Atomausstieg
Der sofortige Ausstieg ist machbar
Im ersten Satz lesen wir „sofort“, weiterführend wird die Formulierung dahingehend aufgeweicht, die die Schritte für einen „schnellen“ Ausstieg einzuleiten. Der Beschluss der Landesvorstandes widerspricht dem gleichzeitig veröffentlichten Maßnahmenkatalog und den klugen Argumenten darin, wenn er in Punkt 1 sagt: „Der sofortige Ausstieg ist machbar“ und in Punkt 3 fordert: „Sofortiges Abschalten aller Atomanlagen und Vergesellschaftung der Energiekonzerne.“ Denn aus den vorgeschlagenen Maßnahmen geht ja hervor, dass man die Kernkraftanlagen eben nicht sofort abschalten kann. Nachfolgend führe ich meine Argumente dazu an und unterbreite nachfolgend einen Vorschlag, für eine neue Losung.
Schalten wir alle AKW in Deutschland sofort ab, kann man natürlich direkt mit der Abwicklung beginnen. Man ist dem „schnellst möglich“ mindestens einen Tag voraus. Die Gefahr, die von den AKW ausgeht, ist deswegen trotzdem noch lange nicht gebannt. Noch ist alles radioaktiv belastet. Noch weiß keiner, wohin mit dem Atommüll. Jeder abgetragene Ziegelstein muss auf Radioaktivität gemessen, und „irgendwohin“ abtransportiert werden. Jede Kilowattstunde die dadurch ausfällt, muss ersetzt werden. Jeder im AKW Angestellte kann nicht einfach so entlassen werden. Jeder Energie-Liefervertrag kann nicht einfach fristlos gekündigt werden.
Und so kommen wir zu dem äußerst schwammigen und dehnbaren Begriff „schnellst möglich“. Damit sich diese Phrase nicht wieder eine Überdehnung zuzieht, muss man sie umgehend klar definieren, und zwar exakt in dem Moment, wo man sie auf den Tisch legt! Alles andere ist unnötig gefährliche Verzögerung. Mein Vorschlag, um unsere Linie klar zu definieren lautet: Sofort damit beginnen, einen schnellst möglichen Ausstieg umzusetzen, und das innerhalb eines konkret benannten Zeitplans, unter demokratischer, unabhängiger Kontrolle und kompetenter Begleitung dieses Ausstiegsprozesses!
Der Ausstieg ist ein Prozess, und ob wir es wollen oder nicht – wir brauchen erst mal einen Plan. Es reicht nicht, auf einen Knopf zu drücken und dann ist alles gut. Zu aller erst muss eine Finanzierung her. Der Rückbau eines AKW verschlingt enorme Summen und zieht sich über einige Jahre hin. Wo kein Reaktor mehr explodiert, tun es die Kosten. Beispiel KKW Lubmin: Ursprünglich veranschlagt für den Rückbau wurden 3.2 Milliarden Euro. Und jetzt, mitten im Prozess, stellt man fest, es wird etwa 900 Mio Euro teurer. Bis zum Jahr 2004 wurden etwa 110 kerntechnische Anlagen auf deutschem Boden in Betrieb genommen. Rechnen wir die Kosten also hoch, kommen wir auf eine Riesensumme im Milliardenbereich. Das sollen die Energiekonzerne zahlen, so viel ist klar! Umsetzbar ist das aber nur, wenn diese entmachtet und vergesellschaftet wurden. Das geht nicht sofort. Dafür muss eine juristische Grundlage her. Der Maßnahmenkatalog schlägt vor: „Auch die Abschaltung der übrigen Atomkraftwerke muss in einem Atomausstiegsgesetz geregelt werden, um sicherzustellen, dass die Abschaltung der alten AKWs nicht wie bisher zur Verlängerung der Laufzeiten neuerer AKW führt. Zudem müssen Entschädigungsforderungen der Atomkonzerne gesetzlich ausgeschlossen, aber deren finanzielle Verantwortung für sämtliche Folgekosten der
Atomwirtschaft bis in ferne Zukunft sichergestellt werden.“ Das braucht etwas Zeit und ein paar kluge Köpfe, die bestenfalls nicht im Aufsichtsrat der großen Energiekonzerne sitzen. Wenn wir jetzt das Geld tatsächlich umverteilt haben, stehen wir vor dem nächsten Problem – wohin mit dem Atommüll? Wer eine Antwort auf die Frage weiß, der möge mich bitte ganz schnell anrufen! Spekulieren wir auf ein gefundenes Endlager für all das viele radioaktive Zeug aus 110 AKW, können wir das AKW noch immer nicht abschalten, denn es existieren ja zum Teil langfristige Lieferverträge für den Atomstrom. Wir leben in einem Rechtsstaat und können also Verträge nicht einfach so kündigen, ohne einer Klagewelle gegenüberzustehen, die – wenn wir sie der Umwelt zuliebe in Kauf nehmen – wieder viele Milliarden kosten würde. (siehe oben: gesetzliche Grundlage schaffen, um Klagen auszuschließen)
Alte Verträge müssen durch neue ersetzt werden. Natürlich werden dies saubere Öko-Stromverträge sein. Schon haben wir das nächste Problem, denn da wird ja bei der Zertifizierung und Etikettierung geschummelt.
In 110 AKW arbeiten viele Menschen. Was passiert mit denen, wenn wir morgen früh den roten Knopf drücken? Diese Mitarbeiter brauchen neue Arbeitsplätze, müssen umgeschult werden, bestenfalls in der Branche für erneuerbare Energien. Wir dürfen diese Menschen nicht einfach von heut auf morgen vor die Tür setzen und sie damit ihrer Lebensgrundlage berauben. Hier müssen Projekte entwickelt werden, und was man klug und nachhaltig anpacken will, braucht etwas Zeit.
„Wir müssen sofort mit dem Ausstieg beginnen, damit wir die AKW so schnell wie möglich abschalten können! Denn jeder Tag, den so ein AKW länger läuft, ist ein Tag zu viel.“
Rebekka Mruck Kreisvorsitzende DIE LINKE.Solingen