermittlung der Arbeitslosen kümmern, statt sie zum Intim-Verhör zu bestellen."
Der Sprecher des Bundesbeauftragtes für den Datenschutz, Peter Büttgen, sagte der Zeitung, das Konzept müsse datenschutzrechtlich "nachgebessert" werden.
Am 23. Mai. 2005