DIE Internet-Zeitung
Die neue Redlichkeit von Prof. Dr. R. Lay

Hat der globalisierte Kapitalismus Recht? (Teil 1)

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Globalisierung und KapitalismusDie typische Kritik an der Globalisierung kennt zwei Kernvorwürfe. Der erste Vorwurf lautet: Globalisierung wird von nicht wenigen Unternehmen nach drei Kriterien betrieben: Wo finde ich erstens beste Produktionsbedingungen, also geringe Kosten für Errichtung und Betrieb der Produktionsstätten, für Personal, für das Erreichen der Absatzmärkte? Was sind zweitens die besten politischen Rahmenbedingungen, also niedrige Steuern, Lohnnebenkosten et cetera? Und drittens, wo ist die beste Verfügbarkeit über Ressourcen gegeben, also geringe Kosten für Umweltverbrauch?


Nur noch der überdurchschnittliche Gewinn gilt als Garant für das Überleben eines Unternehmens. Gleichzeitig wird betont, man müsse sich auf zukünftige Entwicklungen optimal einstellen. Diese optimale Einstellung wird durch Wachstum einerseits (nur wenn wir groß sind, kann uns niemand übernehmen, also sollten wir tunlichst bald fusionieren) und ökonomischem Erfolg andererseits (nur wenn wir genügend Eigenkapitalrendite vorweisen können, können wir selbstständig bleiben) erreicht. Letztlich wird in nicht wenigen Betrieben so getan, als ob die Wettbewerbsfähigkeit, und damit die Überlebensfähigkeit, ausschließlich von den oben genannten drei Kriterien abhinge. Damit besteht die große Gefahr, diese drei Bedingungen nicht mehr auf ihre soziale Verträglichkeit hin zu untersuchen. Darin läge die Unredlichkeit der Globalisierung.

Der zweite, immer wieder gehörte Vorwurf ist: die Globalisierung schafft weltweit ein Netzwerk, in das Kontinente und Nationen durch transnationale Unternehmen eingebunden werden. Dies geschieht über Produkte, Handel und Kommunikation. Das Problem dabei ist der außerordentliche Verdrängungswettbewerb, der alle Länder zu niedrigen Löhnen und Steuern zwingt. Und damit den Wohlstand der Nationen gefährdet. Die Folge: Die Wirtschaft zwingt die Politik in die Rolle des nationalen Erfüllungsgehilfen. Mit Einfuhrzöllen, Subventionen und kostenlosem Umweltverbrauch wird dann abgeschottet, was das Zeug hält. Paradoxerweise versagt Politik mittlerweile in Ländern, wo sie sich nicht im patriotischen Sinne wirtschaftskonform verhält. Die Zeiten für einen sozial verträglichen Kapitalismus sind schwieriger geworden.

Die derzeitige Diskussion über den „radikalen“ Kapitalismus wirft die Frage nach der Berechtigung dieser Kritik auf. Dabei scheint vor allem wichtig zu sein, inwieweit neben der ökonomischen Nutzenmaximierung, die ethisch wichtige Schadensminimierung für die Beteiligten ebenfalls eine Rolle spielt.

Die Aussage eines mit mir befreundeten Geschäftsführers eines globalisierten Unternehmens, das weltweit ca 7.000 Mitarbeiter beschäftigt lautet: „Die derzeitigen Messages sind mir zu eindeutig auf Gewinnmaximierung orientiert! Ich kenne die Sprüche selbst von unseren Wirtschaftsberatern: ‚Wenn Sie nicht 10% Eigenkapitalrendite erwirtschaften, sind Sie in wenigen Jahren weg vom Fenster.’ Wir haben in den letzten 136 Jahren wenige Jahre gehabt, in denen wir EK-Renditen von 10% erwirtschaften konnten! Und dann noch eins: von unserer Wertschöpfung gehen 95% (2004) an die Mitarbeiter - ca. 3 % an die Gesellschafter!“

