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*Klage zweiter Landwirte gegen ein weiteres Teilstück der B 178n in Ost-Sachsen vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen

Rechtsschutz nur auf dem Papier | Schutz nur für Reiche

Am

Transfer-Steuergelder verschwendet: Für 223 Mio Euro wird derzeit auf knapp 50 km eine neue Trasse der B 178 zwischen Zittau und der A 4 gebaut. Die künftige Unterhaltungslast beträgt jährliche etwa 10.000 Euro pro Kilometer. Die alte Trasse und deren Unterhaltungslast wird auf den Landkreis und die Kommunen übertragen. Sachsen erwirtschaftet nur etwa die Hälfte seiner Ausgaben selbst, der Rest sind Transfergelder. In der Region werden 485 Hektar landwirtschaftliche Fläche verschwinden. Dagegen gab es vielfachen Widerstand, nicht zuletzt durch betroffene Landwirte, so auch gegen den hier beklagten Bauabschnitt 3.2 nahe Herrnhut. Die Kläger sehen ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet durch Entzug und Zerstückelung ihrer Landwirtschaftsflächen.


Die Bevölkerung im Einzugsgebiet der Trasse geht laut den eigenen Zahlen der planenden Behörden zwischen 2005 und 2020 um 18 % zurück, die Zahl der Erwerbspersonen sogar um 35 %. Ein Ausgleich dieser dramatisch sinkenden Nachfrage durch andere potentielle Nutzer ist nicht erkennbar. Insbesondere gibt es auf polnischer Seite für die wenigen tausend Einwohner des Landzipfels eine direkte Anbindung an die Autobahn Dresden-Breslau, auf tschechischer Seite entsprechende Fernstraßen zur Autobahn Dresden-Prag.

Dennoch prognostizieren die Planer einen Anstieg der Verkehrsbelastung innerhalb von nur 15 Jahren im beklagten Abschnitt von täglich 9.500 Fahrzeugen (gezählt 2005) auf etwa 20.300 (Prognose für 2020). Das entspräche einer Zunahme um (+)114 %, bei nur noch 65 % der Erwerbspersonen, was einem Anstieg der Verkehrsbelastung pro Kopf der Erwerbspersonen um das 3,3 fache bzw. auf 330 % entspräche. Das ist schlicht völlig unplausibel.

Im August 2010 fand im Auftrag des Bundes eine neue Verkehrszählung statt. Wenn hier tatsächlich zwischen 2005 und 2020 eine solche dramatische Vervielfachung des Verkehrs stattfinden sollte, sollte sich dies eigentlich anhand der neuen Zahlen erkennen lassen. Die Behörde verweigerte jedoch im Verfahren trotz eines Beweisantrages der Kläger mehrfach ausdrücklich die Nennung der neuen Zahlen. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Notwendigkeit dieses Beweisantrages. Eine im Auftrag der Kläger erst kürzlich im März 2011 vorgenommene eigene Verkehrszählung kam zu einer gesunkenen Verkehrsbelastung. Zu diesem Ergebnis dürfte auch die offizielle Zählung 2010 gelangt sein, deren Zahlen jedoch verheimlicht werden.

Zur Frage des Bedarfs zieht sich das Bundesverwaltungsgericht schlicht auf die Aufnahme des Vorhabens in den vom Bundesgesetzgeber seit 1993 fortgeschriebenen Bedarfsplan zurück, aus dem sich die Planrechtfertigung automatisch ergebe. Bedarfspläne sind Ergebnis einer politischen Abstimmung, nicht einer Fachplanung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist diese Rechtfertigung erst dann angreifbar, wenn der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für das streitige Vorhaben die „/Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten/“ hat. Davon ist nur dann auszugehen, wenn die Feststellung des Bedarfs „/evident unsachlich/“ ist, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf eine bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte (BVerfG; Urt. v. 08.06.1995 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <345 ff.>; Beschl. v. 08.06.1998 - 1 BvR 650/97). Dies ist im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht nicht gegeben.

