Obwohl es damit national beim alten Recht bleibt, haben Versichererverbände und Aufsichtsbehörde einmütig erklärt, die Unisextarife würden pünktlich eingeführt, weil EU-Recht hier vorginge. Damit aber setzen sie sich über verbindliches deutsches Recht hinweg.
Denn das noch geltende Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) schreibt z. B. ganz konkret in § 12 VAG für die private Krankenversicherung mit Alterungsrückstellung die Kalkulation nach den Vorschriften der sogenannten Kalkulationsverordnung (KalV) vor. Die dort für die Einführung der Unisextarife erforderlichen Änderungen wurden aber mangels Ermächtigungsgrundlage leider nicht unterschrieben. So ist dort bislang immer noch - insbesondere für die dafür verantwortlichen Aktuare der PKV - verbindlich festgelegt, dass für Männer und Frauen die Schäden und Prämien getrennt zu kalkulieren sind. Jedenfalls soweit mit Alterungsrückstellungen gerechnet wird - für die private Vollversicherung ist dies unabdingbar vorgeschrieben.
Wenn Versicherer bereits ohne ausreichende Gesetzesgrundlage geschlechtseinheitliche Prämien berechnen, verstoßen sie mithin gegen nationales Recht.
Sie argumentieren dabei, dass EU-Recht vorrangig wäre und deshalb ab 21. Dezember – egal was der Deutsche Gesetzgeber sagt – unterschiedliche Beiträge für Männer und Frauen laut EU nicht mehr verwendet werden dürften. Frauen könnten sonst z. B. in der PKV unter Berufung auf EU-Recht darauf bestehen, gleiche Prämien wie Männer zu zahlen, wenn man weiter gemäß nationalem Recht unterschiedliche Prämien kalkulieren würde. Es sei mindestens ein erhebliches Rechtsrisiko, wenn Versicherungsnehmer diese Gleichbehandlung einklagen sollten.
Dies mag zutreffen – doch dass das eine nun verboten ist, heißt noch lange nicht, dass das andere nun in Deutschland bereits erlaubt wäre. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen für geschlechtseinheitliche Prämien für neue Verträge nicht rechtzeitig geschaffen hat, folgt daraus schlicht, dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen EU-Vorgaben zunächst einmal gar keine neuen Verträge mehr geschlossen werden können. Rechtsrisiken durch Klagen von Frauen auf Gleichbehandlung mit Männern oder umgekehrt kann es mithin dann auch gar nicht erst geben.
Lieber aber verstösst man gegen deutsches Recht – auch die Hoffnung, der mit dem Ende des Mayakalenders verbundene Weltuntergang würde dies verhindern, hat sich ja nicht erfüllt. Bedauerlicherweise führt genau das nun zu möglichen Klagen von ab 21. Dezember 2012 privat krankenversicherten Männern, die statt der hohen Unisexbeiträge lediglich ihre eigenen risikogerecht kalkulierten Beiträge gemäß den Vorschriften der für diese noch geltenden bisherigen Kalkulationsverordnung zahlen wollen. Dabei können sie sich auf § 203 Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) berufen, wo festgelegt ist:
„Bei einer Krankenversicherung, bei der die Prämie nach Art der Lebensversicherung berechnet wird, kann der Versicherer nur die entsprechend den technischen Berechnungsgrundlagen nach den §§ 12, 12a und 12e in Verbindung mit § 12c des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu berechnende Prämie verlangen.“
Danach ist dann auch die Kalkulationsverordnung nicht nur aufsichtsrechtlich, sondern auch vertragsrechtlich maßgeblich. Zu deren Erlass wird das Finanzministerium im genannten § 12c VAG grundsätzlich ermächtigt, hat aber mangels konkreter Ermächtigungsgrundlage für Unisexbeiträge zum 21. Dezember 2012 die dafür erforderlichen Änderungen dieser KalV auch nicht unterschrieben.
Ab diesem Termin nach Unisexbeiträgen privat krankenversicherte Männer können also unter Berufung auf § 203 Abs. 1 VVG auch nachträglich verlangen, in ihre eigene Beitragsgruppe nach günstigen Männerbeiträgen eingestuft zu werden. Darin verbleiben sie dann auch lebenslang, da die Unisexbeiträge allenfalls für Neuverträge gelten.
Dies greift in allen Tarifen, die „nach Art der Lebensversicherung“ kalkuliert sind, d. h. mit Alterungsrückstellungen. Nach Art der Schadenversicherung ohne Alterungsrückstellung durfte man hingegen immer schon geschlechtseinheitlich kalkulieren – dafür muss der Versicherer gar nicht erst eine Kalkulationsverordnung beachten.
Es wäre nicht das erste Mal, wo der Bundesgerichtshof später die gemeinsame Einschätzung von Aufsicht, Versicherern und deren Verbänden als falsch beurteilt hat. So wurden vom Bundesgerichtshof auch bereits die seinerzeit einmütig von Versicherungsaufsicht, Versicherungslobby und Versicherern als vermeintlich notwendig und zulässig umgesetzten Änderungen unwirksamer Abschlusskostenklauseln im Treuhänderverfahren wiederum als unwirksam beurteilt – Milliarden Euro an möglichen Nachforderungen von Versicherungskunden waren die Folge.
Nachdem die PKV nicht die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für EU-konforme Unisexbeiträge abwarten konnte, muss sie nun erst recht mit einer großen Zahl Klagen betroffener Männer rechnen. Dass diese nicht klaglos das Diktat der EU akzeptieren, schließen die Autoren auch aus deren zunehmender Nachfrage nach Rentenversicherungen bei den Eidgenossen, wo man seit dem Rütli-Schwur solch fremde Diktate ablehnt. Versicherungsvermittler – Agenten oder Makler - in Deutschland wie auch der Schweiz dürfen diese Tarife allerdings mangels Zulassung nicht an Kunden in Deutschland vermitteln – ihnen bleiben dank EU nur die ungünstigen Unisextarife.
von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Lehrbeauftragter für Bürgerliches- und Versicherungsrecht (Univ.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).