Kritikpunkte im Detail
Status quo beim Breitbandausbau
Hightechstandort und (Vize-)Exportweltmeister - zwei Prädikate, mit denen sich die Politelite gerne identifiziert. Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit moderner Datennetze zeigt sich jedoch seit Jahren ein ganz anderes Bild. Die Konsequenzen spüren insbesondere Verbraucher außerhalb der Städte. So verweisen gleich drei Studien Deutschland auf das untere Mittelfeld im europäischen Vergleich. Die EU-Kommission sieht die Bundesrepublik auf Platz 15 (von 28). Und zwar in Relation zur Verfügbarkeit schneller Breitbandanschlüsse über 30 MBit/s. International betrachtet, rangieren wir sogar noch deutlich hinter Rumänien auf Platz 16, dies geht zumindest aus einer Untersuchung des Netzproviders Akamei aus dem Jahr 2012 hervor. Die „ITU Telecom World“ kommt gar auf Rang 22, wenn es um Bandbreiten von wenigstens 10 MBit geht.
Pläne der Bundesregierung: Unrealistisch und ungenügend
Für die Politik ist das Problem nicht neu, denn bereits 2009 formulierte die Bundesregierung unter Merkel die erste Breitband-Initiative. Diese sah ursprünglich bis 2014 eine flächendeckende Verfügbarkeit von Highspeed-Internet mit mindestens 50 MBit/s vor. Ein Ziel, was trotz weitreichender Erfolge nicht mal im Ansatz erreicht wird. Eine Arbeitsgruppe von Union und SPD postulierte Anfang November eine neue Breitband-Agenda. Förderungen von jährlich 1 Milliarde Euro, sollen die flächendeckende Versorgung mit 50 MBit für die Bevölkerung nun bis 2018 garantieren. Doch selbst unter der Annahme, dass die Investitionen Früchte tragen und die Vorgaben erreicht werden – Branchenexperten halten diese für völlig unzureichend. In der bereits angesprochenen Studie „Digitales Deutschland 2020“, gehe man in 5-10 Jahren von einem Bedarf aus, der der doppelt so hoch, also bei 100 MBit/s, liege. Hinzu kommt der Umstand, dass die Netzprovider selbst vorrangig auf Techniken setzen, die für künftige Ansprüche nur bedingt tragfähig sind.
Droht die Zwangsabgabe für Bürger für den Ausbau?
Auf eine mögliche Kehrseite der anvisierten Ziele, verwies Mitte November der Telekommunikations-Wettbewerbsverband VATM. CSU-Chef Seehofer äußerte bereits, dass die Pläne kaum erreichbar wären, da Kunden kaum für schnellere Zugänge zahlen wollen. Der einzige Weg zur Finanzierung, führe über eine Zwangsabgabe. Dies ist in den USA z.B. längst Realität. Kunden zahlen dort eine Gebühr in Höhe von 16 Prozent der Rechnung.
Telekom und Vodafone wollen massiv investieren
Im September 2013 gab die Deutsche Telekom bekannt, man werde in den kommenden Jahren massiv in den Netzausbau investieren. Alleine im laufenden Jahr beliefe sich das Volumen auf 3,4 Mrd. Euro. 2014 und 2015 plane man sogar 4,1 bzw. 4,3 Mrd. ein. Einen ähnlichen Tenor schlägt Vodafone, die Nummer 2 am deutschen Breitbandmarkt, an. Im Zuge eines Quartalsberichtes im Nov. 2013, kündigte der Konzern einen Etat von 2 Mrd. Euro pro Jahr an, was einem Anstieg von gut 50 Prozent entspräche. Der Fokus beider Unternehmen liegt allerdings auf dem Mobilfunkstandard „LTE“ und dem neuen „Vectoring-Verfahren“ für VDSL. Beides hochperformante Techniken, die allerdings, Expertenmeinungen zufolge, langfristig aber eher in die Sackgasse führen. Für eine nachhaltige Strategie kommt man am Ausbau von Glasfaser-Internet (FTTH) nicht vorbei.
Vectoring und LTE als „Notnagel“
Beim Vectoring handelt es sich um ein verbessertes Verfahren, welches bestehende VDSL-Anschlüsse noch schneller macht. Statt 50 MBit, erlaubt Vectoring künftig sogar Downloadraten von bis zu 100 MBit pro Sekunde. Vorhandene Festnetzstrukturen lassen sich dabei weiter nutzen, so dass der kostenintensive Ausbau von Glasfaserleitungen meist vermieden bzw. hinauszögert werden kann. Die Unternehmen müssen lediglich bestehende Multifunktionsgehäuse für Vectoring umrüsten. Und genau hier liegt das Problem. Die Telekom will via Vectoring bis 2018 zwar 80 Prozent aller Haushalte erschließen und so offensichtlich den Plänen der Bundesregierung zuvor eilen. Von einem nachhaltigen Ausbau kann beim Vectoring allerdings keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine preiswerte Überbrückungstechnik, hin zur vollständigen Versorgung mit dem bedeutend leistungsfähigerem Glasfaser-Internet (FTTH). Mit FTTH lassen sich nämlich ungeheure Bandbreiten, selbst jenseits der 1000 MBit/s, realisieren. Die Technik bietet also genug Potenzial für die kommenden Dekaden. Eine bundesweite Erschließung wird allerdings auf ca. 80 Mrd. Euro[2] beziffert. Das dies nicht von einzelnen Unternehmen realisiert werden kann, sondern nur getragen von weiteren Zuschüsse vom Staat, liegt auf der Hand. Damit wird jedoch leider deutlich, dass die von CDU und SPD anvisierten 1 Mrd. Euro pro Jahr nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind.
Das an FTTH früher oder später kein Weg vorbei führt, propagierte das „FTTH Council Europe“ bereits im Jahre 2012 und bemängelte die extrem niedrige Penetrationsrate. Während z.B. Litauen schon auf eine FTTH-Verfügbarkeit von um die 15 Prozent verweisen kann, liegt diese in Deutschland noch bei unter 1 Prozent. Um im internationalen Vergleich wieder Boden gut zu machen, müsste die Prämisse also deutlich hin zum Ausbau von FTTH verlagert werden, weg von „Übergangslösungen“. Und LTE? Mit Hilfe des Mobilfunkstandards der 4. Generation, werden seit 2011 auch Breitbandlücken auf dem Land geschlossen. Zudem beschleunigt die Technik das mobile Internet in den Städten auf aktuell bis zu 150 MBit. Einen vollwertigen Ersatz für festnetzbasierte Zugänge verspricht LTE aber leider nicht, da die Zugänge allesamt einer Volumenbegrenzung von wenigen Gigabyte pro Monat unterliegen.
Fazit:
Der VDSL-Ausbau und der Einsatz der neuen Vectoring-Technik sind unverzichtbar für den zeitnahen Aufschluss Deutschlands im EU-Vergleich an zeitgemäße Datenraten. Politik und Netzprovider sollten aber in Hinblick auf eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit die Investitionen weiter intensivieren und fördern. Einer signifikanten Anhebung der Glasfaser-Verfügbarkeit, kommt in den nächsten Jahren eine tragende Rolle zu. Gelingt dies nicht, ist der weitere Abstieg Deutschlands im Ländervergleich vorprogrammiert.
Detlev LengsfeldQuellen: [1] Seite 29 https://www.bmi.bund.de/ [2] Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) Bilder: Telekom.de und Telekom Presse