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Religionen

Die Zukunft der Religionen

Am

ReligionenTrotz Gottes Tod, den Nietzsche mit guten Argumenten verkündet hatte, trotz ebenso guter Argumentation, dass jede Religion ein Opium sei, mit dem ein Volk betäubt werden könnte und auch trotz der Behauptung, dass gläubige Menschen einen Fehler in ihrem Gehirn hätten, leben Religionen fröhlich weiter, als sei nichts geschehen. Über Jahrhunderte hinweg hat ein Heer von Philosophen und Wissenschaftlern mit dem Schwert der Aufklärung dem Tod der Religionen einen Weg bereitet. Haben all diese mal feinsinnigen, mal groben, schlagkräftigen und komplexen Argumente und Erfahrungen nichts gebracht? Wäre der eigentliche Unglaube die Herrschaft einer Vernunft, Könnten Religionen längst zumindest aus dem öffentlichen politischen Raum ausgeschlossen sein. Doch noch immer nehmen sie einen wesentlichen Platz in diesem Raum ein.


Denkfehler

Bereits die Alternative „Glaube oder Unglaube“ ist eine bloße Scheinalternative – ebenso wie die Rede von dem „Glaubenssprung“, den man wagen müsse. Diese Ansichten gehen von der gleichwohl falschen theologischen und philosophischen Voraussetzung aus, es müsse zwei Räume geben, die ganz eindeutig voneinander getrennt seien: Einen Raum des Glaubens und einen des Unglaubens. Doch stattdessen unterstützt der Glaube immer den Unglauben und umgekehrt. Philosophen wie Wittgenstein haben seit jeher vehement bestritten, dass Nicht-Glaube überhaupt möglich sei. Jeder Mensch hat schon immer einen dem Glauben vorausgehenden Glauben in unserer Sprache, in unserer Lebensform, in unserer Kultur angenommen. Wir haben – allein durch unser Sprechen, Aussagen und Überzeugungen angenommen. Wir sind somit in eine wie auch immer geartete metaphysische Gemeinschaft hineingeboren. Der Irrtum besteht also in der Annahme, ein gepflegter Unglaube, also die völlige Abwesenheit von Glaube, sei nicht nur realisierbar, sondern auch noch ein Ausweg aus Krisen im sogenannten Kampf der Religionen und Kulturen.

Mit den anderen leben

Tatsächlich vermeidet ein Unglaube diesen Kampf nicht, sondern schürt ihn, indem er zu ignorieren versucht, dass wir schon immer Glaubenssätze akzeptiert haben, um leben zu können. Wir kommen nicht umhin, mit dem Glauben auch anderer zu leben. Wir kommen nicht umhin, über den eigenen Glauben Rechenschaft abzulegen. Ohne uns darüber bewusst zu werden, was uns Überzeugungen annehmen lässt, bleibt Unglaube naive, infantile Trotzreaktion und Sturheit. Die Vorstellung, in einer Welt reiner Tatsachen zu leben, ist blanker Unsinn. Es gibt keine Welt der Fakten, ohne Beimischung von Glauben und Interpretation. Und selbst dieser Satz bleibt – ob man ihm gänzlich zustimmt oder komplett ablehnt – eine Auslegung, wie auch jede Wissenschaft immer und ausschließlich Interpretation ist, bis hin zu einer Theorien-Getränktheit aller Erfahrung.

Beiderseitiger Chauvinismus

Die Interpretation ist die einzige Tatsache, von der wir sprechen können. Doch Religionen wie auch der dogmatische Atheismus versuchen, den Glauben oder Nichtglauben zu einem „Sein der Dinge“ zu machen. Da aber dieses Sein der Dinge untrennbar mit dem Dasein des Menschen verbunden ist, erhöhen Religionen und Atheismus den einen Menschen und erniedrigen den anderen. Fundamentalistische Religiosität und dogmatischer Atheismus sind somit gleichermaßen Chauvinistisch, wobei der Unterschied darin besteht, dass es den Gläubigen schwerer fällt, von dem einen Raum in den anderen zu wechseln, als dem Atheisten, der sich geistig mit dem Glauben befasst. Wenn es also diese Räume gäbe, müssten die Wände zwischen ihnen schnellstens niedergerissen werden. Niemals dürften neue gezogen werden.

