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Niedersächsischer Landtag - 14. Wahlperiode Drucksache 14/794 1
Antrag Fraktion der CDU Hannover, den 2. Juni 1999
Strafrechtlicher Schutz des Eigentums und des Vermögens – keine Entkriminalisierung im Bagatellbereich
Der Landtag wolle beschließen:
Punkte
„Entschließung
Der Landtag lehnt Forderungen nach ,Entkriminalisierung‘ im Bereich der Eigentumsund Vermögensdelikte ab. Gleiches gilt für die Forderung des Niedersächsischen Justizministers, Dr. Weber, sogenannte Bagatellstraftaten nicht oder nicht ernsthaft zu verfolgen und statt dessen durch die Polizei mit einem Verwarnungsgeld zu belegen. Der strafrechtliche Schutz von Eigentum und Vermögen ist von hoher Bedeutung für das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates. Die Niedersächsische Landesregierung wird deshalb aufgefordert, Eigentums und Vermögensdelikte, insbesondere auch Ladendiebstähle und Beförderungserschleichungen, mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln nachdrücklich zu verfolgen.“
Begründung
Eine rechtliche oder tatsächliche Aufweichung des Strafrechtsschutzes hat den Effekt, daß strafwürdiges Unrecht nicht hinreichend geahndet und das Grundübel in keiner Weise beseitigt wird. Es wird vielmehr der Eindruck erweckt, als seien z.B. Ladendiebstähle und Beförderungserschleichungen sozial akzeptiert oder zumindest tolerierbar. Derartigen Entwicklungen muß entgegengewirkt werden. Das allgemeine Rechtsbewußtsein nimmt Schaden, wenn der rechtstreue Bürger den Eindruck gewinnen muß, daß die Mißachtung fremden Eigentums und Vermögens ohne nachhaltige Konsequenzen bleibt und er über erhöhte Preise das eigennützige Verhalten anderer auch noch mitfinanzieren muß.
Mit den strafprozessualen Vorschriften der §§ 153, 153 a StPO (Einstellung wegen Geringfügigkeit), dem Strafbefehlsverfahren und dem beschleunigten Verfahren steht ein differenzierteres prozessuales Instrumentarium zur Bewältigung leichterer Formen der Kriminalität zur Verfügung. Insbesondere die Einstellungsvorschriften müssen einzelfallbezogen angewendet werden, damit nicht der Eindruck einer „schleichenden Entkriminalisierung“ durch die Praxis entsteht.
Darüber hinaus muß die Landesregierung darauf hinwirken, daß von den Möglichkeiten, ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen, im Bereich der Bagatellkriminalität stärker Gebrauch gemacht wird. Ein weitgehender oder völliger Rückzug der Strafverfolgungsbehörden aus diesem Bereich wäre unverantwortlich und würde zu einer nachhaltigen Veränderung des Rechtsbewußtseins führen. Strafverfolgung und Strafahndung müssen in der Zuständigkeit von Staatsanwaltschaft und Strafgerichten verbleiben.
Die Übertragung auf die Polizei widerspricht dem Rechtsstaatsprinzip. Danach steht die Aufgabe der Rechtsgewährung auf dem Gebiet des Strafrechts ausschließlich den Gerichten und der Staatsanwaltschaft zu. Die Staatsanwaltschaft ist für die Ordnungs- und Rechtmäßigkeit der Strafverfolgung zuständig. Sie ist an das Legalitätsprinzip gebunden und hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln.
Mit der Einführung einer eigenständigen Sanktionsbefugnis der Polizei würde ein Kernbereich des Strafverfahrens aus der Verantwortung der Justiz herausgelöst. Die Verlagerung entsprechender Zuständigkeiten auf eine Exekutivbehörde (Polizei) würde das Gewaltenteilungsprinzip unserer Verfassung aushebeln. Das ist unannehmbar. Eine Herausnahme der Zuständigkeit von Strafgerichten aus dem Bereich der sogenannten Bagatelldelikte ist daher strikt abzulehnen.
Im Ergebnis müßte befürchtet werden, daß es zu einer Erosion des Rechtsbewußtseins im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte kommt, deren langfristige nachteilige Wirkungen für die Sicherheit unserer Bürger nicht abzuschätzen ist. Auf derartige Experimente kann sich ein Rechtsstaat nicht einlassen.
Wulff Fraktionsvorsitzender (Ausgegeben am 22. Juni 1999, Vorabdruck ausgegeben am 9. Juni 1999)