Unsere Staatsordnung baut auf dem Prinzip der Gewaltenteilung zwischen den drei Staatsgewalten auf. Die erste Gewalt (Parlament) stellt die Spielregeln (Gesetze) auf, nach denen der Staat funktionieren soll und denen alle unterworfen sind. Die zweite Gewalt (Regierung und Verwaltung) handelt im Rahmen der Gesetze (macht die Politik, führt die Gesetze aus). Die dritte Gewalt (Judikative) wacht darüber, dass die Gesetze eingehalten werden (beispielsweise auch darüber, dass sich die zweite Gewalt an die von der ersten Gewalt festgelegten Spielregeln hält). Das Zusammenspiel der drei Staatsgewalten setzt voraus, dass keine über die anderen die Oberhand gewinnt und sie beherrscht.
Der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Martin Wenning-Morgenthaler, Mitglied des Bundesvorstandes und Sprecher der Neuen Richtervereinigung, sagte am 6.4.2011 in Berlin:
"Der Recht sprechenden Gewalt muss endlich die organisatorische Selbständigkeit eingeräumt werden, die ihr als gleichberechtigte Staatsgewalt gebührt. Diese Selbständigkeit ist zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags erforderlich. Nur eine auf Augenhöhe mit den anderen Staatsgewalten verfasste Richterschaft kann die Unabhängigkeit entfalten. Nur so kann sie ein wirksames Kontrollorgan sein. Selbstverständlich bedarf es der Anbindung an das Parlament. Dass aber die Gerichte und Staatsanwaltschaften durch das Justizministerium verwaltet werden, und dass die Personalentscheidungen wie die Beförderung von Beamten erfolgen, ist ein Anachronismus. Das deutsche Justizsystem ist so mittlerweile zu einem der rückständigsten in ganz Europa geworden.
Deshalb hat die NRV als erster der drei großen Berufsverbände der Richterschaft sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte einen kompletten Gesetzentwurf nebst detaillierter Begründung vorgelegt, der diesen Anforderungen an eine demokratische Verfassung Rechnung trägt. Wir meinen, damit einen in sich konsequenteren Weg einzuschlagen als der Deutsche Richterbund, der wie wir für ein Modell richterlicher Selbstverwaltung eintritt, allerdings auf Landesebene. Auch die Gewerkschaft ver.di fordert eine selbständige Dritte Gewalt und hat sich recht nahe an der inhaltlichen Linie der Neuen Richtervereinigung positioniert.
Jedenfalls reicht es nicht aus, wenn einzelne Länder einen Teil ihrer Budgethoheit auf die Gerichtsverwaltungen verlagern. Um der Justiz dauerhaft ihre Funktion eines unparteiischen Sachwalters von Wahrheit und Gerechtigkeit zu sichern, der sich weder politischem noch ökonomischem Druck beugt, ist diese Reform unabdingbar.
Wann endlich wird die Politik die Forderungen aller Berufsverbände aufgreifen?"
Anfang 2010 hatte die Neue Richtervereinigung Diskussionsentwürfe für eine Verfassungsänderung und für die notwendigen einfachgesetzlichen Änderungen im Bundesrecht vorgelegt. Die Arbeit an den Entwürfen wurde nach mehr als 12monatiger intensiver Diskussion jetzt mit den Beschlüssen der Bundesmitgliederversammlung vorläufig abgeschlossen. Wesentlich geändert wurde dabei die verfassungsrechtliche Verankerung der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen erfolgten zahlreiche einzelne Änderungen der letztjährigen Entwürfe.
Die aktuellen Texte sind unter http://www.nrv-net.de/downloads_publikationen/488.zip abrufbar.