Wertvorstellungen verbinden

Zukünftig dürfte es weder für gläubige Menschen, noch für ungläubige eine Rolle spielen, wie der jeweils andere seine Welt interpretiert. Dies würde auch die Machtpoilitik und deren Folgen unterwandern. Weder dürften Ungläubige dem Teufel geweiht, noch Gläubige für dumm erklärt werden. Eine neue Religion müsste eine rationale Rekonstruktion bisheriger Religionen sein, deren empirischer Boden die Übereinstimmung von Wertvorstellungen ist, so wie sich ein neuer Atheismus zugleich aus einer Rekonstruktion atheistischer Philosophien auf dem gleichen Boden entwickeln muss. Dies würde bedeuten, dass Religion nicht „Nicht-Kirchlich“ sein muss – denn gläubige Menschen, die gemeinsam beten, können schon eine Kirche bilden – sondern Antiklerikal in dem Sinne, dass sie ständig Strukturen und Hierarchien überprüfen und in Frage stellen. (So wie es das Abraham-Gleichnis zeigt). Dies muss gleichermaßen für den Atheismus gelten. Auch hier dürfen sich keine Strukturen bilden, die eine Hierarchie schaffen, in der derjenige mit den schlagkräftigsten Argumenten oder der größten Sammlung an Fakten gegen einen Glauben, eine höhere Position, einen höheren Wert erhält. Dieser Atheismus wäre, wie die Religion antiklerikal, „antipatriarchal“. (So wie bei Nietzsches Zarathustra).

Machtstrukturen bekämpfen

Wenn dann der Glaube den Unglauben unterstützt oder der Unglaube den Glauben – und dies bewusst – könnten auch diese Scheinalternativen keinen Schaden im menschlichen Miteinander anrichten und vor allem alle Menschen vor einer Machtpolitik schützen, die sich immer von der Spaltung der Menschen nährt. Unterstützen sich Glaube und Unglaube dann gegenseitig, unterstützen sie gemeinsam den Abbau von Hierarchien, von blindem Gehorsam und von patriarchalischen Strukturen.

Uwe Koch

Diakonisches Werk darf Bewerber nicht wegen Religion ablehnen

Integration - Am 05. Februar 2008 veröffentlicht.

Kirchliche Arbeitgeber dürfen nach einer Gerichtsentscheidung Angehörige anderer Religionen bei der Vergabe bestimmter Arbeitsstellen nicht wegen ihrer Glaubensrichtung benachteiligen. In einem am Montag veröffentlichten Beschluss verurteilte das Hamburger Arbeitsgericht das Diakonische Werk Hamburg deshalb zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von drei Monatsverdiensten an eine Deutsch-Türkin, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte.

Das zur Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche gehörende Sozialwerk hatte die gebürtige Muslimin bei ihrer Bewerbung auf eine von Bund und EU fremdfinanzierte Stelle als Sozialpädagogin in einem Projekt zur beruflichen Integration von Migranten wegen ihrer Religion abgelehnt.

Das Sozialwerk hatte mit der Stellenausschreibung angegeben, als diakonische Einrichtung setze es die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche voraus. Auf Nachfrage des Arbeitgebers hatte die Bewerberin mitgeteilt, sie sei gebürtige Muslimin, praktiziere aber keine Religion. Auf die Frage, ob sie sich den Eintritt in die Kirche vorstellen könne, sagte sie, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise. Daraufhin wurde sie abgelehnt.

Nach Ansicht des Gerichts darf jedoch für die konkrete Tätigkeit das Selbstverständnis der Kirche nur dann eine entscheidende Rolle spielen, wenn es sich um eine Stelle im sogenannten verkündungsnahen Bereich handelt, wo das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht greife. Im vorliegenden Fall sei für die Stelle die Forderung nach einer Kirchenzugehörigkeit nicht gerechtfertigt.

(Aktenzeichen 20 Ca 105/07 vom 4. Dezember 2007)

Kinderfilme über Religion, Weltanschauung und soziale Themen

Matthias-Film - Am 18. Juni 2001 veröffentlicht.

Der Medienvertrieb Matthias-Film bereitet den Einstieg in den kommerziellen Lizenzhandel vor. Das der Evangelischen Kirche nahestehende Unternehmen, das bisher in erster Linie Filme, Videos und DVDs für den Einsatz in Schulen und Bildungseinrichtungen bereit gestellt hat, baut einen Vertriebsarm auf, der sich nicht mehr auf den non-profit-Bereichs beschränkt. Wie der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH, Friedemann Schuchardt, in Stuttgart ankündigte, wird Matthias-Film bei dem neuen Vertriebsarm "Film +" drei Schwerpunkte setzen: qualitativ hochwertige Kinderprogramme und Filme für Senioren mit den Themenschwerpunkten Religion, Weltanschauung und Soziales.

In die Öffentlichkeit treten möchte das Stuttgarter Unternehmen mit dem neuen Vertriebsarm im Herbst. "Die technischen Vorbereitungen sind schon abgeschlossen", sagte Schuchardt. Wenn das Projekt Erfolg habe, solle daraus eine eigenständige Firma werden. In diesem Fall würden diese Aktivitäten aus dem gemeinnützigen GmbH ausgegliedert.

