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Gastbeitrag von Ulla Kastner

Italien Urlaub | Le Marche in Mittelitalien

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Das unbekannte Italien vorgestellt von der Reisführerin schafft es den Urlaub in Italien mit neuen und unbekannten Eindrücken zu beschreiben. Im Bild die Aussicht von der Cupra Marittima, Paese altoDie erste Reisewelle nach dem Krieg bewegte sich in Richtung Italien und so blieb für viele Jahre Italien das Reiseland Nummer 1. Mittlerweile kennt nahezu jeder zumindest ein Stück von Italien, die bevorzugten Reiseziele haben sich geändert und oft wird mehr auf einen vermeintlichen Superpreis geachtet und daher die Entscheidung getroffen, eben z.B. lieber in die Türkei zu reisen. Italien kennt man schließlich zur Genüge. Genau da aber beginnt der Irrtum. Denn es gibt in Italien Gegenden, die vollkommen unbeleckt vom Massentourismus geblieben sind, obwohl sie an Schönheit, Kultur, Kunstschätzen, Natur, erstklassigem Essen und Trinken sogar mehr zu bieten haben als die allseits bekannten Regionen wie beispielsweise die Toskana oder der Gardasee. Eines dieser wirklichen Kleinode ist die Region Le Marche in Mittelitalien. Eingedeutscht die Marken, ruft dies zunächst Verwirrung hervor, ob es sich vielleicht um eine Gegend an der Ostsee handele?


Kaum ein Deutscher kennt die Marken, und wer sie kennt schweigt bevorzugt darüber, schließlich will man sich ja sein Schatzkästchen erhalten. Allerdings waren sehr viele Touristen bereits in den Marken ohne es zu wissen, denn von Ancona, der Regionshauptstadt in den mittleren Marken, starten die Fähren Richtung Türkei und Griechenland. Wer sich Richtung Apulien bewegt durchfährt ebenso diese Region ohne es zu wissen.

Aber was ist denn hier so Besonderes, dass es lohnen würde seinen Urlaub in den Marken zu verbringen? Es lässt sich in einem Satz beantworten, der auch der Slogan der Region ist: ganz Italien in einer Region.

Es ist nicht die Ostsee sondern Italien....

Gelegen zwischen den bekannten Nachbarn Emilia Romagna nördlich und Abruzzo südlich, Toskana und Lazio an den Eckpunkten, haben es die Marken geschafft, weitestgehend unbekannt zu bleiben und den Massentourismus anderen zu überlassen. Es gab einfach keinen Grund, so wie in den anderen Regionen, dass man sich auf Biegen und Brechen Touristen ins Land holte, um überhaupt zu überleben. Die Wirtschaft in den Marken gehörte und gehört noch immer zu den besten Italiens. Bedingt durch die Tatsache, dass 85 % aller italienischen Schuhe und eine ebenso hohe Prozentzahl an Hüten aus den Marken kommen, die das Modegeschehen weltweit beeinflussen, verhält es sich beim Fischfang ähnlich. San Benedetto del Tronto, Insidern bekannt als Palmenriviera, ist der größte Fischereihafen an der Adria und der zweitgrößte Italiens.

Entspannung pur in wunderschöner Landschaft - Auf dem Weg in die Sibillinen über dem Tesino-Tal

Morgens Wandern, am Nachmittag baden gehen - Vielfalt pur

Wenn man sich nun die Landschaft der Marken ansieht, so bekommt man, vom Flugzeug aus betrachtet, den Eindruck, es handele sich um einen Fleckerlteppich. Auf 200 km vorwiedend Sandstrände, dann gleich hinter der flachen Küste geht die Landschaft in sanfte Hügel über, durchzogen von den Flussläufen des Tesino, Aso, Menocchia und vielen anderen, die alle in den Sibillinischen Bergen entspringen und im Meer münden. Und diese Bergwelt ist die grandiose Kulisse der südlichen Marken, die Monti Azzurri wie die Marchigiani sie liebevoll nennen, denn nur 65 km von der Meeresküste entfernt befindet sich der Gast im Hochgebirge. Mit mehr als 10 Gipfeln, die über 2000 m hoch sind und deren höchster Berg, der Monte Vettore, es immerhin auf 2476 m bringt, ist der Begriff Hochgebirge durchaus berechtigt.

Bandiera Blu - Wo Zeit keine Bedeutung hat

Das Kernstück, die Hügellandschaft, besticht jeden Besucher mit einer grenzenlosen Harmonie des Terrains. Wiesen wechseln ab mit Kornfeldern, Weinbergen und Olivenhainen, nicht festgelegt in gerade Abmessungen, nein, dreieckige Flächen, achteckige, längliche, wie auch immer, eben Patchwork.

