Jenaplan Gymnasium Nürnberg
Hoher Druck
Julia ist seit September 2011 an der Schule. Sie und ihre Eltern hatten sich für einen Wechsel vom staatlichen Gymnasium zu der Schule in privater Trägerschaft entschlossen, da sie sich dem psychischen Leistungsdruck nicht mehr gewachsen fühlte. Vormittags wurde der Lernstoff in die Schüler gestopft und kurze Zeit später mussten sie in Exen bzw. Schulaufgaben alles wiedergeben. Die Taktfrequenz war hoch, die Stofffülle enorm, Zeit zur Verarbeitung blieb praktisch nicht. Julia war erschöpft, ausgebrannt und frustriert. Sie zweifelte an sich und ihrer Intelligenz, abgesehen davon hasste sie Schule. Immer wieder klagte sie, dass sie so aber nicht leben wollte.
Neue pädagogische Konzepte
Das reformpädagogische Konzept des sozialwissenschaftlichen Jenaplan-Gymnasiums Nürnberg arbeitet nach dem bayerischen Lehrplan für Gymnasien, d.h. inhaltlich wird der gleiche Stoff vermittelt wie an einem staatlichen Gymnasium. Die Methoden unterscheiden sich jedoch wesentlich. Häufig werden die Lerninhalte von den Schülern entweder alleine oder in projektbezogenen Kleingruppen selbständig erarbeitet und anschließend im Plenum präsentiert. Immer stehen Lehrer und bzw. oder Sozialpädagogen zur Verfügung, die Anleitung geben, Fragen beantworten und Vorschläge machen. Der klassische Frontalunterricht findet ebenfalls Platz an der Schule, ist aber nur eine von vielen pädagogischen Methoden Lerninhalte zu vermitteln.
Lernen ohne Noten
Leistungsnachweise werden von den Kindern und Jugendlichen in den verschiedensten Formen erbracht. Ein Kompetenzraster, das jeder Schüler zu Beginn des Schuljahres für jedes Fach erhält, gibt einen Überblick über die zu erarbeitenden Lerninhalte und die möglichen Formen der Leistungsnachweise. Hierbei gilt es sogenannte Kompetenzpunkte zu erarbeiten. Diese können in Form eines schriftlichen Tests, einer mündlichen Abfrage, eines Referats, eines schriftlich ausgearbeiteten Projekts, einer Erarbeitung eines neuen Themas mit der Klasse zusammen und mit Hilfe weiterer Möglichkeiten erreicht werden. Die Schüler entscheiden dabei weitgehend selbständig wann sie sich mit dem Lernstoff sicher genug fühlen, um den Leistungsnachweis erbringen zu können. Obwohl den Kindern und Jugendlichen hier eine gewisse Freiheit gegeben wird, wissen alle wie viele Kompetenzpunkte sie in einem Schuljahr in den jeweiligen Fächern erreichen müssen, um das Klassenziel zu schaffen und in die nächste Jahrgangsstufe versetzt werden zu können.
Hohe Eigenverantwortlichkeiat
Der persönliche Fortgang innerhalb eines Schuljahres liegt also in der Verantwortung eines jeden Schülers selber, wird aber regelmäßig von einem Lerncoach - Lehrer oder Sozialpädagoge - begleitet. Die innere Einstellung zu Schule und Lernen verändert sich bei den Kindern, sie können nun begreifen, dass sie für sich selbst lernen und nicht für den Lehrer, da sie wissen die Verantwortung liegt in ihren eigenen Händen.
Hohe Sozialkompetenz
Den alt bekannten Klassenverband findet man am Jenaplan Gymnasium Nürnberg nur noch in den Hauptfächern. Nebenfächer werden häufig jahrgangsübergreifend unterrichtet bzw. projektbezogen bearbeitet. Alle Schüler arbeiten über die ganze Woche in den unterschiedlichsten Gruppen zusammen. Sie kennen sich alle untereinander an der Schule und haben für das eine oder andere Projekt oder in der einen oder anderen Werkstatt - so werden die Wahlfächer genannt - schon zusammen gearbeitet. Dies erzeugt und erfordert eine hohe soziale Kompetenz der Schüler. Immer wieder wechselnde Lernpartner zu erleben und sich auf sie einzulassen kann manchmal ganz schön herausfordernd sein findet Julia.
Projektabeit fördert vielfältige Kompetenzen
Julia gefällt die Projektarbeit an der Schule besonders. Kürzlich hatten sie die Aufgabe sich einer anderen Schule im Ausland vorzustellen. In der Projektgruppe wurden zunächst die Möglichkeiten erarbeitet, mit denen man sich am interessantesten der ausländischen Schule vorstellen konnte. Dabei fiel die Wahl auf ein Filmprojekt, ein Radio bzw. Podcastprojekt, die Darstellung über eine Homepage und weitere. In Kleingruppen wurde intensiv gearbeitet, alles geplant, organisiert und umgesetzt bis alles abgeschlossen und ins Englische übersetzt war. Da die ausländischen Schüler kein deutsch verstanden hätten mussten sämtliche mündlichen und schriftlichen Aussagen in englisch abgefasst werden. Zum Abschluss des Projekts präsentierten die Kleingruppen ihre Ergebnisse im Plenum.
Vorhandene Kompetenzen stärken
Ziel dieser groß angelegten und umfassenden Projektarbeit ist es bereits vorhandene Kompetenzen weiter zu fördern und das Kind darin zu stärken. Oliver war bereits mit der Erstellung von Webseiten vertraut und konnte diese Fähigkeiten im Projekt noch weiter ausbauen, Sandra hatte mit der englischen Konversation schon einige Erfahrung gemacht und übernahm so im Filmprojekt die Rolle des Moderators, der auf englisch alle Erklärungen geben konnte. Der Filmschnitt wurde Emil überlassen, sein Computer hatte bereits die notwendigen Programme installiert.
Das pädagogische Konzept zielt darauf ab vorhandene Kompetenzen weiter zu stärken und andere neu hervorzubringen bzw. weiter zu entwickeln. Dies trägt maßgeblich zur Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls bei. Jeder Schüler weiß, dass er etwas kann, auch wenn er sich natürlich bewusst ist, dass es andere Bereiche gibt, die er noch mehr fördern darf und soll.
Ganztags lernen
Das Ganztagskonzept der Schule ermöglicht die vielfältige Projektarbeit und individuelle und darüber hinaus vielseitige Gestaltung des pädagogischen Alltags, die durch die engagierten Fachlehrer und Sozialpädagogen den Traum einer Schule ohne Angst Realität werden lässt.
Die Schule wächst
Im Herbst 2010 öffnete das Jenaplan Gymnasium Nürnberg seine Pforte und startete mit den Jahrgangsstufen 5 - 7. Jährlich kommt nun eine weitere Jahrgangsstufe hinzu, bis die Schüler am Ende die Abschlussprüfung des bayerischen Abiturs ablegen können. In diesen Tagen laufen bereits wieder die Aufnahmegespräche für neue Schüler.
Schule macht Spass
Sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam an einem Strang ziehen, Wertschätzung erfahren, alle diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass Julia wieder gerne in die Schule geht und ebenfalls zu den Kindern zählt, die zu Beginn der Ferien rufen: „Och, schon wieder Ferien?“ (cgs)