Kommunikation
Warum identifizieren sich die Bürger wider besseres Wissen mit der Berichterstattung? Weil wir alle wissen, dass Medien Meinung machen. Und wenn diese Meinung eine negative ist, befürchten wir, sie könnte abfärben. Wieso können Medien Meinung machen? Machen kommt von Macht. Medien haben die Macht, Meinung zu machen, weil wir alle ihnen diese Macht gegeben haben. Ja, richtig gelesen. Wir alle, die wir uns an die Medien wenden, sie nutzen und ihnen glauben, geben ihnen damit Macht. Und sie nutzen sie natürlich. Logisch. Sie verstehen es sogar als ihren Auftrag, uns mit Meinung zu füttern. Sie meinen, das sei nur Berichterstattung, wahrhaftig und ungeschminkt? Und jeder sollte sich daraus selbst seine Meinung bilden? Schöner Gedanke, nur leider nicht wahr.
Wortwahl und Einfärbung
Bereits wenn wir einen Sachverhalt schildern, also über ein Ereignis berichten, färben wir ihn subjektiv ein. Schon deshalb, weil wir ihn mit bestimmten Worten beschreiben. Worte haben Bedeutung, manchmal für alle Menschen die gleiche, manchmal völlig unterschiedliche. Und je nachdem welche Worte verwendet wurden, wird das Ereignis um das es geht, verstanden.
Ein schönes Beispiel dafür ist die Zwickauer Zelle: Die Medien, die diese Formulierung prägten, suchten ursprünglich nach einem Begriff, der mit so wenig Worten wie möglich so viel wie möglich aussagt. Heute weiß jeder, der Zwickauer Zelle hört, was gemeint ist. Aus Mediensicht also gut gemacht! Die Zwickauer jedoch, wie oben schon erwähnt, sehen das ganz anders. Für sie klingt diese Formulierung vor allem nach Negativimage und nach viel Arbeit, um dieses mit positiven Signalen zu kompensieren. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Stadt – sollte sie den Urheber der Formulierung finden – ihn wegen Verleumdung anzeigt. Und eine (Image-) Schadensrechnung aufmacht. In Deutschland wird noch wegen ganz anderer Dinge geklagt.
Die Sprache als Handwerkszeug
Bleibt die Frage: Hätte es Alternativen gegeben? Schließlich haben Nachrichten etwas mit Schnelligkeit zu tun und in Eile überlegt ein Journalist nicht lange, ob er mit einer Formulierung irgendjemandem auf die Füße treten könnte. Doch nun ist, im Nachgang und zum Lernen, ist Zeit. Hätte es also Alternativen gegeben? Ich behaupte ja. Man hätte die Stadt nicht bzw. nicht so oft in Verbindung mit den Tätern bringen müssen. Schließlich war deren Wohnort weder relevant für die Morde, noch war er wichtig im Zusammenhang mit der Aufklärung der Taten. Der Wohnort der Täter hätte auch irgendwo anders sein können, überall in Deutschland. Das Wort „Zwickauer“ vor „Zelle“ war unnötig. Vielleicht hätte man auch das Wort „Zelle“ nicht überstrapazieren sollen.
Andere Möglichkeiten wären gewesen: "die Neonazi-Terroristen", "die Neonazi-Terroristengruppe", "die Terrorzelle", "die Terrorclique". Wer mit Sprache umgeht, sollte sich dessen bewusst sein, welche Bedeutung Worte haben. Für Journalisten ist Sprache das Handwerkszeug überhaupt. Mehr Sensibilität in der Wortwahl ist wünschenswert – auch bei Zeitmangel. Denn die Ursache ist oft klein, die Wirkung groß. Und der Schaden oft nicht mehr reparabel.
Uta Pleißner