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M2M - Machine-to-Machine-Kommunikation
Dies "steht für den automatisierten Informationsaustausch zwischen Endgeräten wie Maschinen, Automaten, Fahrzeugen oder Containern untereinander oder mit einer zentralen Leitstelle, zunehmend unter Nutzung des Internets und den verschiedenen Zugangsnetzen, wie dem Mobilfunknetz. Eine Anwendung ist die Fernüberwachung, -kontrolle und -wartung von Maschinen, Anlagen und Systemen, die traditionell als Telemetrie bezeichnet wird. Die M2M-Technologie verknüpft dabei Informations- und Kommunikationstechnik" - so kann es jeder in Wikipedia nachlesen. Was bedeutet das nun? Nehmen wir ein Beispiel: Das Telefónica-Insurance-Telematik-Modul eines Mobilfunkbetreibers erfasst Nachtfahrten, Bremsverhalten und Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Daten werden der Versicherung übermittelt, und diese kann "Risikogruppen besser eintarifieren", so ihr Sprecher. Ihr Auto kommuniziert auch mit den Mautbrücken über der Autobahn und leitet die Informationen an einen Ihnen unbekannten Server weiter. Natürlich wird die Erfassung von Bewegungsprofilen ausgeschlossen, ha ha! Wozu auch, die hat man doch schon über Ihr Smartphone.
Wenn also Ihr Auto mit Ihrer Versicherung kommuniziert (vielleicht auch mit dem Verkehrszentralregister beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg), dann wird das von den interessierten Stellen angezapft. Genau so wie die Bestellung Ihres Kühlschrankes bei Ihrem Discounter, falls Ihnen der Schnaps ausgegangen ist (evtl. "hört" Ihre Krankenversicherung mit und erhöht die Prämie - Alkoholismus kann schließlich zu höheren Kosten führen). Auch Ihr Haus, dessen Funktionen (Heizung, Beleuchtung, Rasensprengen) Sie über Ihr Smartphone fernsteuern, meldet seinen (hoffentlich ordnungsgemäßen) Zustand an Ihre Gebäudeversicherung. Sie persönlich (M2M: "Machine-to-Machine"!) sind daran nicht nur nicht beteiligt, Sie bekommen davon gar nichts mit.
So kommunizieren im "Internet der Dinge" eben diese Dinge miteinander, ohne sich groß um die Menschen zu kümmern. Ihr Kühlschrank bestellt Ihre Lieblingspizza für Sie, wenn die Vorräte im Tiefkühlfach zur Neige gehen. Ihr Heizöltank ordert 5000 l Öl, sieht aber vorher nach, ob Ihr Konto genügend Deckung aufweist. Zukunftsmusik? Ja, vielleicht etwas kakofonisch.
RFID - Radio-frequency identification
Diese "Identifizierung mit Hilfe von Radiowellen" ist ein winziger Chip, meist ohne eigene Stromversorgung, der berührungslos und unbemerkt aus ca. 1 m Abstand gelesen werden kann. Er gibt einfach nur eine Kennung von sich, z. B. "4675636b20796f752c204e534121". Aber wie sagen doch die Esoteriker: "Alles ist mit allem verbunden". Und so ermittelt der Computer mit Hilfe vernetzter Datenbanken, dass dieses Warenetikett zu dem Brioni-Anzug gehört, den Sie am 12.7. um 17:32 im KaDeWe für 850 € gekauft haben. Da alle wissen, wo Sie wohnen (ja, alle!), warten osteuropäische Banden nur darauf, Ihnen die Neuerwerbung ("ungetragen!" im eBay) wieder abzunehmen. Soviel zum Thema "erhöhte Sicherheit"!
Dieser Chip hat in der Logistik ein riesiges Rationalisierungspotential. Er ist der (z. Zt. leider noch etwas teure) Nachfolger des Barcodes. Er findet sich in Warenetiketten, Bezahlkarten, WM-Tickets und Skipässen, unter der Haut bei registrierten Haustieren (vielleicht auch bald bei Ihnen!?), Wegfahrsperren, bei Zutrittskontrollen und Zeiterfassung, als Container-Identifizierung und Diebstahlsicherung, in Patientenarmbändern und auf Arzneimittelschachteln usw. usf. - und im "ePass": in allen deutschen Reisepässen (ab 1.11.2005) sowie in allen Personalausweisen (ab 1.11.2010). Es gibt skurrile Einsatzgebiete: zur Kontrolle von Mülltonnen oder zur Identifizierung von VIP-Gästen in Nachtclubs. Vielleicht wird er sogar bald in Banknoten eingebaut - aus ist’s mit dem Schwarzgeld!
Durch die so oft gescholtene staatliche Überwachung können wir die Unschuld von Leuten beweisen, die ohne sie gar nicht erst in Verdacht geraten wären.
Jemand hat jetzt darüber sogar einen Krimi mit dem Titel "Der Schnüffel-Chip" geschrieben. Dort stehen dann so schöne Sätze wie die Rechtfertigung des Kripomannes: "Seht Ihr, durch die so oft gescholtene staatliche Überwachung können wir die Unschuld von Leuten beweisen, die ohne sie gar nicht erst in Verdacht geraten wären!" oder "Wer eine weiße Weste hat, ein reines Gewissen, der braucht die angebliche »Ausspähung« nicht zu fürchten" mit dem Gegenargument: "Abgesehen davon, dass jeder ein kleines und meist harmloses Geheimnis hat - Punkte in Flensburg, nicht deklarierte Einkünfte, eine Geliebte - abgesehen davon: Es ist nicht die Angst, dass die Geheimdienste etwas von uns erfahren, das wir verbergen wollen. Es ist das verlorene Vertrauen in das Gute in den Menschen. Wir genießen Vertrauen, im wörtliche Sinne: es bereitet uns Genuss. Wir verabscheuen Misstrauen, es bereitet uns Unbehagen. Die alten Leute schwärmen von früheren Zeiten, in denen man die Haus- und Autotür unverschlossen lassen konnte." Vielleicht hat der Autor damit den Kern unserer Empörung getroffen.
