Zur Afghanistankonferenz im Dezember in Bonn
Die Petersberg II-Konferenz führt in Deutschland die Strategie der Beschönigung und Vertuschung des Afghanistankrieges fort. Als Gegenstand der Konferenz wird vom Truppenabzug aus Afghanistan bis 2014 und der Übertragung der Verantwortung auf die afghanische Regierung und ihre Armee gesprochen. Neu ist das Nicht, wahr auch nicht und realistisch erst recht nicht. De facto wird es auf dem Petersberg um eine Veränderung der Kriegsstrategie und die Planung der künftigen militärischen Aktivitäten gehen.
Afghanistan braucht aber Frieden und der fängt damit an, dass die Waffen schweigen. Stattdessen wird derzeit heftiger und häufiger gekämpft. Statt Waffenstillstandsabkommen wird von den USA mit der Karzai-Regierung hinter der Fassade vom Abzug ein Pakt über die Präsenz westlicher Truppen bis 2024 (!) ausgehandelt. Damit ist die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nicht einverstanden.
Dem geben wir mit dem Protest am Petersberg Ausdruck." erläutert Reiner Braun, Geschäftsführer der IALANA (JuristInnen gegen Atomwaffen) das Motto der Proteste: "Sie reden vom Frieden. Sie führen Krieg" und ergänzt: "Wir behaupten nicht, die Friedensbewegung hätte die Lösung für Afghanistan parat, aber es gibt Kriterien für Friedenspolitik:
- Erstes Ziel muss immer ein Waffenstillstand, ein Ende der Kampfhandlung sein.
- Friedensprozesse erfordern Verhandlungen und zwar wie Willy Brandt es ausdrückte: "mit dem Gegner, dem Feind. Mit dem Freund gehe ich lieber einen Trinken. Ansätze dazu gibt und gab es, sie werden aber immer wieder u.a. durch das target killing, aber auch durch das Festhalten an der Stationierung von Truppen durch die NATO boykottiert. Erkennbar scheint, dass sich die Taliban, in den Menschenrechts-, Frauen- und Bildungsfragen zu mindestens anfangen zu bewegen. Darauf muss endlich aufgebaut werden.
- Die Invasion in das Land muss real beendet, alle Truppen abgezogen werden. Nur so kann überhaupt die Voraussetzung für eine Selbstbestimmung des afghanischen Volkes geschaffen werden. Nur so können auch Prozesse der Selbstfindung im Lande beginnen, können nach dem Ende von mittlerweile dreißig Jahren Krieg neue gesellschaftlich handelnde Kräfte auftreten.
- Als Wiedergutmachung und zur Unterstützung demokratischer Prozesse ist eine umfassende Unterstützung des (Wieder-)Aufbaus Afghanistans erforderlich. Kein Masterplan von außen, aber Unterstützung vielfältiger besonders dezentraler Prozesse könnte ein Leitmotiv sein."
"Merkel kündigte bereits beim Nato-Gipfel in Lissabon 2010 an, dass deutsche Soldaten auch über 2014 hinaus in Afghanistan bleiben werden. Der aktuell fortgeschriebene sogenannte Afghanistan-Fortschrittsbericht spricht eine ähnliche Sprache. Und macht klar, dass es dabei nicht um Aufbau-Trupps, sondern um Kampftruppen geht, deren künftiger Auftrag nur noch offen ist. Sicherheit schaffen Bundeswehr und die anderen internationalen Truppen in Afghanistan auch jetzt schon nicht - jeder weitere Tag Krieg bedeutet sinnlose Opfer und wachsenden Widerstand gegen westliche Besatzung mit fortgesetztem Blut vergießen. Es muss um den faktischen Abzug der Bundeswehr gehen. Die Salamitaktik, mit der dauerhafte Militärpräsenz zur Sicherung von Transportwegen und anderen Wirtschaftsinteressen unterm Deckmäntelchen der Übergabe in Verantwortung stattfindet muss ein Ende haben.
Deshalb fahren wir nach Bonn und stellen uns quer.", betont der politische Geschäftsführer der DFG-VK Monty Schädel und führt aus: "Die afghanische Zivilgesellschaft wird an der Konferenz, die angeblich inhaltlich nicht von der internationalen Allianz, sondern von der afghanischen Regierung gestaltet wird, nur in Form von zwei Vertretern afghanischer NGOs einbezogen, die fertig vorbereitete Statements vortragen dürfen. Das konterkariert das Bestreben afghanischer Menschenrechtsgruppen, die sich zivilgesellschaft engagieren, statt diese zu stärken. Genereller gesagt und dies ist mehr als eine Vision: ohne - auch langfristiges Vertrauen in gesellschaftliches Handeln von Menschen auch unter komplizierten Bedingungen sind keine Veränderungen möglich und erstrebenswert. Das sollten wir doch erneut aus den Auseinandersetzungen in der arabischen Welt gelernt haben. Für diese "Luft zum Atmen" müssen wir mit sorgen, indem der Abzug der Truppen durchgesetzt wird. Besetzung und Neokolonialismus ist dazu eine historisch gescheiterte Alternative."
"Es gibt keinen gerechten Krieg und auch dieser Krieg in Afghanistan ist es nicht. Der Einsatz militärischer Mittel im vor zehn Jahren propagierten Krieg gegen den Terrorismus war und ist unverhältnismäßig - er ist längst gescheitert", kommentiert pax christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann. "pax christi hält auch aus seinem Glauben heraus an der Überzeugung fest, dass es politische Mittel und Wege gibt, die vom Prinzip der Gewaltfreiheit inspiriert sind. Es ist nie - auch jetzt nicht - zu spät diese einzusetzen. Sie aber um der Gesichtswahrung und dem Anschein militärischen Erfolgs Willen zu unterlassen ist verantwortungslos. Das für Afghanistan propagierte Prinzip der vernetzten Sicherheit der zivil-militärischen Zusammenarbeit stellt den zivilen Kompass auf den Kopf, weil alles der militärischen Logik untergeordnet wird.
In Afghanistan muss es für den Westen endlich um ausschließlich zivile Unterstützung entsprechend der Vorgaben und Anforderungen selbstbestimmter afghanischer EntscheiderInnen (!) gehen. Der Anspruch, politisch mitzuentscheiden ist ein Anspruch, den afghanische Frauen erheben - mitnichten aufgesetzter Westimport! Für pax christi ist die Beteiligung an diesen Protesten eingebettet in das Engagement für weltweite gerechte Wirtschafts- und Sozialstrukturen. Unser Protest hat auch zum Ziel, in Deutschland eine überfällige Debatte über eine Außenpolitik zu fördern, deren Ziel es ist, Gewalt zu überwinden und allen Menschen - Frauen, Männern und Kindern - Zugang zu ihren Rechten zu verschaffen."
Den Protestaufruf sowie aktuelle Informationen finden Sie unter: www.afghanistanprotest.de