Gas-Leck auf Total-Plattform
Es ist schon erstaunlich wie nachdrücklich lernresistent die Konzerne der konventionellen Energiewirtschaft sind. Kein Ereignis ist tragisch oder gewichtig genug, um eine Suche nach sinnvollen, nachhaltigen und am Ende wirtschaftlich stabilen Geschäftsmodellen zu priorisieren. Erinnern wir uns an die Deep Water Horizon im Golf von Mexiko - auch wenn das Thema schon vielen zu dem Zeitpunkt lästig war, als es sich noch durch Aktualität auszeichnete.
Der Vorfall hatte zur Folge, dass große Teile der zumeist aus Mangroven-Wäldern bestehenden Uferlandschaften des Mississippi Flussdeltas, das in den Golf von Mexiko mündet, mit Öl überdeckt wurden. Diese Mangroven-Wälder sind die natürliche Kinderstube dieser Region, die viele Arten als Brut- und Laichstätte brauchen, um ihre Bestände stabil zu halten. Außerdem ist es ein wichtiger Fischerei Fangplatz für Garnelen, Krabben und Flusskrebse. Der Schaden für die Biodiversität ist nach wie vor nicht seriös abschätzbar.
Seither gab es einigermaßen viel Lärm um den Betreiber BP, der sich einer Massenklage von rund 100.000 Betroffenen gegenüber sah und eine Vergleichszahlung von insgesamt 7,8 Milliarden US-Dollar anbot. Allerdings vehement darauf insistierend, dass diese Zahlung kein Eingeständnis einer Haftungsverpflichtung sei. Das Geld werde aus einem eigens für dieses Thema angelegten Fonds mit einem Volumen von 20 Milliarden US-Dollar gezahlt. Gleichzeitig verklagten sich die drei beteiligten Konzerne der Affäre - BP, Transocean und Halliburton - gegenseitig. Auch die US-Regierung betonte, sie behalte sich eine eigene, von diesem Vergleich unabhängige Klage vor.
Was ist seither passiert?
Die Reaktionen zeigen, dass sich die Betroffenheit sowohl der Betreiber, ihrer Zulieferer, als auch der US-Regierung und der vor Ort Ansässigen in Grenzen hält. Das einzige, was sie wirklich betroffen macht, ist, dass die kleine Schatzkiste des Mississippi Deltas nicht mehr so viel Profit abwirft. Und dafür kann man ja klagen. In einem Land wie den USA mit besonders guten Aussichten auf Erfolg. Dass dort ganze Ökosysteme ausgelöscht und viele Tiere elendig verendet sind, hat - wenn überhaupt - ein paar Dutzend Umweltschützer und andere Romantiker empört. Die Anwohner haben vor allem ihre Einnahmequelle im Visier. Wer kann es sich heute schon leisten, sich Gedanken um die Umwelt zu machen - gerade weil wir sie systematisch und mit allen Mitteln zerstören?
Da müssen wir schon Prioritäten setzen und die ökologischen Aspekte auch aus ökonomischer Perspektive bewerten. "Es rechnet sich nicht, jedem Laubfrosch hinterher zu quaken.", ließ Gerhard Polt eine seiner Figuren schon in den 1980er Jahren laut herausposaunen. In einer Welt, in der Menschen nur mit Geld überleben können, zählt eben auch zu allererst das Geld. Wenn dann noch Zeit ist, können wir uns gerne Gedanken um andere Dinge machen.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die US-Regierung dem Konzern mit dem ehrenvollen Namen Noble Energy Bohrrechte im Golf von Mexiko erteilt hat.
Entscheidender Faktor: Konsument
Wie durch diese Ausführungen zweifelsfrei klar wird, ist niemand auch nur im Geringsten daran interessiert aus solchen Katastrophen die einzig logische Lehre zu ziehen: dass Öl und Gas ein Ticket in den Abgrund sind. Nicht weniger als Atomkraft.
Die Verantwortlichen sind in keiner Weise bereit Schuld zu übernehmen und sich ihrer Verantwortung zu stellen. BP müsste umgehend die Konsequenz ziehen und die Bohrungen nach Öl sofort einstellen. Auch die US-Regierung müsste eine solche Konsequenz ziehen, indem sie keine neuen Bohrrechte vergibt. Nach wie vor sind alle der Meinung, sie hätten das Recht über diese Dinge rein aus wirtschaftlicher Perspektive zu entscheiden, obwohl sie mit jeder noch so unbedeutenden Aktion zweifelsfrei belegen, dass sie keinerlei Kompetenz für solchen Entscheidungen haben. Aber wer weiß - vielleicht macht es ein anderer Konzern besser. Immerhin ist Noble Energy nicht BP.
Was aber erneut mehr als klar wird, ist, dass der Konsument entscheidet. Nach wie vor kauft so ziemlich jeder Benzin und Diesel für sein Auto - der so genannte individuelle Personenverkehr per PKW macht laut Ernst Ulrich von Weizsäcker und seinen Co-Autoren 44% der gesamten, weltweiten Mobilität aus - fliegt hemmungslos in der Welt umher und findet auch Schiffsfahrten völlig in Ordnung. Dass genau diese Formen der Mobilität etwas mit Katastrophen wie dem Deep Water Horizon Desasters zu tun haben, können und wollen sie nicht sehen.
Die Macht liegt und bleibt beim Konsumenten.
Das Joch der Verantwortung
Würden die Konsumenten einhellig das Auto stehen lassen und nur fliegen bzw. mit dem Schiff fahren, wenn es wirklich notwendig ist, wären diese Konzerne längst Vergangenheit. Es ist und bleibt die Bequemlichkeit des Einzelnen, die diese Konzerne trotz solcher Verheerungen weiter erfolgreich sein lässt. Wenn BP mit seiner Schadensersatzklage gegen seine Co-Unternehmer erfolgreich ist, machen sie aus der Katastrophe im Golf von Mexiko noch ein profitables Geschäft. Ist das nicht das Wundervolle am Kapitalismus?
Dann drücken wir Total und Shell wohl schon jetzt kräftig die Daumen, dass auch sie jemanden zum Verklagen finden, um aus dem aktuellen Unfall ein Geschäft zu machen. Dann können alle auch weiterhin Auto fahren und mit Gas kochen oder heizen, ohne sich Gedanken machen zu müssen. Noch eine Brise DSDS und die Welt ist wieder in Ordnung.
Seit mehr als 11 Jahren freier Berater - Autor des Buches "Ökolution 4.0 - Wirtschaftliche und gesellschaftliche Imperative in Zeiten ökologischer und ökonomischer Krisen"