Weiter beriefen sich die Kläger - was rechtlich grundsätzlich zulässig ist - auf eine Beeinträchtigung der europäisch streng geschützten Haselmaus. Die Region ist eines deren wenigen verbliebenen Verbreitungsgebiete in Sachsen. Dieser Vortrag wurde vom Gericht unter Verweis auf die strengen Präklusionsvorschriften des vom Gesetzgeber erst vor wenigen Jahren zur Beschleunigung von Straßenbauvorhaben ins Gesetz eingefügten § 17a Nr. 7 Bundesfernstraßengesetz zurückgewiesen. Danach ist ein Kläger mit allen Einwendungen ausgeschlossen (präkludiert), die sich nicht schon in seiner ersten Stellungnahme im Planfeststellungsverfahren finden, bei der er von der Planung berührt wurde. Hier hatte die Behörde erstmals 2005 Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt. In diesen fand sich kein Hinweis auf ein mögliches Vorkommen der Haselmaus, obwohl bei Experten in der Region bereits damals entsprechende Daten vorhanden waren. Eigentlich wäre es Aufgabe der Straßenbehörde sowie der zuständigen Naturschutzbehörden gewesen, diese Daten ins Verfahren zu bringen. In ihrer ersten fristgemäßen Stellungnahme haben die Kläger die Haselmaus dann auch nicht erwähnt. Erst im Verlauf der weiteren Planungen und auf Druck verschiedener Einwender, darunter die Kläger, wurde die Haselmaus dann erstmals im Oktober 2009 offiziell in die Planungen aufgenommen. Zur Haselmaus ist es wichtig zu wissen, dass dieses scheuen Kleinsäugetier 95 % ihrer nächtlichen Aktivität in den Kronen der Bäume und Sträucher verbringen und selbst kleinere Exkursionen auf dem Boden vermeiden. Für normale Menschen sind sie praktisch unsichtbar und überdies nur schwer von anderen Kleinsäugern zu unterscheiden. Die klagenden Landwirte hätten daher rechtlich betrachtet schon 2005 ein Fachwissen in ihre Stellungnahme einbringen müssen, das nicht einmal die planende Behörde und die zuständigen Naturschutzbehörden hatten.

Dazu RA Wolfram Günther:

/„Gesetzgebung und Rechtsprechung machen es dem Bürger praktisch unmöglich, die rein politische Entscheidung über die Feststellung eines Bedarfs eines Bundesverkehrsvorhabens gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Rechtsschutz des Bürgers besteht hier praktisch nur auf dem Papier. Wenn selbst eine ganz offenkundig haltlose bloße Behauptung der Vervielfachung des Verkehrs pro Erwerbspersonen auf 330 % innerhalb der kurzen Zeit von nur noch 9 Jahren (von heute bis 2020) noch nicht ausreicht für die Erfüllung des rechtlichen Kriteriums „evident unsachlich“, dann ist überhaupt kein Szenario denkbar, in dem das Bundesverwaltungsgericht einmal die Notbremse ziehen würde und den Steuerzahler vor krasser Geldverschwendung sowie betroffene Betriebe vor ihrer Existenzgefährdung schützt.“

„Zum Thema Haselmaus oder Verfahrensbeteiligung von Betroffenen gilt, wer sich nicht vom ersten Tag einer Planung an für viel Geld ein eigenes Planungsbüro mit Fachleuten für alle nur denkbaren Themen sowie einen spezialisierten Rechtsanwalt leisten kann, kann sich die Beteiligung gleich ganz sparen. Vom ersten Tag an muss er fachlich und juristisch mehr wissen als alle planenden Behörden zusammen. Die Behörden dürfen dagegen ungestraft vernebeln. Waffengleichheit zwischen Staat und einzelnem Bürger gibt es nicht einmal ansatzweise. Der Rechtsstaat lässt den Bürger eiskalt über die Klinge springen.“

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