Der Beginn der Globalisierung

Was ist also los? Lassen Sie mich versuchen zu klären, wie die globalisierte Welt sich derzeit entwickelt hat. 1961 wurde der Begriff Globalisierung zum ersten Mal in einem englischen Lexikon verwendet. Mit Globalisierung ist eine Entwicklungsstrategie gemeint, die die gesamte Welt ökonomisiert und den Handel, sowie Finanztransaktionen weltweit liberalisiert. Globalisierung ist letztlich nichts anderes als ein Netzwerk, in das Kontinente und Nationen durch transnationale Unternehmen mit ihren Produkten, ihrem Handel, ihrer Kommunikation eingebunden werden. Eine Situation, die schon Karl Marx in seinem Kommunistischen Manifest deutlich beschrieben hat: „Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploration des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füssen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.“7

Der Verdrängungswettbewerb in der Globalisierung

Das Besondere an dieser Globalisierung ist der darin existierende, außergewöhnliche Verdrängungswettbewerb. In diesem Wettbewerb hat offensichtlich nur jene Politik eine Chance Einfluss zu behalten, die über Anpassungsprozesse an weltwirtschaftlich niedrigere Löhne oder geringere Steuersätze dem nationalen Unternehmen auf dem Weltmarkt einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Damit steht Politik im Dienste der Wirtschaft. Das führt zu Strukturanpassungsprozessen. So hat zum Beispiel der IWF Argentinien gezwungen, den größten Teil der öffentlichen Dienste zu privatisieren, Unternehmen an ausländische Kapitaleigentümer zu verkaufen sowie die wirtschaftlichen Grenzen für international agierende Unternehmen zu öffnen. Im Jahre 2000 gehörten rund 90 Prozent der Banken und 40 Prozent der Industrie Argentiniens internationalen Anlegern. Die Auslandsschulden Argentiniens waren im Jahre 2000 fast viermal so hoch wie 1983. Das Durchschnittseinkommen war in Reallohn gerechnet, nur noch die Hälfte gegenüber 1974 wert. Das hört sich bitter böse an; nur, Argentinien war praktisch bankrott! Was wäre die Alternative gewesen?

Bei einer echten Globalisierung fehlen die Außenmärkte, sonst wäre es nur eine Internationalisierung. Die Außenmärkte fallen in der Globalisierung zu einem Weltmarkt zusammen. Das gilt zumindest für Europa. Was Japan, China und die Dritte Welt tun, wissen wir nicht zureichend genau. Wir wissen nur von der als christlich behaupteten Ethik, dass sie im Rahmen der Globalisierung an ihre Grenzen stößt. Keiner darf wohl erwarten, dass er in China, Indien, Korea, Indonesien die gleichen höchsten sittlichen Werte vorfindet wie im Christentum. Das wäre sicher recht blauäugig. Denn wenn man sich überlegt, dass der höchste sittliche Wert im Christentum bedeutet, Gott zu lieben und zu ehren und dadurch in den Himmel zu kommen (zumindest gilt dies für „infantile“ Christen), dann holt man im Rahmen der Globalisierung wahrscheinlich damit keinen Hund hinter dem Ofen her. Die Unbrauchbarkeit dieses höchsten sittlichen Wertes hat dann über den Utilitarismus, später über den Sozialutilitarismus zum Emotivismus geführt, bis zur offensichtlichen Orientierungslosigkeit der Jetztzeit. Der Jetztzeit sollten wir gleichwohl zu Gute halten, dass es an Werten sicher nicht mangelt. Traditionen (z.B. das der Sohn des Bäckers wieder Bäcker wurde) wurden ab einem gewissen Zeitpunkt durch Optionen ersetzt – der Sohn des Bäckers lässt sich heute nicht mehr leben, sondern nimmt sein Leben selbst in die Hand: Vaters Nachfolge antreten oder ein Studium z.B. als Arzt beginnen. Durch die Option an sich, werden die bis dahin gültigen Werte in Frage gestellt, zumindest teilweise. Durch das Wahrnehmen einer Option beginnt ein Abenteuer, nämlich die Suche nach einem neuen Wertesystem. Vielleicht ist es eines, das komplett mit der Tradition bricht, vielleicht ist es eines, das die traditionellen Werte teilweise ersetzt oder die Chance hat, sie ersetzen zu können. Die Frage ist, wer hilft eigentlich bei dieser Suche?

