Atomausstieg
Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld kann wie geplant Ende 2015 schließen
Versorgungssicherheit auch nach Atomausstieg gewährleistet
Aus energiewirtschaftlicher Perspektive ist der Atomausstieg unproblematisch: Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist Mitte der 2020er Jahre auch ohne Atomkraftwerke gewährleistet. Das legen Forschungsergebnisse des DIW Berlin aus dem vergangenen Jahr nahe, denen zufolge die Stromnachfrage auch nach dem Ausstieg aus der Kernenergie an allen Orten und auch zu Spitzenlastzeiten bedient werden kann, sofern verfügbare Optionen wie Lastmanagement oder Kapazitätsverträge mit dem Ausland genutzt werden. Die Berechnungen ergaben, dass bei einer Fortschreibung der derzeitig praktizierten Reservekraftwerksverordnung bis Mitte der 2020er Jahre eine ausgeglichene Leistungsbilanz im deutschen Stromsystem herrscht, die durch mögliche Handelsströme aus dem Ausland weiter entlastet wird. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren Kraftwerkskapazitäten in einer Größenordnung ans Netz gegangen, die die gesamte Atomkraftkapazität übersteigen – eine Versorgungslücke ist also nicht zu befürchten. Dafür sprechen auch die Rekordexporte von Strom ins Ausland im vergangenen Jahr. Auch Netzengpässe stellen keine Belastung für das Stromsystem dar, das deutsche Stromnetz ist gut ausgebaut und sicher. Für den Atomausstieg spricht zudem, dass Atomkraftwerke in ihrem Betrieb sehr unflexibel sind und somit nicht zur Flexibilität eines auf erneuerbaren Energien basierenden Systems beitragen.
Anteil des Atomstroms an weltweiter Stromerzeugung sinkt
In Europa bestehen sehr unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Atomkraft. Während sich neben Deutschland auch Belgien und die Schweiz zum Atomausstieg entschlossen haben, wollen Länder wie Frankreich, Großbritannien und Polen auch künftig auf Kernenergie setzen. „Die Kosten der Atomkraft unterschätzt die Europäische Kommission in ihren Szenarioanalysen allerdings massiv“, kritisiert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. „Die Vorschläge aus den Referenzszenarien, die einen massiven Ausbau der Atomkraft nahelegen, darunter den Bau von allein sieben Atomkraftwerken in Polen, sind mehr als unrealistisch.“ Die erheblichen Subventionen für einen Neubau in England zeigten exemplarisch, dass die Atomenergie weder kostengünstig ist, noch ohne finanzielle Unterstützung auskommen kann, so Kemfert. Beim derzeitigen Bau neuer Reaktoren in Finnland und Frankreich sind die Kosten explodiert; die Meiler werden die teuersten jemals gebauten Kernkraftwerkskapazitäten sein.
Auch weltweit kann nach Ansicht der DIW-Forscher von einer Renaissance der Atomkraft keine Rede sein: Laufende Ausbauprojekte konzentrieren sich auf wenige Länder, insbesondere China. Der jährliche globale Ausbau der Atomkraft erreichte seinen Höhepunkt bereits Mitte der 80er Jahre und ist seitdem fast zum Erliegen gekommen. In vier der vergangenen sechs Jahre war eine Nettoreduktion der weltweiten Kapazität zu beobachten. Angesichts des hohen Alters vieler Reaktoren – mehr als 80 Prozent sind bereits älter als 20 Jahre – dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Schon heute ist der Anteil des Atomstroms an der weltweiten Stromerzeugung rückläufig und lag im Jahr 2012 bei nur noch elf Prozent.
„Generationenversagen“ bei der Endlagersuche
Äußerst dringend ist die Schaffung eines geeigneten Endlagers für hochradioaktiven Atommüll, betonen die DIW-Forscher. Diesbezüglich seien weder in Deutschland noch weltweit in den vergangenen sechs Jahrzenten konkrete Fortschritt erzielt worden. „Bei der Endlagersuche haben drei Generationen versagt“, sagt Christian von Hirschhausen. Im Bereich der Zwischenlager sind in Morsleben (Sachsen-Anhalt) sowie in der Schachtanlage Asse (Niedersachsen) sogar herbe Rückschritte zu beobachten, die Schächte werden von Wasser geflutet und drohen einzustürzen. Die Umweltpolitik müsse hinsichtlich der Endlagerfrage aktiver vorgehen, dies beinhalte auch die Entwicklung von Finanzierungsmodellen für die Endlagerung.