Der Aufbau des neuen Vertriebsarms wurde laut Schuchardt aus Mitteln der Evangelischen Kirche in Deutschland im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der evangelischen Publizistik finanziert. "Wir hätten das aus eigenen Mitteln nicht machen wollen und können, außerdem kennt unser Gesellschaftsvertrag solche Aktivitäten nicht", betonte Schuchardt.

Der 1950 gegründete Filmvertrieb Matthias-Film GmbH gehört mehrheitlich dem Diakonischen Werk. Weitere Gesellschafter sind sieben EKD-Gliedkirchen, drei Presseverbände und sowie weitere kirchliche Gesellschafter. Das Unternehmen erwirbt vor allem nicht-kommerzielle Lizenzen für die Nutzung von Filmen unterschiedlicher Genres im deutschsprachigen Raum. Zum Programm gehören neben Dokumentationen zu gesellschaftspolitischen, kulturellen und religiösen Themen Spiel- und Animationsfilme für Kinder und Jugendliche, internationale Kinofilme sowieWeiterbildungsmedien.

Ein Anlass für die Konzipierung des neuen Vertriebsbereichs war die expandierende Produktion der Film- und Fernsehproduktionsfirma Eikon in Potsdam, die ebenfalls der Evangelischen Kirche nahe steht. "Dabei ging es zum einen darum, eine eigenständige Auswertung von Eikon-Produktionen auch über die Kontakte, die zum Teil weltweit existieren, zu erreichen," berichtet Schuchardt. Zum anderen wollte man sich die Möglichkeit eröffnen, "Produktionen im Ausland einzukaufen, um sie dann hier mit Fernsehstationen auszuwerten."

Im internationalen Bereich möchte Matthias-Film mit seinem neuen Vertriebsarm unter anderem die Eikon-Produktion "Jahrestage" vermarkten. Die vierteilige Literaturverfilmung von Margarethe von Trotta hatte im Januar einen Grimme-Preis in Gold gewonnen. Die TV-Ausstrahlungsrechte für Deutschland liegen zwar für zwölf Jahre bei der federführenden ARD-Anstalt WDR, alle anderen Rechte hat der Produzent Eikon aber zurückbehalten und an Matthias abgegeben. "Jahrestage" ist damit ein Paradebeispiel für die neue Schwerpunktbildung Produktion durch Eikon und Verwertung überMatthias-Film.

Lebensgestaltung-Ethik-Religion (LER)

Hintergrund - Am 26. Juni 2001 veröffentlicht.

Im Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) sollen die Schüler "bekenntnisfrei, religiös und weltanschaulich neutral" unterrichtet werden. So steht es in dem Gesetz, das im Land Brandenburg seit 1996 Gültigkeit hat. Neben Wissen um Religionen, Weltanschauungen und Kulturen soll auch das Nachdenken über Fragen der Lebensorientierung angeregt werden. Kirchen und Religionsgemeinschaften haben die Möglichkeit, sich an dem Unterricht zu beteiligen. In Brandenburg sind die Kirchen jedoch bereits aus dem Modellversuch ausgestiegen.

LER wird ab der siebten Klasse angeboten. Die Schüler können sich von dem Fach befreien lassen und statt dessen von den Kirchen in Eigenregie angebotene evangelische oder katholische Religionskurse besuchen. Derzeit wird an rund 70 Prozent der allgemein bildenden Schulen in Brandenburg LER unterrichtet. Für ein flächendeckendes Angebot fehlen Lehrer. Rund 65.400 Schüler (44 Prozent) der Klassen 7 bis 10 gehen in Brandenburg in LER-Kurse. 2.368 haben einen Antrag auf Unterrichtsbefreiung gestellt. Den freiwilligen Religionsunterricht besuchen knapp 16.000 Schüler.

Nach Artikel 7 des Grundgesetzes ist Religion bundesweit an öffentlichen Schulen ein ordentliches Unterrichtsfach. Allerdings gibt es eine Ausnahmeregelung (Artikel 141), auf die sich Länder berufen können, in denen 1949 bereits eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Neben Brandenburg nutzen auch Bremen und Berlin diese Ausnahmeregelung.

Anders als in den alten Bundesländern findet der Religionsunterricht im Osten Deutschlands nur wenig Resonanz. In der DDR gab es Religion nicht als schulisches Lehrfach, drei Viertel der Bevölkerung in den ostdeutschen Ländern sind konfessionslos. Nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Quote der Schüler, die am Religionsunterricht teilnehmen, in Sachsen-Anhalt am geringsten. Dort besuchen 10,4 Prozent der Grundschüler das Fach. Am höchsten ist die Quote mit rund 94 Prozent in Niedersachsen.

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