In der Globalisierung scheint es um die Mehrung von Macht, Einfluss, Ansehen einiger weniger zu gehen. Aber stimmt das auch?

Die Globalisierung mehrt ökonomische Herrschaft, und zwar in immer schmaleren Bereichen. Sie negiert oder vernachlässigt überwiegend den politischen Überbau. Das trifft sicher zu. Wenn zwei Unternehmen fusionieren oder ein Unternehmen sich ein anderes Unternehmen unter den Nagel reißt, dann hat die Politik wenig zu sagen, meinen Kritiker. Als Beispiel dient dabei die Bank Austria. Bei der Bank Austria zum Beispiel waren alle Aufsichtsräte in der Regierung. Sie haben nicht politisch agiert, sondern ökonomisch agiert und sagten ja zur Fusion mit der Hypo. Aber ist damit schon bewiesen, dass die Politik nichts mehr zu sagen hätte? Die Antwort muss nein lauten, denn sonst würden wir das Kartellamt und das Kartellrecht negieren. Zumindest bei uns können Unternehmen nicht machen, was sie wollen.

Globalisierung stellt sich heute gleichwohl als die Herrschaft der Ökonomie über die Politik dar. Das ist in vielen Teilen der Welt ein weiteres zentrales Problem der Politik. Das trifft jedoch auf China nicht zu. Dort gilt das Primat der Politik. Gleichwohl tut sich die internationale Politik recht schwer, wenn es um verbindliche Regeln für die Globalisierung geht. Denken Sie nur an die gescheiterten Bemühungen, weltweite, verbindliche Regeln für die Finanzwelt nach der Finanzkrise 2008 aufzustellen. Böse könnte man meinen, Politik gestaltet die Globalisierung nur mit einer Mischung aus gutem Willen und Inkompetenz. Der Versuch vom ehemaligen Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, wurde in einer Weise gestartet, die so polemisch schien, das der damit verbundene Anspruch: Wir müssen darüber nachdenken, wie globalisierter Kapitalismus sozial verträglich bleibt, ziemlich unterging.

Schon sehr lange globalisiert ist der Geldmarkt, nicht der Kapitalmarkt. Beides muss unterschieden werden. Kapital ist angelegtes oder anlagebereites Geld. Geld kann vagabundieren. Gerade das vagabundierende Geld ist ein Kennzeichen des globalisierten Geldmarktes. Tag für Tag werden rund 1.5 Billionen Dollar weltweit an den Börsen bewegt. Rund 80 Prozent dieser Gelder haben eine Laufzeit, die kürzer als zwei Monate dauert, manchmal sogar nur wenige Stunden. 1998 belief sich der gesamte Welthandel auf insgesamt 6,9 Billionen Dollar. Das bedeutet, die Finanzzentren dieser Welt würden gerade fünf Tage benötigen, um den gesamten Welthandel zu finanzieren. Das mag die ungeheure Bedeutung der Geldmärkte in der Globalisierung verdeutlichen. Auch der Wertpapiermarkt ist weitgehend, wenn auch nicht vollständig globalisiert. Es gibt immer noch Drittweltländer, in denen Landeswährung nicht ein- und nicht ausgeführt werden darf. Fremdwährung wird dort noch im Pass eingetragen.

Die Veränderung der Produktionsprozesse in der Globalisierung

Der Warenmarkt strebt immer stärker nach Globalisierung. Das sind wohl GATT und die Folgen. Aber lassen wir einmal Zahlen sprechen. Wir haben weltweit eine gigantische Veränderung der Produktionsprozesse. Hier spielen die Produktionsnetze eine besondere Rolle. Sie haben sich im Rahmen der Globalisierung völlig verändert. Es gibt nicht nur den Produktverkauf an Konsumenten, sondern ebenfalls den konzerninternen Handel. 1992 erzielten rund 250.000 ausländische Töchter von etwa 38.000 Muttergesellschaften einen Gesamtumsatz weltweit von über 5.200 Milliarden $. Im selben Jahr betrug die gesamte Weltausfuhr rund 4.900 Milliarden $. Davon entfiel auf den firmeninternen Handel rund ein Drittel.