Die kleinen Städtchen, die in den Marken schon als groß gelten, wenn sie 4000 Einwohner erreichen, haben sich alle ihr mittelalterliches Aussehen bewahrt, und ihr Ortskern ist original mittelalterlich geblieben. Nur eine einzige Stadt hat ihr historisches Zentrum eingebüßt, so dass nur noch ein Uhrturm erhalten blieb, San Benedetto del Tronto.

Alle Städtchen erheben sich stolz auf den Hügeln, meist umgeben von ihren Stadtmauern, immer mit weithin sichtbaren Glockentürmen und häufig Festungen, die wahre Bollwerke darstellen.

Die Städte direkt am Meer, die heute durch die Bandiera Blu (Auszeichnung für beste Wasserqualität) zu einem Badeurlaub einladen, sind nur der moderne Ableger der Städtchen, die den ursprünglichen Stadtkern bildeten, die Paesi alti, die hochgelegenen Orte über dem Meer. Betritt der Besucher diese Paesi alti, betritt er eine andere Welt.

Postkartenidylle live

Nichts scheint hier der Hektik der heutigen Zeit unterworfen. Vielmehr ist es so, als ob man sich zurücklehnt und das tun kann, was für viele ein Fremdwort ist, die Seele einfach baumeln lassen. Enge Gässchen, durch die ein SUV Gottlob nicht passt, viele romantische Winkel, die Bougainvillea, deren Zweige auf die Strasse hängen, der Jasmin, der in den Sommermonaten seinen betörenden Duft ausströmt, der weite Blick über das Meer auf der einen Seite und über die Hügel auf der anderen Seite, der Vollmond über dem Meer, der alles silbern strahlen lässt in den Vollmondnächten und die Fischerboote bei Nacht, die nur an ihren Lichtern auszumachen sind. Es ist unmöglich die Atmosphäre zu beschreiben, denn man muss es einfach mit allen Sinnen erleben. Jedes Foto ist nur unvollkommen, mag es noch so gut gelungen sein, aber es bringt den Betrachter nicht alle die Facetten, die nur die Realität möglich macht.

Blickt der Gast über das Kernstück, die Hügel, fallen sofort einige Dinge ins Auge, die aber die Charakteristika der Marken ausmachen. Plötzlich endet ein Feld in einer skurrilen Formation, Gebilden wie von Künstlern geschaffen, zackig, mal mehr mal weniger tief, die Calanchi. Diese weißen Erosionen sind das Markenzeichen im wahrsten Sinne des Wortes. Besonders im südlichen Teil der Marken sind sie häufig zu finden.

Dann die Felder selbst. Abgesehen von der ungeordneten Anordnung finden sich fast immer ein paar Olivenbäume inmitten der Anpflanzungen. Niemand käme auf die Idee, diese zu fällen, um die Ernte zu erleichtern, denn sie bilden einen Schutz gegen die Ausschwemmung des fruchtbaren Bodens der Marken.

Aber nicht nur die einzelnen Olivenbäume erwecken Aufmerksamkeit. Vielmehr sind es die einzelnen Höfe, die wie kleine Festungen inmitten der Felder stehen. Die Gutsbesitzer wollten ihre meist immens großen Häuser, die case coloniche, dort haben, wo der Mittelpunkt ihres Besitzes lag. Vielleicht ist der Vergleich nicht abwegig, dass sie wie Fürsten über ihr Terrain gethront haben.

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Sibillinen - Das Land der Harmonie

Egal, was besonders hervorstechen mag, eines ist dem Besucher gewiss: jeder Meter bringt unglaubliche Panoramen. Viele Dichter sprachen von den Marken als das "Land der Harmonie" und in der Tat scheint man sich in einer Postkarte zu befinden. Es gibt keine Fabrikschlote, Industrieanlagen, die das Gesamtbild stören würden. Wenn man sich irgendwo in den Hügeln auf eine Bank setzt und den Blick über die Landschaft streifen lässt, so überkommt einen ein Gefühl der absoluten Ruhe und Gelassenheit. Es ist fast so, als ob man die Stille hören könnte, die nur durch Vogelgezwitscher oder dem Summen der Bienen unterbrochen wird. Die vielen Schmetterling tanzen von einer Blume zur anderen, die Eidechsen sonnen sich auf den Steinen, in der Luft ziehen Falken ihre Kreise. Ich weiß, es klingt sehr pathetisch, dennoch sind es diese Eindrücke, die jedem Besucher im Gedächtnis bleiben und viele davon werden zu "Wiederholungstätern".

