Und hier beginnen auch schon die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. Während die Franzosen über die „Kommission HADOPI“ eher pädagogisch über ein mehrstufiges Verfahren darauf abzielen, die illegalen Downloads zu reduzieren (ohne dass dabei in den ersten beiden Mahnstufen Abmahngebühren fällig werden), ist in Deutschland eine regelrechte „Abmahnindustrie“ rund um dieses Thema entstanden. Die „Abmahnanwälte“ dürfen sich auch noch über die Unterstützung bestimmter Gerichte freuen, die mehr als bereitwillig (und gelegentlich auch schon mal rechtswidrig) die IP-Adressen von vermeintlichen Urheberrechtsverletzern zur Verfügung stellen.
So wird immer deutlicher, dass die Zielsetzung der deutschen und der französischen Herangehensweise unterschiedlich ist: Während es den Franzosen mit HADOPI offensichtlich um den Schutz des Urheberrechts und um das pädagogische Einwirken auf „Downloader“ geht, hat man in Deutschland aus der gleichen Situation ein „Geschäftsmodell“ für Anwälte entwickelt, deren juristische Fähigkeiten wohl nicht für die noblen Bereiche der Justiz ausgereicht haben. So kommt es, dass nun in Deutschland Tausende, zehntausende Kinder, Jugendliche und überforderte Eltern mit Abmahnungen überzogen werden, die gewissen Regelmäßigkeiten folgen.
So liegen die von diesen „Anwälten“ geforderten Abmahnbeträge typischerweise zwischen 600 und 1000 €, also in einem Bereich, in den viele Betroffene lieber zahlen, statt sich auf ein vermeintlich teureres Verfahren einzulassen. Zur Unterstreichung der Forderungen schicken diese „Anwälte“ riesige Schriftsätze, aus denen die Paragraphen nur noch so herausquellen, um die Empfänger dieser Abmahnungen einzuschüchtern.
Dabei bedeutet ein Download des Nachwuchses noch nicht automatisch, dass die Eltern dafür zu haften haben. So besagt ein BGH-Urteil (BGH, Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12), dass Eltern nicht unbedingt für derartige Aktivitäten des Nachwuchses im Internet haften. So sagt dieses Urteil, dass Eltern dann ihren Aufsichtspflichten genügen, wenn sie ihrem minderjährigen Kind ihren Internetanschluss zur Verfügung stellen, und dabei das Kind über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, „wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten“. Dagegen sind Eltern nach dieser Auffassung grundsätzlich auch nicht verpflichtet, dem Kind den Internetzugang teilweise zu versperren, die Nutzung des Internets durch das Kind ständig zu überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben. Sollte Ihr Kind volljährig sein, sind die Prüfungs- und Überwachungs-Pflichten der Eltern noch weiter reduziert (BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12).
Dazu werden nun auch die Berufsstände und einzelne Gerichte aktiv: So fordert beispielsweise der Deutsche Anwaltverein (DAV), den gerade erst geänderten § 97a UrhG so zu verändern, dass missbräuchliche Massenabmahnungen noch stärker eingeschränkt werden. Es gibt zunehmend Urteile, die ab einer erhöhten Anzahl gleichlautender Abmahnung von einer solchen Missbräuchlichkeit ausgeht.
Und plötzlich merkt man, wie wichtig Aktionen wie „We are consumers“ des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) in Kehl sind – im Rahmen dieses Projekts bringen deutsch-französische Coaches des ZEV Schülerinnen und Schülern in elsässischen und badischen Schulen bei, wie man sich sicher und legal im Internet bewegt.
Eltern, denen entsprechende Abmahnungen ins Haus flattern, sollten zunächst folgendes tun: Unterschreiben Sie als allererstes nicht die Ihnen zugesandte Unterlassungserklärung! Holen Sie sich kompetenten Rat bei den unabhängigen Verbraucherzentralen und lassen Sie klären, wie Ihr Fall liegt und ob Sie überhaupt im vorliegenden Fall in der Haftung stehen.
Weitere Informationen zur Jugendarbeit des ZEV finden Sie unter: www.weareconsumers.eu!
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