Weltweit wurden schon 1993 ca. 2.135 Milliarden Dollar ausländische Direktinvestitionen getätigt. Das Problem dieserInvestitionen ist: sie schaffen kaum neue Produktionsstätten, sondern übernehmen nur bereits vorhandene. Von 1992 bis 1998 stieg das Gesamtvolumen von registrierten Fusionen und Übernahmen weltweit von rund 250 Milliarden $ um fast das zehnfache auf 2.4 Billionen $. Und die Globalisierung geht weiter. Die UNCTAD schätzte schon 1994 in ihrem World Investment Report, dass sich der Umsatz der weltumspannenden Konzerne seit Beginn der 80er Jahre verdoppelt hatte. Die 100 größten Multis bewegten schon damals ein Firmenvermögen von ca. 3.400 Milliarden Dollar. Etwa 40 Prozent davon wurden in Dritt- und Schwellenländern investiert. Dieser hohe Investitionsanteil der Schwellen- und Drittländern erklärt sich aus dem Bedürfnis, Länder mit den niedrigsten Lohnkosten und längsten Arbeitszeiten zu finden. Das entscheidet in der Globalisierung über die Wahl des Produktionsstandortes. Diese Standortwahl hat nun erheblichen Einfluss auf die Beschäftigten in den vorherigen Produktionsstätten. Vor der Globalisierung war es so, dass nachlassendes Wachstum eines Unternehmens die Gewinne sinken ließ. Heute ist das anders. Die auf dem Weltmarkt agierenden Unternehmen suchen sich die günstigsten Produktionsstandorte auf der Welt aus und können so ihre Gewinne durch Steuerentlastungen, Senkung der Lohnkosten und die Lockerung investitionshemmender Vorschriften in Bereichen des Umwelt-, Arbeits- und Kündigungsschutzes und einer erheblichen Intensivierung der Arbeit steigern. Das hat dazu geführt, dass seit Mitte der 70er Jahre in den meisten „Industrienationen“ der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen drastisch gesunken ist. Das sind nackte Zahlen. Geben sie jedoch aus ethischer Sicht genügend Auskunft? Ich denke eher nein. Denn neben den Zahlen ist wesentlich, warum Unternehmen die günstigsten Produktionsstandorte suchen. Es ist nicht nur der Profit, der sie dazu veranlasst, sondern eben auch die zunehmend fehlende Bereitschaft der Konsumenten, für ein gutes Produkt angemessen zu bezahlen. Ein Unternehmen, das nicht in der Lage ist, seine Produkte zu marktgerechten Preisen anzubieten, hat keine Zukunft.

Der Hauptfeind der Globalisierung scheinen mir derzeit noch die USA zu sein. Sobald ein Unternehmen mit einem amerikanischen Unternehmen in den Vereinigten Staaten in den Wettbewerb tritt, werden die Einfuhrzölle erhöht. Damit ist der Warenmarkt nicht globalisiert. Von den Drittweltländern werden ebenfalls Zölle erhoben. Auch hier fehlt noch die Globalisierung. GATT und die Folgen funktionieren eben noch nicht so richtig. Hauptsächlich werden sie von US-amerikanischen Aktivitäten behindert. Als vierten Markt gibt es den Arbeitsmarkt, der noch nicht total globalisiert ist, tendenziell durch Überwanderungsbewegungen globalisiert wird. Die meisten jungen Menschen handeln nach dem Prinzip: „Ich gehe dorthin, wo ich das meiste Geld verdienen kann.“ Der fünfte Markt ist der internationale Markt, der in der BRD durch den nationalen Exportmarkt bestimmt ist. Jeder Markt ist jedoch letztlich national egoistisch. Der nationale Egoismus ist der Hauptgrund für die nicht stattfindende Globalisierung. Es gibt einen ungeheuren Druck der Wirtschaft auf die Politik. Diese reagiert wunschgemäß oft mit Einfuhrzöllen oder Exportzöllen. Interessant wäre es, wenn an den Grenzen alle Zölle fortfielen und alle Subventionen abgeschöpft würden. Das wäre eine notwendige Voraussetzung, um den Warenmarkt tatsächlich zu globalisieren.

Für den Weltmarkt ist auch die Regulierung der Umweltbelastung erforderlich. Die Umwelt kostenlos belasten zu dürfen, ist letztlich eine Form von Subvention. Es müsste also einen Markt geben, der Umwelt verkauft. Das Problem ist, dass Umwelt kein freies Gut mehr ist, das jedem beliebig zur Verfügung steht, sondern ein Wirtschaftsgut, das einen ökonomischen Wert hat, der bezahlt werden muss. Der Eigentümer der Umwelt ist die gesamte Menschheit. Also müsste eine zentrale Instanz geschaffen werden, die den Umweltverbrauch verkauft. Hier greift die Cobb-Douglas-Formel. Die Umwelt muss in jedem Land so teuer werden, dass es sich rentiert, die Kosten für den Umweltverbrauch durch Arbeit oder Kapital zu ersetzen. Es gibt wohl kaum eine andere Möglichkeit, das Umweltproblem zu lösen. Die Gefahr, dass in schon zwanzig Jahren die Welt für einen Großteil der Menschen unbewohnbar wird, ist groß. Es wird den Kampf um das Trinkwasser geben. Das ist das wirklich kritische Moment. Im Nahen Osten wird das der Kampf um das jordanische Wasser sein. In Indien sind die Flüsse heute schon so verseucht, dass das Trinkwasser aufbereitet werden muss. Trinkwasser wird also sehr teuer. In der BRD leistet man sich heute noch den Luxus, Brauch- und Trinkwasser aus einer Leitung zu beziehen. Globalisierung ist also in den OECD Ländern der Fortfall von Binnenmärkten.

Wir erinnern uns, die Märkte sind:
  • Kapital - & Geldmarkt
  • Wertpapiermarkt
  • Warenmarkt
  • Arbeitsmarkt
  • Außenmarkt

Der Außenmarkt fällt nun weg.

Die Bedeutung des Kapitalismus für die Globalisierung

Der Kapitalismus ist für die Globalisierung dadurch erheblich, dass das Kapital eine möglichst hohe Rendite zu erreichen versucht. Dazu hat der Kapitaleigner die Arbeit genutzt. Um Kapital rentabel anzulegen musste fremde Arbeit gekauft und ein Anlagevermögen gebildet werden. Das war Sache des Einzelnen. Der Arbeiter hatte kein Kapital, sondern nur seine Arbeit, die sich rentieren musste.

Der Markt und der Wettbewerb entscheiden über die Höhe der Arbeitslosigkeit

Arbeit entsteht durch Märkte und Wettbewerb. Wenn wir die soziale Komponente ausklammern, dann haben Unternehmer nur die Aufgabe, die Produktionsbedingungen zu optimieren. Unternehmen sorgen dafür, dass die Produktionskosten sinken, damit die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Bei Optimierung der Produktionsbedingungen wird immer weniger Arbeit benötigt, um ein Produkt herzustellen. Genau das tun Unternehmen, völlig unabhängig davon, was der Kapitaleigner tut. Das einzige „Verbrechen“ des Kapitaleigners ist es, solch eine Vorgehensweise zu unterstützen.

