„Die sechs Bären befinden sich in dem Käfigwagen in höchster Not, denn dort mangelt es ihnen an grundlegender Versorgung und der Möglichkeit zur artgerechten Bewegung“, so Diplom-Zoologe Peter Höffken, Wildtierexperte bei PETA. „Um sich den Maßnahmen des Veterinäramtes zu entziehen, haben die Zirkusmitarbeiter die Bären über Nacht verschwinden lassen, eine typische Vorgehensweise bei vielen Zirkusbetrieben.“
Auch der Halter der Bären, Hendry Spindler, ist derzeit untergetaucht. Bereits 2003 wurde er wegen der mangelhaften Bärenhaltung vom Amtsgericht Hagen zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt. Auch in den Folgejahren wurde die mangelhafte Bärenhaltung immer wieder von Tierschützern beanstandet. Trotzdem wurde Spindler mit fünf seiner Bären 2008 von der Produktionsfirma SATEL Film GmbH im Auftrag der ARD und des ORF engagiert, um in dem Film „Der Bär ist los! Die Geschichte von Bruno“ mitzuwirken. PETA forderte daraufhin den Stopp der Produktion.
Dass Zirkusse ihre Wildtiere verschwinden lassen, um behördlichen Vollzugsmaßnahmen zu entgehen, ist nicht neu: Neben mehreren anderen Zirkussen hat auch der Zirkus Giovanni Althoff 2005 seine Elefanten über Nacht vor dem Veterinäramt Bad Kreuznach ins Ausland gebracht.
Auch VIER PFOTEN bittet dringend um Mithilfe.
„Die für die Tierhaltung verantwortlichen Personen sind sich des Vorwurfs der Tierquälerei offenbar bewusst und wollen sich dem Zugriff der Behörden entziehen. Wir suchen nun dringend den roten, vermutlich geschlossenen Käfigwagen von circa 7,5 Metern Länge mit dem Kennzeichen MS-LC-90“, bittet Kampagnenleiterin Dr. Martina Stephany von VIER PFOTEN um Hinweise aus der Bevölkerung.
Eingepfercht in einen etwa 18 Quadratmeter engen Zirkuswagen ohne Außengehege standen die sechs Tiere bereits seit mindestens einem Monat im Winterquartier des Zirkus Aramannt. Aktuelle Videoaufnahmen, die VIER PFOTEN heute veröffentlicht hat, zeigen, dass die Bären dort kaum Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Rückzugsräume oder eine angemessene Versorgung hatten. Im Zirkuswagen befanden sich Kot- und Futterreste, die Einstreu wirkte verdreckt. Die Haltung ignorierte geltende Mindestvorgaben völlig und verstieß aus Sicht von VIER PFOTEN klar gegen das Tierschutzgesetz.
Die Braunbären waren zwar im Winterquartier des Zirkus Aramannt untergestellt, sie sind jedoch Eigentum von Tierlehrer Henry S. Warum dieser die Tiere einfach in Medewitz abgestellt und in der Obhut von Personen gelassen hat, die offenbar im Umgang mit den Bären überfordert waren, bleibt unklar. Henry S. ist für Tierschützer kein unbeschriebenes Blatt: Schon 2003 wurde er wegen unzureichender Haltungsbedingungen von neun Braunbären im Winterquartier des Zirkus Proscho vom Hagener Amtsgericht zu 500 Euro Strafe verurteilt. Damals fehlte es den Bären an Freilauf, sie hatten kein Badebecken und nur ungenügendes Futter. Eine Genehmigung nach dem Tierschutzgesetz zur gewerblichen Haltung der Bären lag Henry S. nach Auskunft des Veterinäramtes bereits seit 2009 nicht mehr vor.
Besonders traurig ist die Situation vor dem Hintergrund, dass die Braunbären von Henry S. unter anderem in vielen Fernsehproduktionen mitgewirkt haben und wilde Bären spielten. Jetzt zeigt sich, dass ihr Alltag als dressiertes Wildtier hinter Zirkus- und Filmkulissen nichts mit der Filmidylle gemein hatte. Die Bären von Henry S. traten neben diversen Zirkus-Engagements auch bei „Der Bär“ (1988) von Jean Jaques Annaud, „Der Bär ist los“ (ORF/BR, 2008), „Eine bärenstarke Liebe“ (Sat.1, ebenfalls 2008) und „Die Bergwacht“ (ZDF, 2011) auf. Das Elend dieser sechs Bären macht erneut deutlich, dass in Deutschland ein konsequentes Wildtierverbot in Zirkussen überfällig ist.
Foto: Vier Pfoten