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Tahir Chaudhry

Sexismus: Ein Jagdrevier ohne Freiwild

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Sexismus von Tahir ChaudhryAufregung, Getuschel und Verdächtigungen zum "Fall Brüderle", der aufgrund seiner Alltäglichkeit eigentlich gar kein Fall ist. Rainer Brüderle werden Anzüglichkeiten gegen eine „Stern“-Reporterin vorgehalten. Ein #Aufschrei hallt durch Deutschland. Frauen wollen nicht als Objekt wahrgenommen werden. Sie wollen als Mensch respektiert werden. Und das nachdem es so schien, als wäre die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft endlich gestärkt. Was ihre Rechte anbelangt, ist die Frau heute auf Augenhöhe mit den Männern. Sie ist vor dem Gesetz gleich und darf ihre Persönlichkeit frei entfalten. Sie darf sich bilden, sie darf arbeiten, erben, sich scheiden lassen und wählen gehen. Trotz der rechtlichen Gleichstellung, scheint die männliche Mentalität unbeirrt geistige Unterscheidungen zwischen Mann und Frau zu treffen. Die Arbeitswelt ist das perfekte Beispiel: Frauenquoten sollen es richten. Männerstimmen ertönen und verweisen auf einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Frauen entgegnen: “Nachdem so lange Frauen benachteiligt wurden, ist es auch nicht schlimm, jetzt einmal ein paar Männer zu benachteiligen.” Psychologisch nachvollziehbar, aber philosophisch-politisch ein höchst zweifelhaftes Argument.


Befinden wir uns mitten in einem neu auflebenden Geschlechterkampf? Eines hat der Stern mit ihrer Brüderle-Episode bei aller Kritik bewirkt, nämlich, dass man endlich über den Sexismus öffentlich spricht. Ein Thema, das lange totgeschwiegen wurde und nun offen und sachlich ausdiskutiert werden muss. Ist aber jeder Einzelne wirklich bemüht etwas an der vorherrschenden Situation zu ändern? Oder empören sich lediglich Männer über Frauen und Frauen über Männer bis alle wieder schweigen, weil wir doch irgendwie miteinander auskommen müssen?

Das stinkt zum Himmelreich

Im aktuellen Sexismus-Fall gibt es einige merkwürdige Einzelheiten in den Schilderungen der stern-Journalistin: Es ist Mitternacht. Die Szene ereignet sich an einer Hotelbar. Laura Himmelreich, eine Journalistin auf der Suche nach Nähe zu einem ranghohen Politiker. Rainer Brüderle sitzt leicht angetrunken an der Bar. Die Journalistin spricht ihn an und bittet um ein Interview. Während des Gesprächs belästigt Brüderle sie sexuell. Statt das Gespräch zu sofort beenden, möchte sie ihre “Professionalität” bewahren und bleibt dran. Ein Jahr vergeht. Brüderle wird Spitzenkandidat der FDP. Himmelreich beschließt ihre Begegnung mit dem Politiker in einem Artikel zu verarbeiten. Eine Welle der Empörung zieht durch Medien und Politik.

Hat die Journalistin kein befremdliches Berufsverständnis, wenn sie um Mitternacht ein “offizielles” Interview führen möchte? Wo bleibt die volle Wahrheit? Auf Stern.de erschien ein Artikel, begleitend zum Brüderle-Porträt, indem es selbstkritisch heißt, dass Redaktionen gerne junge, attraktive Frauen strategisch einsetzen. Dabei ginge es “nicht nur um einen anderen, weiblichen Blick. Sondern darum, eine größere Nähe zu Politikern herzustellen, eine anders geartete Nähe. Offenherzigkeit gegen tiefes Dekolleté und klimpernde Wimpern. So einfach ist das manchmal wirklich, leider.” Dies ist ohne Frage die umgekehrte Version des Sexismus. Gerade der “Stern”, das Magazin, das den “Brüderle-Fall” öffentlich machte, verdient seit Jahrzehnten gut daran, wenn nackte Frauen auf ihren Covern zu sehen sind.