Die Nachfrage nach Arbeit beeinflusst die Arbeitslosigkeit

Nun ist es in der Bundesrepublik leider so, dass die durch Optimierung der Produktionsprozesse freigesetzten Mitarbeiter es für einige Jahre immer schwerer hatten, neue Arbeit zu finden. Das lag nicht am Kapitalismus, sondern an der Nachfrage (und der Optimierung der Produktionsprozesse). Es gab nicht genug Nachfrage für Produkte oder Dienstleistungen oder der Konsument wollte die verlangten Preise nicht mehr bezahlen. Dem Kapitalismus dies als unmenschlich vorzuwerfen, zeugt von Nicht-Wissen um Marktgeschehnisse. Es stimmt zwar, dass zwischen 2001 und 2003 rund 25 Prozent der deutschen Industriebetriebe vornehmlich des verarbeitenden Gewerbes, Teile ihrer Produktionsstätten ins Ausland verlagert haben. Das Fraunhofer Institut stellte damals fest, dass für rund 80 Prozent der Unternehmen die Senkung der Produktionskosten dabei ausschlaggebend war. Gleichzeitig versuchten die Betriebe mit der Verlagerung neue Märkte zu erschließen. Bei all den Vorwürfen, hier Arbeitsplätze zu vernichten, wurde völlig übersehen, dass die im Ausland generierten Gewinne Arbeitsplätze in unserem Land gesichert haben. Es ist durchaus sehr wahrscheinlich, dass ohne die Arbeitsplatzverlagerungen, und damit Senkung der Produktionskosten, die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik sehr viel höher ausgefallen wäre. (3) Inzwischen hat sich das Blatt durch die demographische Entwicklung allerdings wieder geändert. Qualifizierte Mitarbeiter sind schwer zu bekommen; manche Unternehmen kaufen inzwischen andere Unternehmen auf, um an die begehrten Mitarbeiter zu kommen. Das Kapital schafft keine ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, sondern die Politik. Politik ist zuständig für die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns. Diese sind in den meisten europäischen Ländern für Unternehmer derzeit attraktiver als in der Bundesrepublik. Die Steuerquote ist attraktiver, die Lohnnebenkosten geringer etc. etc. Die durch solche Rahmenbedingungen entstehende Arbeitslosigkeit dem „radikalen“ Kapitalismus vorzuwerfen ist zumindest fahrlässig, wenn nicht gar unredlich, denn er ist ursächlich nicht dafür verantwortlich.

Die Vernichtung von Arbeitsplätzen ist ethisch durchaus zulässig

Wenn durch die Vernichtung eines Arbeitsplatzes bei uns zwei neue Arbeitsplätze im Ausland geschaffen werden, dann ist das ethisch durchaus zulässig. Es mag zwar nationalistisch betrachtet unerwünscht sein, ethisch betrachtet ist es jedoch völlig in Ordnung, wenn es möglich ist, durch Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, Menschen in ärmeren Ländern zu helfen, Arbeit zu finden und dadurch ihre Familien zu ernähren. Oft genug sind die Sozialsysteme in solch armen Ländern weitaus schlechter als bei uns, somit die soziale Absicherung bei uns besser. Dies als unethisches Verhalten „Kapitalisten“ vorzuwerfen ist ebenfalls unredlich.

Der Kapitalismus schafft Arbeitsplätze, er vernichtet sie nicht

In den vergangenen Jahren haben die von nicht wenigen Politikern beschimpften private equity-Investoren in Europa ca. 6,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Selbst die auf der „schwarzen Liste“ stehende KKR (Kohlberg Kravis Roberts) hat bei der ATU (Auto Teile Unger) im Jahre 2004 durch ihr Engagement ca. 2.500 neue, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Vielleicht geistert in manchen politischen Köpfen noch das Gespenst von der Vernichtung und Ausschlachtung des Konzerns Nabisco Anfang der 90er Jahre, als dieser Konzern von KKR übernommen, ausgeschlachtet und tausende von Mitarbeitern auf die Straße gesetzt wurden. Diese Zeiten sind nachweislich vorbei. Die Hedge Fonds und Private Equity Gesellschaften schaffen es heute durch ihre Engagements durchaus, einen Überhang zu erzeugen zwischen Arbeitsplätzen die geschaffen werden, und Arbeitsplätzen, die freigesetzt werden.

