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Junge beanspruchen die Definitionshoheit

Senioren: Alt ist, wenn man Seniorenresidenz googelt

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Karl Feldkamp - Gedanken zum Alt werdenDie Frauen haben sich in Deutschland inzwischen weitgehend emanzipiert, jedenfalls die jüngeren. Wir Alten, ob nun weiblichen oder männlichen Geschlechts, haben das offenbar noch vor uns. Despektierlich müssen wir uns Seniorinnen und Senioren nennen lassen. Das erzeugt keineswegs gehobenes Selbstvertrauen, zumal wir selbst kaum auf die Idee gekommen wären, uns so zu bezeichnen.


Junge beanspruchen die Definitionshoheit

Wer alt ist, und was jener in diesem natürlichen Normalfall zu tun habe, das glauben die jüngeren deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit und ohne Migrationshintergrund immer noch weitaus besser zu wissen als wir Alten selbst.

Alt ist für sie faltig, grauhaarig, vergesslich bis dement, kränkelnd, gebrechlich bis inkontinent und irgendwie immer pflegebedürftig. Alt ist darüber hinaus auch erfahren, langsam und gestrig. Alte schwärmen von guten alten Zeiten und wollen Jüngeren immer die eigenen Erfahrungen aufzwingen.

Kannst du als so genannter Senior davon nur wenig oder fast gar nichts aufweisen, giltst du allenfalls als jung geblieben, aber nie als rüstiger, seinem Alter gemäß entwickelter bejahrter Grau- oder Glatzkopf.

Ältere Damen neigen nicht zuletzt auch deswegen dazu, die Haare zu färben und die müde gewordene Gesichtshaut straffen zu lassen. Alte Menschen sind für die junge und angeblich aktivere Bevölkerung eigentlich überwiegend bedauernswerte Sozialfälle. Oder wenigstens auf dem besten (oder eher dem schlechtesten) Weg dahin.

Ob ich mich als Senior überhaupt für meine wahre Selbstbefindlichkeit interessieren darf, müsste ich eigentlich erst jene Männer und Frauen zwischen ungefähr zwanzig und fünfzig Lebensjahren fragen. Und Altersforscher sehen im übrigen immer erstaunlich jung und äußerst selten wirklich alt aus.

Junge und Mittelalte allein glauben, die Definitionshoheit über uns Alte und deren Zustände zu besitzen. Dabei haben sie natürlich nicht die Spur eigener Erfahrungen und können somit gar nicht wissen, wie Alt-Sein sich tatsächlich anfühlt und was es eigentlich alles für die wirklich Betroffnenen bedeuten kann. Sie haben einfach nur Angst vor den Behinderungen des Alters, die sie alle vor ihrem Tod noch ereilen könnten. Und genau dahin scheint naturgemäß ihre Fantasie mit ihnen durchzugehen.

Wenn die wüssten, wie gut ein Alter auch mit leichten Schmerzen noch lange leben kann und wie angenehm es ist, zu vergessen und sich nicht an jeden Kleinkram zu erinnern. Ich weiß das, kann mich als Alter um das Wesentliche des Lebens kümmern und lächelnd dabei zuschauen, wie meine jüngeren Zeitgenossen sich mit den Nebensachen herumquälen.

Junge und Mittelalte haben einfach noch keine Ahnung, was es heißt, über freie Zeit zu verfügen, weil es unter ihnen als nahezu unanständig gilt, nichts zu tun zu haben.

Und wie unglaublich angenehm Langsamkeit sein kann, davon haben diese Hektiker offensichtlich keinen Schimmer. Auf der vermeintlichen Höhe ihres Lebens halten sie sich für das Maß aller menschlichen Befindlichkeiten. Dabei könnte auch sie in ihren jungen Jahren plötzlich der Tod durch Krankheit, Unfall oder Naturkatastrophe ereilen. Und dann haben sie sich in der Regel noch nicht einmal großartig mit dem Lebensende auseinandergesetzt, während wir Alten durchaus immer öfter mit ihm rechnen.

Allein schon, wenn wir unsere verstorbenen Verwandten und Freunde auf dem Friedhof besuchen und aufmerksam die Todesanzeigen der Tagespresse durchlesen, um Verluste zu betrauern, aber auch um zu genießen, dass wir immer noch zu den Überlebenden gehören. Vermutlich müssen jene weitgehend Ahnunungslosen uns nur deswegen in gewisse Schubladen stecken, um sich dort noch nicht selbst einordnen lassen zu müssen.

Dabei stecken sie nur in anderen und vor allem solchen, die uns längst viel zu eng wären. Wissen wir so genannten Senioren doch schon lange, dass Erfahrungen ohnehin keine Dogmen für die Zukunft sondern häufig nur Irrtümer der Vergangenheit sind.

Und wer andauernd von alten Zeiten schwärmt, will nichts als seine jungen Zeiten zurück, obwohl er längst zu alt dafür ist. Wir Alte, die wir uns nicht abhalten lassen, in der Gegenwart unseren Stil zu leben, wollen trotz gelegentlicher Nostalgie- und Sentimentalitätsanfälle nicht wirklich zurück. Wir wollen auf unsere Art, solange es geht, als selbstbestimmte Alte leben. Die noch Unerfahrenen der Generation davor, sollten uns leben lassen, damit auch wir sie nach ihrem Gutdünken leben lassen können. Und sollten sie sich tatsächlich für unsere Erfahrungen interessieren, können sie uns ja fragen. Über echtes Interesse freuen wir uns immer.

Karl Feldkamp

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