Allerdings glaube ich nicht, dass uns genügend Zeit bleibt, dieser Entwicklung in ihrem jetzigen Tempo zu vertrauen. Aber ich erwähne dies, um nicht als Berufspessimist zu gelten, der in seinem Eifer die positiven Triebe in unserer Gesellschaft völlig negiert. Wer von der ökologischen Apokalypse redet, gilt vielen ja noch immer als Schwarzmagier. Die Atombombe schien einer ganz anderen Kategorie anzugehören – hier war das Reich des Bösen ja ausgemacht und so konnte man sich so leichter über die eigene Aktie am Wettrüsten hinwegtäuschen. Beim drohenden Ökozid tun wir so, als handele es sich um eine Art ideologischer Epidemie. Die Indizien, welche auf die totale Katastrophe hinweisen, werden keines Blickes gewürdigt wenn es gilt, der angeblichen „Panikmache“ entgegen zu treten..
Kommen wir zum praktischen Teil. Was müsste nach den Versäumnissen der Vergangenheit politisch dringend umgesetzt werden, wenn wir unsere Welt einigermaßen lebenswert erhalten wollen?
- Als erstes ein absolutes Verbot des Individualverkehrs
- Ein Bau- und Reiseverbot
- Rigide Geburtenkontrolle (Ein-Kind-Familie)
- Umstrukturierung der Landwirtschaft
- Rationierung von Strom und Wasser
- Sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie.
- Umstellung auf Sonnen-, Wind- und andere Energieträger
- Verbot von Genmanipulationen
Alles Maßnahmen, die wir auf demokratischem Wege garantiert nicht zustande bringen. Also muss man sie per Gesetz beschließen. Und Gesetze sind Diktate. Sie sind nötig, um uns von unserem zivilisatorischen Suchtverhalten zu heilen.
Die Grundgesetze einer Ökodiktatur müssten aber auch moralische Leitlinien setzen. Es muss folgendes klar werden:
- Die Welt gehört keiner bestimmten Gattung, sie gehört sich selbst.
- In dieser Welt nimmt der Mensch als Art den ihm zukommenden Platz ein: Den Platz eines Raubtieres dritter oder vierter ökologischer Art.
- Die Fähigkeit des Menschen, in die ökologischen Kreisläufe einzugreifen, ändert an diesem Status nichts.
- Die Leitvorstellungen der politischen Ökonomie müssen den Leitvorstellungen der Ökologie untergeordnet werden. Es gilt, mit den Machtstrukturen zu brechen, die der ungezügelte Kapitalismus bis zur Selbstvernichtung aufrechterhalten wird.
- Diese Politik ist nicht inhuman, sondern sichert den einzigen noch möglichen Humanismus.
Eine solche Magna Charta der Ökologie unterschiede sich grundsätzlich von dem, was wir bisher unter Umweltschutz verstehen. Bisher reden wir ausschließlich von Beständen, wenn wir von der Natur sprechen. Wir machen in allem unsere Rechnung auf. Dieses Denken ist nicht dem Leben verpflichtet, sondern einer Haushaltsphilosophie. In Kalifornien, wo man die zweitausendjährigen Sequoia-Bäume fast vollständig abgeholzt hat, fand ich an einer Straße, an der man einige dieser Riesen als Sichtblende gegen den Kahlschlag hatte stehen lassen, ein Schild mit der Aufschrift TREE-MUSEUM. So ist das: Wir weisen den Vögeln Flugschneisen, den Fischen Schutzzonen und den Pflanzen Freiflächen zu. Wir sind aus der Art geschlagen, denn man kann nur etwas beherrschen wollen, von dem man sich grundsätzlich getrennt weiß.
Die Magna Charta – auf Deutsch etwa: „großer Freibrief“ – ist eine von König Johann Ohneland zu Runnymede in England am 15. Juni 1215 unterzeichnete Vereinbarung mit dem revoltierenden englischen Adel. Sie gilt als die wichtigste Quelle des englischen Verfassungsrechts.
Dirk C. Fleck ist Journalist und Buchautor. Seine bekanntesten Werke: „GO!-Die Ökodiktatur“ (1993, Rasch und Röhring Verlag), „Das Tahiti-Projekt“ (2008, Pendo Verlag), „Das Südsee-Virus“ (2011, Piper Verlag). Kürzlich erschienen: „Die vierte Macht – Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten“, Hoffmann und Campe Verlag. Fleck wurde sowohl für „GO!“ als auch für das“Tahiti-Projekt“ mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet