So uneinheitlich das Meinungsbild auch sein mag, am schlüssigsten und nachvollziehbarsten ist der psychosomatische Ansatz: die Psyche (Seele) leidet unter pathogenen (krank machenden) Zuständen, und Soma (der Körper) reagiert mit Krankheiten. Manche Wissenschaftler machen Beziehungskonflikte für die Entstehung eines Burnout verantwortlich, also Spannungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, Ehepartnern, Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern. Dem Ausbruch körperlicher Symptome geht bei vielen Burnout-Betroffenen auch im sonstigen Leben eine zunehmende Sinnleere voraus. Bei fehlendem Lebenssinn drohen aber noch rascher Erschöpfungszustände, Entfremdung und Erholungsunfähigkeit - und in der Folge dann psychosomatische und neurotische Störungen, bei denen sich seelische Probleme in körperlichen Krankheitsbildern niederschlagen.
Besonders gefährdete Berufsgruppen
Das macht Sinn, wenn man sich die Statistiken ansieht: Personen aus sozialen Berufen wie Lehrer, Ärzte, Erzieher und Krankenschwestern neigen besonders häufig dazu, auszubrennen. Andere weisen auf Faktoren hin wie zu hohe Erwartungen, Rollenkonflikte, unklare hierarchische Strukturen, mangelhafte Unterstützung durch Vorgesetzte etc. Wieder andere nehmen das Auseinanderklaffen zwischen anfänglich hohen Engagement ("brennen") und der desillusionierenden Wirklichkeit unter die Lupe, in Verbindung mit unrealistischen persönlichen Erwartungen. Doch halt, sind das nicht auch Beziehungskonflikte, wenn jemand an die anderen zu hohe Erwartungen hat oder vor ihnen eine ungesunde Rolle spielt, wenn einer das hierarchische Gefälle missbraucht oder die Untergebenen unzureichend unterstützt? Das hieße genau genommen, dass die Ursachen von Burnout im zwischenmenschlichen Bereich zu suchen wären, und auf den Punkt gebracht, dass die pathogenen Faktoren in der Persönlichkeit des Betroffenen selbst zu finden sein müssten. Das ist zwar nicht sehr populär, da jedermann sich psychosoziale und innerpsychische "Schwachpunkte" nur bei anderen vorstellen mag. Andererseits liegt genau hier die größte Hoffnung für die Patienten.
Die eigentlichen Ursachen
Genau diese so genannten Schwachpunkte sind die größten Chancen für die Überwindung des Burnout, der sicherste Ausweg aus der Sackgasse - sobald sie dem Betroffenen bewusst (gemacht) werden. Diese Chancen heißen: nein sagen lernen statt unmöglichen Erwartungen hinterher zu hecheln, stop sagen lernen statt Missbrauch über sich ergehen zu lassen, sich Hilfe holen lernen statt die Zähne zusammen zu beißen - alles Fähigkeiten, die im Grunde mit erwachsen werden und mit Beziehungsfähigkeit zu tun haben. Es geht also nicht darum, kurz vor dem Zusammenbruch die einzelnen körperlichen Symptome zu addieren und einen schwelenden Burnout einzugestehen. Es geht darum, die vorher bereits aufkeimende seelische Symptomatik wahrzunehmen und sich gegebenenfalls aus einem Zustand der Selbsthypnose zu befreien: Die eigentlichen "Feinde" sind eher nicht die Schwindelgefühle, Herzrhythmusstörungen und Kreislaufprobleme - das sind nur die Folgen eines bereits zuvor verlorenen "Kampfes".
Der Ausweg für die Betroffenen
Die eigentliche Herausforderung ist es, Überforderungen früher zu erkennen und zu der überfordernden Person zu signalisieren, und wenn keine Entlastung eintritt, sich Unterstützung zu holen. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern: Ja beziehungsweise Nein sagen, wenn es dran ist, sich abgrenzen wann immer es dran ist, und stop sagen wenn es nötig ist. Es geht mehr und mehr darum, ungesunde Formen der Beziehung wahrzunehmen und die eigene Rolle im jeweiligen Spiel zu erkennen - in der Partnerschaft übrigens ganz genauso wie an der Arbeitsstelle. Doch Selbstwahrnehmung und Eigenreflektion werden im Informations- oder besser Desinformationszeitalter der postmodernen Reizüberflutung nicht unbedingt leichter. Deswegen brauchen Menschen mit beginnenden Burnout Symptomen noch etwas mehr als das. Teil III dieser Artikelserie soll noch einen Schritt weiter gehen - bleiben Sie dran!
Günter Voelk