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Vereinheitlichung fördert Konzentration, nicht die Vielfalt
Martin Häusling betonte die Wichtigkeit der biologischen Vielfalt gerade auch in der Landwirtschaft, dem werde die Vorlage nicht gerecht. Mit ihrer Vereinheitlichung von Kriterien für die Saatgut-Zulassung fördere sie den Trend zu Konzentration im Saatgutsektor. Der Exportmarkt, der von der Kommission in den Mittelpunkt gestellt werde, werde nicht von kleinen und mittleren Unternehmen beschickt, sondern von international agierenden Konzernen. Er appellierte an den Berichterstatter Sergio Silverstris (EVP), dass der interne EU-Markt in den Blick genommen werden müsste und damit auch viel stärker diejenigen, die biologisches Saatgut und Saatgut von Erhaltungssorten erzeugten und regionale Märkte beliefern. Gefragt: Freiheit für die Kleinerzeuger und Transparenz der Züchtungsmethoden
Ulrike Rodust formulierte in ihrem Beitrag eine Reihe von Anfragen. So sei unklar, ob der Anwendungsbereich der Gesetzgebung allein für den kommerziellen Anbau und oberhalb bestimmter Mengen beschränkt bleibt. Nicht geklärt sei auch die Maximalgröße der Gärtnereien oder der landwirtschaftlichen Betriebe, für die gelte, dass der Austausch von Saat- und Pflanzgut unter Landwirten und Gärtnern frei bleibe. Weiterhin frage sie nach der Freiwilligkeit der Marktzulassung für traditionell gezüchtete Sorten ohne Ansprüche geistigen Eigentums wie Sortenschutz und Patente, nach der Gestaltung der Testverfahren für die Sorte für den Ökolandbau sowie nach der zukünftigen Organisierung der Transparenz bezüglich der verwendeten Techniken bei der Hybridzucht oder an neuen gentechnikähnlichen Züchtungsmethoden. Berichterstatter Silverstris stellte in seiner Antwort auf die Beiträge der Abgeordneten die angefragte schriftliche Beantwortung in Aussicht.
Delegierte Rechtsakte: wird damit die EU-Kommission zur Übernahme der Rechtssetzungskompetenz von Parlament und Rat ermächtigt?
Britta Reimers stellte in Frage ob durch die Bündelung aller Saatgut-Richtlinien in einer einzigen Verordnung wirklich eine Vereinfachung erfolge. In der Agrarreform sei die gegenteilige Erfahrung gemacht worden. Außerdem kritisierte sie scharf die Vielzahl der delegierten Rechtsakte hier drinstehen. Die Gesetzgebung sei ein originäres Recht der Parlamentarier und des Rat. Es sei zu prüfen, welche der Ermächtigungen für die Verwaltungsarbeit der Kommission wirklich notwendig seien, und welche Regeln Rechtsarbeit bleiben sollten und damit in der Hand des Parlamentes und des Rates. Kritik der Zivilgesellschaft bestätigt
Die Kampagne für Saatgut-Souveränität hatte vor der Sitzung noch einmal auf kritische Punkte des Verordnungsvorschlages hingewiesen2: Erstmals soll nicht nur die Saatgut-Vermarktung durch das europäische Saatgutrecht erfasst werden, sondern auch die Erzeugung von Saatgut. Zudem würde die einheitliche Verordnung in den Mitgliedsstaaten eine wesentlich strengere Wirkung entfalten als die bisherigen Richtlinien des Saatgutrechtes. Und ein Grundproblem der Saatgutrechtsreform ist die weiterhin geltende Bevorzugung des Konzeptes der ultra-homogenen und ultra-stabilen „DUS“-Sorten der Industrie. Dagegen spricht sich unter anderem der offene Brief an die Organe der EU3 aus, dem mittlerweile über 35.000 BürgerInnen auf deutsch unterzeichnet haben.
Mehr als 20 Organisationen aus 12 EU-Staaten hatte ein englischsprachiges „Joint statement“4 an die Mitglieder des EU-Parlamentes im Juni gerichtet.
Ein breites Bündnis von deutschsprachigen Saatgut-Organisationen und Umweltverbänden hatte dann im Juli 2013 eine gemeinsame Erklärung zur Reform des EU-Saatgutrechts „Konzernmacht über Saatgut – Nein danke!“ veröffentlicht5 und darin eine radikale Richtungsänderung der EU-Gesetzesreform gefordert, denn das Menschenrecht auf vielfältiges Saatgut und Nahrung stehe auf dem Spiel.
Die in der Erklärung angesprochenen Punkte sind durch die Statements der deutschen und anderer Abgeordneter im Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlamentes breit bestätigt worden. Nun wird die Frage sein, in weit die Kritik in den Bericht des Berichterstatters Silvestris von der italienischen Partei „Populo della Libertà“ (PdL) aufgenommen wird und in konkrete Änderungen des Gesetzesvorschlags einfließt.