Die Massenverführung

Warum empört sich unsere Gesellschaft überhaupt über den verbreiteten Sexismus in unserer Gesellschaft? Das sexuelle Jagdrevier haben wir doch selbst geschaffen! An jeder Straßenecke, in jeder Zeitschrift, in jeder Fernsehwerbung sind aufreizende Slogans und Bilder zu finden, die eine konstante Dauererregung in einer zu tiefst erotisierten Gesellschaft verursachen. Auf Schritt und Tritt wird versucht ganze Massen zu verführen. Die Folge ist, dass immer größere und stärkere Reize benötigt werden, um die Gier der sabbernden Männer zu stillen. Die Frau wird für ein Objekt gehalten, das austauschbar ist, sobald man sich an ihr satt gesehen hat. Wegschauen! Wegclicken! Weiterblättern! Männer, egal ob jung oder alt, wandern durch die Welt und verhalten sich wie zweibeinige Ratingagenturen: Bewerten! Aufwerten! Abwerten!

Wo liegen die Grenzen? Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Kompliment oder Flirt und einer unerwünschten Anmache, die als sexistisch empfunden wird. Ein falsches Wort und schon empört sich die Frau wegen sexueller Belästigung! Viele Frauen senden ständig Signale an die breite Masse aus und warten bis ein Mann reagiert. Und wenn das reagierende Gegenüber nicht gerade ein Johnny Depp oder George Clooney ist, erst dann wird deutlich, welch eine Herabwürdigung solch ein “Herrenwitz” darstellt. Zwar weiß jeder Mann, dass er nicht den Schönheitsidealen entspricht, aber will es sich nicht eingestehen. Deshalb versucht er es unter Umständen, an die äußerste Grenze zu gehen, wenn ihm die Möglichkeit einer intimen Annäherung günstig scheint. Frau Schwarzer, diese Annäherung hat nichts mit Machtdemonstration zu tun! Es ist eher zügellose männliche Triebsteuerung gepaart mit einem deutlichen Kommunikationsproblem der Geschlechter.

Dschungel oder Zivilisation?

Brauchen wir jetzt eine Gesellschaft der Geschlechtslosigkeit? Nein, wir müssen bestrebt sein die menschliche Natur berücksichtigend einen neutralen Boden für beide Geschlechter zu schaffen. Die Frau muss endlich als Mensch begriffen werden! Sie darf weder ausschließlich als Opfer noch als Täter tituliert werden. In einer Öffentlichkeit ohne Regeln, ohne reizfreie Räume wird es hingegen kaum möglich sein, einen würdevollen Umgang zwischen den Geschlechtern zu gewährleisten. Es müssen die richtigen Rahmenbedingung geschaffen werden. Das geht nicht mit den omnipräsenten Slogans und Bildern, die sexuelle Assoziationen hervorrufen. Das geht nicht, solange Tag für Tag Männer mit “überhöhtem” Weiblichkeitsideal und den zuletzt adaptierten "schmutzigen" Attributen der Pornographie auf den Straßen spazieren. Das geht nicht mit der tagtäglichen Verbreitung von Perversionen des Privatfernsehens, die mit ihrer mediale Fleischbeschau auf Quotenfang gehen. Und es geht vorallem nicht, solange unsere Vorbilder, wie etwa die Prominenz aus Hollywood sexistische Äußerungen von sich geben und dafür Beifall erhalten. Die allergrößte Verantwortung aber tragen Elternhäuser und Schulen als Erziehungsanstalten, den Kindern so früh wie möglich grundsätzliche Benimmregeln gegenüber dem anderen Geschlecht ans Herz zu legen. Sexismus ist eine Gefahr, ähnlich wie Rassismus, Antisemitismus und Terrorismus. Das Problem müssen wir ernst nehmen und darüber diskutieren. Viel wichtiger: Wir sollten aktiv etwas dagegen unternehmen!

Tahir Chaudhry

Danke an den Autor für den Beitrag (www.tahirchaudhry.de)

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