Euro Schulen - der direkte Weg in Arbeit?
Was mir Betroffene berichteten, ist einfach unglaublich. Und doch dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit - welche Ungeheuerlichkeiten da ablaufen, wie Fördergelder verschwendet und Betroffene gebrochen werden.
Ich werde keine Namen und Ortschaften nennen, um die Betroffenen zu schützen. Betroffene werden genötigt an diesen Maßnahmen teilzunehmen und geben ihre Einwilligung unter falschen Voraussetzungen.
Ihnen wird von den Mitarbeitern der Jobcenter und Arbeitsagenturen, gesagt, dass in diesen, meist Vierteljahresmaßnahmen, z.B. eine Auffrischung ihrer Buchhaltungskenntnisse erfolge, sie lernen, wie man nach neuesten Erkenntnissen Bewerbungen schreibe, und man bekäme Wissen vermittelt, damit man ein Einzelunternehmen gründen könne. Weiterhin würden alle Teilnehmer grundlegende Kenntnisse des SGB II erhalten. Auch ein vierwöchiges Praktikum, mit Aussicht auf eine Festeinstellung solle sich dann anschließen...
Die meisten sehen dem ersten „Schultag“ euphorisch entgegen. Und erleben, das dieser Tag mit ausfüllen von Datenformularen verbracht werden muss. In einer Euroschule in Mitteldeutschland mussten die Teilnehmer zum Beispiel drei Formulare mit persönlichen Daten ausfüllen, was dann im Nachhinein als „Erstgespräch“ tituliert wurde.
Diese Maßnahme in der Euroschule in Mitteldeutschland hatte unter anderem zum Inhalt:
- Yoga
- Selbstverteidigung
- Pilates (Rückenschule)
- Styling
Die Jobcenter fordern vom Maßnahmeträger, dass in das Unterrichtskonzept Sport mit einbezogen wird. Damit sollen Betroffene zum körperlichen Arbeiten fit gemacht werden. Die Betroffenen lernten hier welche Steine für welchen Typ bzw. Sternzeichen gut für das emotionale und gesundheitliche Empfinden sind.
Und sie bekamen ab und zu „Weisheiten“ (über das SGB II ) der Dozenten vermittelt, was Betroffenen z.B. bei den KdU - Kosten (Kosten der Unterkunft) zustehen würde. Die anders empfundenen und live gemachten Erfahrungen der Betroffenen wurden nicht einbezogen und als falsch hingestellt. Immer wieder wurde betont, dass Betroffene den Dozenten all ihre negativen Erfahrungen über das Jobcenter mitteilen könnten, weil die Dozenten helfen wollen.
Später stelle sich dann heraus, dass das Jobcenter über diese „Mitteilungen“ informiert war!
Der PC-Lehrgang in der Euro-Schule in Mitteldeutschland kann man nach den Erfahrungsberichten der Betroffenen unter Ulk verbuchen. In der Maßnahme waren etliche Betroffene, die noch nie Umgang mit einem PC hatten.
Betroffene mit fortgeschrittenen Kenntnissen versuchten dann in den Bereichen
- Wie schreibe ich eine Mail?
- Wie sende ich eine Mail?
- Wie schaue ich mir empfangene Mails an?
- Wie gestalte ich meine Bewerbung, Lebenslauf?
denjenigen zu helfen, die keinerlei Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in diesem Bereich hatten. Das wurde vom zuständigen Dozenten mehrmals und lautstark unterbunden.
Nach 2 bis 3 Anfangsstunden, wurde vom Dozenten nichts mehr gelehrt und die Betroffenen konnten nach Gutdünken die weiteren Stunden am PC gestalten wie sie wollten. Verständlich ist es schon, dass der Dozent resignierte, da jeder Teilnehmer einen anderen Kenntnisstand im PC-Bereich aufwies und er diese unterschiedlichen Voraussetzungen in der kurzen Zeitspanne des Lehrgangs nicht koordiniert bekommt. Zumal dann zwischendurch Betroffenen wegen Beginn ihres Praktikums dem Unterricht fernblieben und ganz neue Betroffene hinzukamen. Es herrschte also ein ständiges Kommen und gehen während des PC-Lehrgangs.
