Als ich heute Morgen um sieben Uhr aufgestanden bin, war es natürlich schon acht Uhr und seitdem bemühe ich mich, die sechzig Minuten irgendwie wieder aufzuholen, begleitet von Flüchen und allerhand guten Wünschen an die Politik.
Wenn die Sonne ihren höchsten Stand hat, ist es für mich vom Gefühl und der Sonnenzeit her, genau zwölf Uhr, während mir das kleine politische Menschlein, das es besser als die Sonne weiß, vorgaukelt, es wäre schon eins. Da wird sich einfach über unser Zentralgestirn und das Gefühl hinweg gesetzt. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen, um eine überdimensionierte Sonnenuhr zu erwerben, die dann wahlweise entweder vor dem Bundestag oder vor dem Kanzleramt aufgestellt werden soll. Aber ich habe da so meine Bedenken. Ob dieser Wink mit dem gesamten Zaun überhaupt in die Berliner Betonköpfe vordringt?
In völliger Konfusion befand sich übrigens meine Schwägerin, die ihre Tochter zu einem Tanzwettbewerb begleiten sollte. Der findige Busfahrer, der die Truppe fahren sollte, hatte die Abfahrtzeit in der Nacht von Samstag/Sonntag auf 2.30 Uhr festgesetzt - offensichtlich in Unkenntnis dessen, das es diese Uhrzeit infolge der Zeitumstellung überhaupt nicht gab! Wie das ganze letztendlich ausgegangen ist, muss ich im Verlaufe des heutigen Tages noch telefonisch klären, fällt mir da gerade ein.
Wie einfach Zeitreisen zu bewerkstelligen sind, hätte selbst Einstein sich nicht träumen lassen, denn wir alle haben ja eine solche per Gesetz hinter uns. Wir alle waren in der verlorenen Stunde schneller als das Licht. Worum sich die Neutrons vergeblich bemühen, darüber kann unsere Regierung nur lachen, die menschliche Gesetze, ganz einfach einmal eben so, über physikalische stellt.
Da dachte man, die Zeiten, in denen die Erde eine Scheibe war und die Sonne um die Erde kreiste, wären lange vorbei. Was damals die Kirche unwiderruflich festlegte - worüber wir uns heute noch brüskieren - nehmen wir staatlicherseits unkommentiert hin. Mit Ausnahme von mir, wenn ich es recht bedenke.
Jedenfalls werde ich dieses Jahr meinen Boykott der Sommerzeit rigoros durchziehen, wobei ich jetzt schon alle meine Freunde darauf hinweise, dass bei mir bis Oktober unbedingt mit sechzigminütigen Verspätungen zu rechnen ist. Jeder Empörung darüber kann ich mit einem kurzen Fingerzeig in Richtung Sonnensystem sofort den Wind aus den Segeln nehmen. Bei Bahnreisen wäre ich sowieso ungeschlagen im Vorteil, weil sämtliche Züge für mich auf einmal überpünktlich sind.
Nun kann ich auch endlich wieder langsamer werden, denn ich habe mir gerade sechzig Minuten Lebenszeit geschenkt.