In den Frühsommermonaten werden die wunderbaren Panoramen nochmals verstärkt, denn dann erstrahlen die Marken nicht nur in den Frühlingsfarben, es kommen riesige Sonnenblumenfelder dazu. Alles leuchtet dann in einem strahlenden Gelb.

Setzt man den Weg fort bis in die Sibillinen, deren Kulisse von jedem Punkt in den Hügeln aus sichtbar ist, findet man kein Gebirge a' la Alpen mit schroffen Berghängen. Vielmehr sieht es so aus, als ob jemand grünen Samt über die Berge gebreitet hätte. Speziell in der Nachmittagssonne schimmern die Gipfel. Es gibt keine Schneise, die von Skifahrern genutzt werden kann und die das harmonische Aussehen zunichte macht.

Wer hier die Berge zum Skifahren nutzen will, muss seine Brettl selbst den Berg hinauf tragen, denn 1963 wurde der Nationalpark der Sibillinen gegründet und somit blieben die Sibillinen mit ihrer einmaligen Botanik von der Zerstörung durch Skifahrer verschont. Es gibt keine Skilifte innerhalb des Nationalparks und außerhalb des geschützten Gebietes bestenfalls 3 oder 4 Lifte, die aber jeden Skifahrer eher ein mitleidiges Lächeln entlocken können. Wer sich im Mai auf Wanderungen in den Sibillinen begibt wird belohnt von einer Natur, die wohl als einzig in Europa zu bezeichnen ist.

Piano Grande | Landesgartenschau und Tierpark - und alles echt

Es ist die Zeit mit den meisten wilden Orchideen, darunter sehr seltene Arten. Bei der letzten Botanikreise fanden wir 36 verschiedene Orchideen. Es ist sogar nicht einmal notwendig dafür lange Wanderungen zu machen, denn schon entlang der Strassen wachsen sie zuhauf. Die Botanik der Marken ist so vielfältig, dass jeder Naturliebhaber sich wie im Paradies fühlt. Die Blüten wechseln mit den Monaten und geben der Landschaft jedes Mal ein neues Aussehen. Wenn beispielsweise die Piano Grande, die im Grenzgebiet zwischen Marken und Umbrien liegt (1550 m) Mitte Mai vollkommen weiß und rostrot erscheint, so ändert sich dies Ende Mai in ein einzigartiges Farbspektakel von rot, lila, weiß, blau und gelb. Weiß und rostrot durch die Hunderttausende an wilden Dichternarzissen und wilden Tulpen, während durch Kornblumen, Mohnblüten, wilden Senf, Linsenblüten und Margeriten die ganze Hochebene wirkt, als hätte man einen einzigen Blumenteppich geschaffen.

Aber nicht nur die unglaubliche Vielfalt der Botanik beeindruckt. Auch die Tierwelt lässt an Artenreichtum nichts zu wünschen übrig. Bei den Vögeln sind es natürlich die Adler, die beeindrucken, dann die Vielzahl an Falkenarten, die Nachtigallen, alle möglichen Arten von Singvögeln. In den Nachtstunden sollte man besser langsam fahren, denn dann gehört die Straße den Stachelschweinen, die sich mit ihren Familien dort tummeln. Dann gibt es auch noch die Wölfe und wir sind - im Gegensatz zu Deutschland - stolz darauf, dass wir mehr als 250 Wölfe innerhalb des Nationalparks haben.

Der Apenninische Wolf war immer Teil der Sibillinen, also keine Neuansiedlung, aber er musste geschützt werden, sonst hätte man heute vermutlich keine Wölfe mehr in den Sibillinen. Da gerade im Gebirge das Vieh und die Schafe nahezu 9 Monate im Jahr vollkommen frei sich bewegen, man könnte durchaus von glücklichen Tieren sprechen, musste natürlich eine Lösung gefunden werden, damit die Schaf-und Viehzüchter so wenig Einbußen wie möglich wegen der Wölfe haben. Sie werden bei Nachweis, dass ein Wolf ein Tier gerissen hat, dafür finanziell entschädigt. Übrigens fürchten die Menschen hier die Wölfe nicht.

Ulla Kastner –   Ihre Reiseführerin in Mittelitalien U.K.

Über die Autorin – Ihre Reiseführerin in Mittelitalien

Sie lebt seit 18 Jahren in Italien und liebt Ihren Beruf.

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