Betroffene nahmen Einsicht ins Klassenbuch und stellten fest, dass die dort eingetragenen Lehrinhalte pro Unterrichtstag, nicht mit dem Gelehrten, also der Realität übereinstimmten.
Für die Jobcenter sind aber die Nachweise im Klassenbuch, wichtiger als die Aussagen der Betroffenen!
Schlimmer konnte es gar nicht mehr kommen! Doch weit gefehlt.
Bei den Bewerbungen für den Praktikumsplatz trug die hauptverantwortliche Dozentin, bestimmte Daten ohne Zustimmung der Betroffnen ein. Widerspruch durch Betroffene zwecklos!
So wurden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse eingetragen, die die Betroffenen zum Teil gar nicht hatten. Umso mehr Angst und Scham der Betroffenen machten sich dann breit, weil sie die Anforderungen am Praktikumsplatz, auf Grund der Darstellung falscher Angaben, nicht erfüllen konnten.
Bei der Vorstellung am Praktikumsplatz war an der Seite des Betroffenen immer der Dozent zugegen. Im Vorfeld war abgesprochen, dass die Betroffenen schweigen sollen und nur der Dozent die jeweils Betroffenen in den Pratikumsplatz „lobt“. Keinen der Dozenten interessierte, wie die Betroffenen mit so einer Entmündigung zu Recht kam.
In der Euro-Schule in Mitteldeutschland haben auch Betroffene angefragt, wann die Unterrichtsstunden des Faches Buchhaltung beginnen. Da wurde Ihnen mitgeteilt, dass das Geld für einen Fachdozenten nicht vorhanden sei und das Fach Buchhaltung deswegen ausfalle.
Ganz unverständlich wurde es für mich, als Betroffene mir berichteten, das sie sofort hätten einen Arbeitsvertrag, natürlich im Niedriglohnbereich, unterschreiben könnten. Die begeisterten Betroffenen wurden auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Ihnen wurde von der Euroschule mitgeteilt, dass dies nicht ginge, ohne den Vorlauf des Praktikums durchlaufen zu haben.
Einige Teilnehmer hatten das Glück, nach ihrem Praktikum ein Arbeitsangebot zu erhalten. Diese Arbeitsplätze werden zu 50% für 1 Jahr von den Jobcentern bzw. Agentur für Arbeit gefördert, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, den potentiellen Arbeitnehmer zwei Jahre danach noch zu beschäftigen.
Ein Betroffener erzählte mir, dass ihm sein potentieller Arbeitgeber einen Stundenlohn von 7,50 Euro zahlen wollte. Das Jobcenter war damit nicht einverstanden und bestimmte einen Arbeitslohn von 4,50 pro Stunde! Warum? Ganz einfach, 50% Förderung von 7,50 Euro/Stunde bedeutet natürlich mehr Fördergeld, das eingesetzt wird, als 50% von 4,50 Euro/Stunde. Da kann man natürlich auf Kosten der Betroffenen sparen und sie mit diesem Stundenlohn weiter in Hartz -IV halten.
Liebe Leserinnen und Leser, in der Sachlage Euroschulen und der Handhabung der Maßnahmen steckt ein überdimensionaler Irrwitz. Rausgeschmissenes, verschleudertes Geld! Wie viele versicherungspflichtige existenzsichernde Arbeitsplätze könnten durch Umlenkung der Fördergelder deutschlandweit geschaffen werden? Ist die Würde des Menschen in Deutschland wirklich noch unantastbar?
Heidelinde Penndorf
weitere Hinweise und Leserzuschriften Betroffener nimmt die Redaktion gern entgegen.