Wer sich dagegen fachlich orientieren will, der lese z. B. "Das Internet der Dinge - Ubiquitous Computing und RFID in der Praxis" (Ubiquitous Computing bedeutet die "Allgegenwart der Computer"). Nun wird die Totalüberwachung endlich besonders preisgünstig und unauffällig. Immerhin macht sich hier ein Autor über Datenschutzaspekte Gedanken!
Was sagt der „Genosse Trend“?
Wohin geht die Reise? Mit Sicherheit nicht zurück in die Privatheit und die informationelle Selbstbestimmung. Es ist ja nichts Neues: Schon 2008 stand im Bericht des Verfassungsschutzes, dass es massive Computerspionage gegen die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik gibt. In Zukunft gibt es vielleicht bald keine Punkte in Flensburg mehr. Vielleicht zuckeln Sie bald mit 120 km/h (die erzwungene Höchstgeschwindigkeit, denn die Anzeigetafel der Geschwindigkeitsbegrenzung kommuniziert mit dem Funkchip in Ihrem Auto) im Abstand von 60 m (erzwungener Sicherheitsabstand) hinter Ihrem Vordermann her (eine Lücke, in der sich heute 4 Autos tummeln). Dagegen können Sie als gesetzestreuer Bürger doch nichts haben! Es erhöht doch unser aller Sicherheit!
Das Abhören durch Geheimdienste ist ja nichts Neues - nur der Umfang ist neu. Aber mehr ist anders, Quantität führt zu Qualität. Ein Schleppnetz ist etwas anderes als ein Kescher. "Strategische Fernmeldekontrolle", unter dem Namen Signals Intelligence (SIGINT) bekannt, betreibt der BND seit Jahren, neben IMINT, OSINT und HUMINT´(was auch immer diese technologischen Kürzel bedeuten). Nachzulesen auf https://www.bnd.bund.de > Arbeitsfelder > Informationsgewinnung. Dort steht: "Die weltweiten Datenströme werden ausschnittsweise gefiltert und elektronisch auf bestimmte Inhalte untersucht." Na, sag’ ich doch! Schreiben Sie also keine Mails, in denen von "Bombenstimmung", "Gesinnungsterror" oder "sozialem Sprengstoff" die Rede ist. Algorithmen sind nicht immer intelligent und menschliche Lauscher auch nicht. Natürlich findet das alles auf dem Boden von Recht und Gesetz statt, total legal. Es ist nur eine grundgesetzwidrige freiheitsbedrohende Legalität. Aber es dient unserer Sicherheit, zweifellos, Es gibt ja einen einfachen Weg, jeden Bürger gegen Terror und Verbrechen zu schützen: Wir sperren jeden in eine Zelle in einem Hochsicherheitstrakt.
Wir stehen vor einem Abgrund. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar sagt: "Am Ende droht der Verlust der Freiheit für alle." Bald sind wir einen Schritt weiter. Wir werden nichts dagegen unternehmen, und wir werden es nicht verhindern können. Es wird bald immer und überall so sein - wie die überhöhte Lautstärke bei TV-Werbespots. Und es dreht sich nicht nur um das Lesen von Informationen (wie es jeder ehrenhafte Geheimdienst tut), sondern auch um das Schreiben, das Verändern. Die "Bösen" könnten auch das tun, wie es der Autor des "Schnüffel-Chip" zeigt: eine Identität stehlen oder verändern. In Ihrem kleinen Reihenhäuschen wird man bald mit "WiSee" (Whole-Home Gesture Recognition) jede Geste von Ihnen erkennen und melden können, mit der Sie den Fernseher einen Sender weiter schalten (aha! Sie mögen RTL nicht!) oder die Musik leiser stellen (aha! Geräuschempfindlich!).
Wie der SPIEGEL schon am 15.06.2012 meldete, überwacht in Italien "Serpico" (für Servizi per i contribuenti, "Dienstleistungen für die Steuerzahler" - ein geradezu Orwellscher Euphemismus) alle finanziellen Transaktionen der Bürger. Bargeldzahlungen über 1000 Euro sind grundsätzlich verboten. Nun müssen ca. 42.000 Besitzer von Booten mit mehr als 10 m Länge erklären, wieso sie jeweils weniger als 20.000 Euro Einkommen pro Jahr versteuert haben. Etwa 2000 Server sammeln, speichern und verarbeiten ca. 22.000 Informationen pro Sekunde. Da ist so eine kleine Vorratsdatenspeicherung von ein paar Telefonverbindungen doch ein Klacks dagegen!
Verschwörungstheorien? Das hätte man zur Zeit des Protestes gegen die Volkszählung (1987!) auch gedacht.
Ich sehe zu schwarz?! Lesen Sie diesen Beitrag in 5 Jahren noch einmal…
Jürgen Beetz
- Jay Bates: "Der Schnüffel-Chip - Ein Krimi im Überwachungsstaat". NEOBOOKS
- Elgar Fleisch, Friedemann Mattern(Herausgeber): Das Internet der Dinge: Ubiquitous Computing und RFID in der Praxis: Visionen, Technologien, Anwendungen, Handlungsanleitungen