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Was Frau vielleicht bisweilen erdulden muss?
Achtung: Hier schreibt ein Mann und vielleicht begibt er sich gerade auf eisiges Glatteis. Aber Mann denkt, dass es sich wahrscheinlich nicht immer völlig vermeiden lässt, dass der Blick eines hetero- oder bisexuellen Mannes, der einer Frau gegenübersteht, ihre Brüste streift, dass ihm gefällt, was er sieht und dass Frau ihm ansieht, dass ihm gefällt, was er sieht. Es passiert bisweilen (bitte den ganzen Artikel lesen, auch wenn es sie bereits jetzt drängt, einen Kommentar und/oder Widerspruch zu schreiben). Und ja, vielleicht ist es von mancher Frau bisweilen auch gewollt, dass Mann schaut, sofern der Mann DER Mann (oder einer der Männer) ist, dessen (deren) Blick sie anziehen möchte. Und sie muss dann möglicherweise auch bisweilen damit leben, dass ein Blick eines Mannes (kurz!) auf ihren Brüsten landet, der nicht in IHR Beuteschema passt. Möglicherweise.
Bitte beachten: Das hier Geschriebene ist meilenweit von der unsäglich dummen Argumentation entfernt, eine vergewaltigte Frau sei ja irgendwie auch ein bisschen selbst schuld, weil ihr Rock so kurz war!
Was jene Frau mit Sicherheit nicht erdulden muss, ist ein Starren eines Mannes, der jede Distanz vermissen lässt, der den Blick auf ihren Brüsten und Beinen und/oder ihrem Po verharren lässt, als würde ihm das alles gehören. Hier versagt jeglicher Instinkt, mangelt es an Respekt. Starren ist „pfui“, es sei denn, sie will es und macht sehr, sehr, sehr klar, dass sie es will!
„Nein“ ist einfach „nein“
Eine Frau sagt auf vielerlei Art und Weise „nein“ oder „zu viel!“, wenn ihr das Verhalten eines Mannes unangenehm ist. Sie sagt es vielleicht mit ihren Augen, ihre Mundwinkel verziehen sich möglicherweise, ihr Körper weicht zurück. So etwas lässt sich lesen, wenn man sich etwas anstrengt. So etwas lässt sich von Frauen UND von Männern lesen. Und so etwas macht Grenzen deutlich, den Wunsch nach einem „Bis hierhin und nicht weiter!“. Man muss (sollte) nicht den Anspruch haben, alle Wünsche aller Menschen zu jedem Zeitpunkt erfüllen, aber dieser Wunsch sollte definitiv respektiert werden. Definitiv.
Nun wäre vielleicht manche Ehe oder auch manches Abenteuer, dass Mann UND Frau Spaß bereitet hat, nie zustande gekommen, wenn Mann nach dem ersten „nein“ aufgehört hätte zu werben? Vielleicht „ja“. Und was nun? Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass nach einem „nein“ einer Frau maximal ein sehr unaufdringliches Werben gestattet und vielleicht auch aussichtsreich ist, ein leises „wenn du vielleicht doch willst, bin ich da“? Die Betonung liegt auf „leise“!
Kehren wir zu Laura Himmelreich und Rainer Brüderle zurück. Ein Zitat aus dem Stern, der hier wiederum Laura Himmelreich zitiert:
"Ich möchte, dass Sie meine Tanzkarte annehmen." "Herr Brüderle", sage ich, "Sie sind Politiker, ich bin Journalistin." "Politiker verfallen doch alle Journalistinnen", sagt er. Ich sage: "Ich finde es besser, wir halten das hier professionell." "Am Ende sind wir alle nur Menschen."
Quelle: [Stern Spitzenkandidat]
WENN (Achtung: Konjunktiv!) sich die Szene genauso abgespielt hat, wie sie hier beschrieben wird, dann hat Rainer Brüderle sehr klare Signale missachtet. Den ersten Flirtversuch mag ihm niemand vorwerfen. Vielleicht taugt nicht einmal unbedingt zum Vorwurf, dass sein Blick ihre Brüste berührt hat, sofern er nicht zum Starren wurde oder durch häufiges Wiederholen jegliche Distanz vermissen ließ. Festhalten lässt sich: In der oben skizzierten Szene hat sie ihm klare Grenzen gesetzt. Körpersprache kann man eventuell noch missdeuten, aber es gab in der hier zitierten Szene eine klare verbale Willensäußerung, bei der es für einen intelligenten Menschen kaum Interpretationssielraum gibt. „Ich will nicht“ lautete die Botschaft. Hier nochmals ein Zitat aus dem Stern, der Laura Himmelreich zitiert. [Ich weiß, gute Journalisten zitieren nicht jemanden, der jemanden zitiert, aber ich bin KEIN guter Journalist, ich bin nur Schreiberling.]