Johannes Huth, Europachef der größten Private-Equity-Gesellschaft der Welt, der KKR, wies in einem Interview mit der Welt vom 7. Mai 2005 darauf hin: „Schauen Sie sich die Fakten an: Bei Wincor-Nixdorf haben wir die Zahl der Stellen weltweit fast verdoppelt, auf 6300. Rund 1000 Stellen sind davon in Deutschland entstanden. Zweitens grasen wir nicht ein Land ab und ziehen dann weiter. Sondern wir investieren langfristig. Als wir die Firma gekauft haben, hatte sie keine eigene Servicesparte. Die haben wir aufgebaut. Außerdem haben wir Unternehmen zugekauft, die der Firma neue Technologien gebracht haben. Zum Beispiel Geldautomaten, die auch Geld annehmen und Falschgeld erkennen können. Unter dem Strich haben wir das Unternehmen bei seiner Wachstumsstrategie unterstützt. Bei MTU haben wir stark in neue Produkte und Forschung investiert. Bei ATU stecken wir das meiste Geld in die geographische Expansion, also in neue Filialen in ganz Europa. Der weitaus größte Teil davon in Deutschland. Etwas ganz anderes haben wir mit Dynamit Nobel gemacht: Wir haben es mit dem US-Unternehmen Rockwood verschmolzen, so das beide von Synergien profitieren. Momentan kaufen wir noch kleine Firmen zu, um das Unternehmen noch besser im Weltmarkt zu positionieren.“

Das hört sich sehr gut an. Allerdings hat KKR bei MTU nicht wenige Mitarbeiter entlassen. Und KKR haftet immer noch der schlechte Ruf an, Nabisco in den 70er Jahren zerschlagen zu haben und gnadenlos das Unternehmen zerschnipselt zu haben und in Einzelteilen verkauft zu haben. Das ging einher mit einer massenhaften Entlassung der Mitarbeiter. Heute wird das eher als schlechte und falsche Episode gesehen, die vorbei sei.

Aber Herr Huth weiß auch, dass das Auspressen eines Unternehmens den Private Equity Gesellschaften nicht wirklich hilft. In dem besagten Interview sagt Huth an anderer Stelle: „Wenn eine Private Equity Gesellschaft ein Unternehmen vollständig auspressen und massiv Mitarbeitern kündigen würde, fände sich am Ende kein Käufer. Wer will schon eine Firma kaufen, die nichts mehr wert ist? Wir können nur dann unsere Renditen erzielen, wenn wir besser verkaufen als wir eingekauft haben. Der Verkaufspreis hängt davon ab, wie gut das Unternehmen heute aufgestellt ist und welche Wachstumsperspektiven es hat.“9

Der Kapitalismus ist eine Ideologie, sonst nichts

Kapitalismus wie Demokratie sind beide Ideologien. Ideologien sind immer nur von begrenzter Dauer. So gibt es heute den Feudalismus oder Merkantilismus nicht mehr. Sie haben sich überlebt. Das Gleiche ist für Demokratie und Kapitalismus zu befürchten oder zu hoffen, je nach ideologischem Standpunkt. Nur hat jede Ideologie auch ihre Zeit. So ist wahrscheinlich die Demokratie für die heutige Zeit die beste Form des politischen Umgangs, wie auch der Kapitalismus wahrscheinlich die beste Form des ökonomischen Umgangs miteinander ist. Diesen Kapitalismus per se zu verteufeln, erzwingt die Frage, was denn eine sinnvolle Alternative sein kann. Die bisherigen Alternativen (Planwirtschaft etc.) haben versagt. Also wäre es sinnvoll, den Kapitalismus nicht aus nationalen oder patriotischen Gründen behindern zu wollen, sondern aus sozialen, menschlichen Gründen. In der derzeitigen Kritik sind jedoch nationale oder patriotische Beweggründen fadenscheinig hinter sozialen Gründen versteckt.

Quellen:

[6]Marx, Karl (1968): Manifest der kommunistischen Partei. In: Siegfried Landshut (Hrsg.): Karl Marx. Die Frühschriften. Stuttgart: Körner.
[7]www.welt.de/print-welt/article666207/Die_wahre_Macht_des_Kapitals.html 10.11. 2005
[8]sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/1242/3 29.12. 2010
[9]de.wikipedia.org/wiki/Exxon_Valdez 10.03.2011
[10]de.wikipedia.org/wiki/Brent_Spar 08. 06. 2011

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