DIE Internet-Zeitung
Erklärung des pax christi-Bundesvorstandes

Wider den „normalen“ Rechtsextremismus – den „kleinen Terror des Alltags“

Am

Nach einiger Aufregung um den ausreichenden Zugang der Öffentlichkeit zum Verfahren über die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“, ist es ruhiger darum geworden. Es begann eine verspätete Sorge für die Angehörigen der Opfer. Es fanden und finden sich nun Menschen aus Politik und Gesellschaft, die den Angehörigen beistehen. Nun kommt es aber darauf an, dass das Interesse an der Aufdeckung rechtsextremer Gewalt nicht nur „Event-orientiert“ hoch war, sondern der Blick wieder auf den „normalen“ Rechtsextremismus – den „kleinen Terror des Alltags“ – und auf bestimmte gruppenbezogene menschenfeindliche Einstellungen gerichtet wird.


Rassismus geht uns alle an – Gerade in der Kirche

Weiterhin gibt es Antisemitismus, Anti-Ziganismus, Schwulenfeindlichkeit und Islamophobie. So sind nach einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA – Fact Sheet 2013) für Juden in Europa weiterhin Beleidigungen, Diskriminierungen oder auch körperlicher Gewalt Bestandteil der alltäglichen Erfahrung, besonders z.Zt. in Ungarn und Frankreich. Die neue Zuwanderungsdebatte über Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa mit Slogans „wer betrügt, der fliegt“ ist eindeutig gegen Roma gerichtet, mit Hinweis auf ihre Probleme in bestimmten Städten wird das alte Bild der „Zigeuner“ neu genutzt. Trotz einem – auch in konservativen Kreisen inzwischen als „korrekt“ und nicht länger vermeidbar angesehenen Verzicht auf die Diskriminierung von Homosexuellen bleiben „schwul“ und „Jude“ Spitzenreiter bei den Schimpfworten auf bundesdeutschen Schulhöfen. und Muslime stehen wegen des Anschlags vom 11.9.2001 oft noch immer unter Generalverdacht, die deutsche Demokratie untergraben zu wollen, von der Vorstellung eines allgegenwärtigen Terrorismus, der inzwischen ganze Weltbilder füllt, gar nicht erst zu reden. Auch politisch Aktive, die sich gegen Neonazis engagieren, müssen inzwischen damit rechnen, dass sie persönlich oder ihre Wohnungen gewalttätig angegriffen werden.

Was kann dagegen gesetzt werden?

Öffentlichkeit schaffen

Oft kommt es bereits darauf an, Sprüchen, Parolen und Gerede entgegen zu treten. Information und Vernetzung dazu bieten die „internationalen Wochen gegen Rassismus“, die auch in 2014 wieder vom 10. bis 23. März stattfinden und durch den Interkulturellen Rat in Deutschland koordiniert werden: http://www.interkultureller-rat.de

Europawahlen nutzen

Die angesprochenen Phänomene sind inzwischen europaweit zu bemerken und nicht nur ein deutsches Problem. Umso aufmerksamer sollten die im Mai 2014 stattfindenden Wahlen zum europäischen Parlament wahrgenommen werden. Welche Vorstellungen und Ziele äußern die Parteien insbesondere zur Teilhabe und Gleichberechtigung aller EU-Bürger? Wo wird Ausgrenzung, Abgrenzung oder „Rückführung“ gefordert? Wie mit Armuts- und Elendsmigration umgehen und welche Grenzen wollen wir? In ganz Europa ist ein Erstarken nationalistischer Parteien zu beobachten, neue Parteien, die auf

Euro-Skepsis und Verlustängste setzen, haben Zulauf und grenzen sich von den schon fast „traditionellen“ Neonazis ab. Bisher haben sie keine Mehrheiten, das sollte auch so bleiben![i]

Für und Wider NPD-Verbot

Seit etlichen Jahren wird diskutiert, ob die NPD als rechtsextreme und verfassungswidrige Partei verboten werden kann. Ihre Beziehungen zu gewaltbereiten rechtsgerichteten Organisationen sind nicht zu leugnen bzw. wurden in der Beobachtung eher verharmlost. Seit fast 50 Jahren verbreitet diese Partei eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, verharmlost oder leugnet den Holocaust und den II. Weltkrieg, verlangt die Revision seiner Ergebnisse und hetzt kontinuierlich gegen ausländische Mitbürger/innen, Flüchtlinge und Asylsuchende. Im Kern verlangt sie – wenn auch nicht im unmittelbaren physischen Sinne – eine Art innere soziale und „ethnische“ Säuberung der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Nachdem ein früherer Versuch eines Verbots wegen der geheimdienstlichen Verbindungen der Beweismittel gescheitert war, haben jetzt die Bundesländer endlich einen Antrag auf Verbot dieser Partei gestellt. Allerdings wären damit Rechtsextreme – auch gewalttätige – Aktivitäten damit nicht einfach beendet. Abwanderungen in informelle Strukturen sind zu erwarten. Dennoch könnte ein Verbot sinnvoll sein, denn dem rechtsgerichteten Organisationsspektrum würden öffentliche Gelder entzogen und parlamentarische Auftritte wären nicht mehr möglich. Noch strebt die NDP Sitze im EU-Parlament an.

Widerstehen

Rechtsextreme Gruppen haben auch den Willen, Geschichte nach ihrem Weltbild neu zu schreiben, Gedenkstage zu Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg sind für sie Anlass für Aktionen und Propaganda. Der „nächste Termin“ dieser Agenda ist der Gedenktag der Bombardierung Dresdens am 13.2.1945. Daher rufen Christen – nicht nur aus Dresden – mit dem Motto „Nächstenliebe verlangt Klarheit – Kein Naziaufmarsch nirgendwo“ zu einer friedlichen und entschlossenen Blockierung des geplanten Neonazi-Aufmarsches auf. Gerade weil im Vorfeld der Europawahlen die NPD und andere rechte Gruppen sich als „demokratiefähig“ und integrierbar präsentieren werden, kommt es darauf an, über ihre tatsächlichen Ziele und Gewaltpotentiale aufzuklären.

Kirche beteiligt

Die Inhalte und Ziele rechtextremer Organisationen – nicht nur der NPD – stehen in einem grundsätzlichen Widerspruch zum Menschenbild der christlichen Botschaft und sind somit eine Herausforderung für alle, die sich dieser verpflichtet fühlen oder ihr nachfolgen. In Analyse und Aktion dagegen sind die Kirchen allerdings nicht immer die, die „vorangehen“. Es gibt Ängste und Besorgnisse, vielleicht auch Unkenntnis. Daher ist Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen und dem Anspruch gewaltfreien Handelns verpflichteten Organisationen hilfreich und notwendig. In der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus“ http://www.bagkr.de vernetzen sich Kirchengruppen und arbeiten zusammen.

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