„Gegen ein Uhr nachts tippt ihm seine Sprecherin an die Schulter. Brüderle verabschiedet sich von den umstehenden Männern. Dann steuert er mit seinem Gesicht sehr nah auf mein Gesicht zu. Ich weiche einen Schritt zurück und halte meine Hände vor meinen Körper.“
Quelle: [Stern]
Wenn die Szene anschließend so weitergegangen ist, dann hat sich Herr Brüderle wohl sehr bewusst über Grenzen hinweggesetzt, die Frau Himmelreich sehr deutlich gesetzt hat. Und in Bezug auf ihren Körper ist sie die einzige, die zur Grenzsetzung berechtigt ist. Wenn sie „Stopp“ sagt, heißt das „Stopp“. Er hat hier keinerlei Rechte. Seine Art der Grenzverletzung (wenn sie denn so stattgefunden hat, wie sie beschrieben wurde) wäre dann aus meiner Sicht durchaus eine Entschuldigung wert.
Der schmale Grat!
Es ist bisweilen ein sehr schmaler Grat zwischen der – wie auch immer geäußerten – Lust auf Sex und einem Frauen abwertenden Sexismus. Lassen wir die Diskussion, wie Sexismus“ konkret definiert wird, einmal beiseite und behaupten hier einfach, Sexismus sei ein Verhalten, mit dem ein Mensch einem anderen Menschen gegenüber auf irgendeine Weise äußert, dass er (sie) ihn (sie) rein als SexualOBJEKT sieht (Ich weiß, wie angreifbar dieses kleine Definitionsfragment ist). Dann wäre Rainer Brüderles Verhalten, wenn er sich so verhalten hat, wie es beschrieben wurde, wohl sexistisch! Er hätte sämtliche Grenzen, die sie ihm gesetzt hat, (wohl bewusst!) ignoriert und sie damit zum SexualOBJEKT degradiert.
Löst man sich von der konkreten Situation (Brüderle / Himmelreich), wird die Sache mit dem Sexismus im Alltag komplizierter, weil es wahrscheinlich weniger um allgemeine Regeln und mehr im Miteinander um individuelle Grenzen (in erster Linie von Frauen) geht, die jede Frau unterschiedlich setzen wird und die Mann erkennen und respektieren sollte.
Nehmen wir ein ganz profanes Beispiel: Nehmen wir einen Kalender mit barbusigen Frauen. Nehmen wir zudem an, ich sitze mit einer Kollegin zusammen in einem Büro und ich besitze solch einen Kalender. Für mich ganz persönlich (und ich kann hier nur für mich ganz persönlich sprechen) ist er wahrscheinlich erst einmal schön, anregend und völlig in Ordnung. Ich würde ihn gerne im Büro aufhängen. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn meine Kollegin zugleich einen Kalender von Traumtypen mit Waschbrettbäuchen aufhängt, während ich selbst leider nur einen Waschbärbauch zu bieten habe. Also hänge ich den Kalender auf? Mit etwas Instinkt tue ich es vielleicht nicht, ohne meine Kollegin vorher zu fragen. Und mit etwas Instinkt hänge ich ihn vielleicht NICHT auf, wenn es meine Kollegin stört! Ich denke, 99,9 Prozent der Männer würde es letztlich aushalten, wenn sie den Kalender nicht aufhängen dürften, weil sich ihre Kollegin daran stört, und die restlichen 0,1 Prozent sollten sich eventuell therapieren lassen. Grenzen! Es geht bei dieser ganzen Sexismus-Debatte vielleicht wirklich um individuelle Grenzen, die man stets mit der nötigen Sensibilität neu ausloten muss, es geht um Respekt vor diesen Grenzen und vor dem anderen Menschen und es geht um Kommunikation.
Was nicht auszuschließen ist!
Kehren wir ein letztes Mal zur Geschichte Brüderle/Himmelreich zurück, ehe dieser Artikel endet. Es ist natürlich schon irgendwie bemerkenswert, dass die ganze Geschichte aufkommt, nachdem Rainer Brüderle zum Spitzenkandidat der FDP geworden ist. Zufall? Vielleicht. Vielleicht nicht? Es ist vielleicht oder vielleicht nicht ebenso wenig Zufall wie die Bekanntgabe von diversen Vortragshonoraren eines Kanzlerkandidaten zu dem Zeitpunkt, an dem sie erfolgt ist? Meines Wissens wurden die Honorare nach der Nominierung Steinbrücks als SPD-Kanzlerkandidat bekannt; bitte korrigiert mich, wenn das nicht stimmt. Fakt ist: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung einer Information ist die eine Sache und vielleicht einem politischen Kalkül geschuldet, der Wahrheitsgehalt ist eine andere. Damit ist nicht gesagt, dass Herr Brüderle ... und so ... es ist nur gesagt, dass es sich hier um zwei verschiedene Diskussionen handelt. Und hier soll dieser Artikel dann auch enden. Ende.
Ansgar Sadeghi
Bild wikipedia