Hessen CDU und die Atomkraft
Bislang gibt es in Hessen keine richterliche Entscheidung darüber, wer die Kosten für den Sanitätsdienst bei Demonstrationen übernehmen muss, berichtet der Hessische Rundfunk. Deshalb werde der Fall nun vor Gericht geklärt. Der Hauptamtsleiter der Gemeinde Biblis, Manfred Wohlgemut, vertritt die Ansicht, dass nach Auffassung der Gemeinde die Veranstalter für den Sanitätsdienst aufkommen müssen. Die Gemeinde Biblis profitiert in erheblichem Maße von den Zahlungen des Atomkonzerns RWE.
Empfehlung des hessischen Sozialministeriums
Zumindest indirekt beteiligt ist aber auch Roland Kochs Landesregierung: "Wir handeln nach einer Empfehlung des hessischen Sozialministeriums", so Wohlgemut. Das Gelände um das Kraftwerk in Biblis sei abschüssig, man müsse Absperrungen anbringen, auch zahlreiche Polizisten seien am Samstag vor Ort – das koste schon viel Geld.
Die Regierung Koch setzt sich seit Jahren beharrlich für die Interessen des Atomkonzerns und Biblis-Betreibers RWE ein. Die beabsichtigte Verteuerung der Anti-Atom-Demo am Samstag passt insofern ins politische Konzept.
Atomkraft-Gegner pochen auf Demonstrationsfreiheit
Die Atomkraft-Gegner pochen hingegen auf die Demonstrationsfreiheit - immerhin ein Grundrecht mit Verfassungsrang. "Die Demonstration kostet den Trägerverein jetzt schon zwischen 30.000 bis 40.000 Euro", sagte Matthias Weyland vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Mittwoch gegenüber hr-online. Durch den Sanitätsdienst würden noch mehrere tausend Euro hinzukommen.
"Es ist auch eine politische Frage"
"Es ist aber nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch eine politische Frage", so Weyland. Seiner Ansicht nach ist die öffentliche Hand für die Kosten des Sanitätsdienst zuständig. Wenn die Gemeinde Biblis nicht dafür aufkomme, sei dies eine schwere Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.
"Bundesweiter Präzedenzfall"
Der Rechtsanwalt des Trägervereins der Demonstration, Thomas Kieseritzky, erklärte: "Hier soll bundesweit ein Präzedenzfall geschaffen und das Recht auf Versammlung ausgehöhlt werden". Es handele sich um eine schwere Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Grundgesetz sowie Paragraph 15 des Versammlungsgesetzes.
"Es ist absurd, eine einfache Empfehlung des hessischen Sozialministeriums als Rechtsgrundlage heranzuziehen", so der Anwalt. Die Auflage der Kosten gleich in welcher Höhe, widerspreche zudem dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. "Es kann nicht sein, dass die Ausübung des Versammlungsrechtes vom Geldbeutel des Veranstalters abhängt", so Kieseritzky.
Kosten-Auflage wäre Novum
Eine vergleichbare Kosten-Auflage wäre ein Novum in der über 60jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, für die das Demonstrationsrecht konstituierend war.
Seit Bestehen der Anti-AKW-Bewegung Anfang der 1970er und den vielen Großdemonstrationen, die seit 1975 in Wyhl, Brokdorf (1976,1977,1981 und 1986), Grohnde, Gorleben, Hannover, Kalkar, Biblis (1986 und 1988), Bonn und Berlin durchgeführt wurden, gab es keine vergleichbare Auflage, die Sanitätskosten zu übernehmen, monieren die Atomkraftgegner.
"Jetzt erst recht"
Der Trägerkreis der Anti-Atom-Umzingelung ruft die Bevölkerung nun auf, sich "jetzt erst recht" an den Protesten am 24. April in Biblis zu beteiligen.
Bundesweit werden für den kommenden Samstag die größten Anti-Atom-Proteste seit Jahren erwartet. In Biblis wird als zentrale süddeutsche Demonstration das AKW Biblis umzingelt.
In Norddeutschland findet eine 120 Kilometer lange Menschenkette zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel statt. Am 21. April startet aus Gorleben ein Traktoren-Treck zum Atomkraftwerk Krümmel und auch vor dem nordrhein-westfälischen Zwischenlager in Ahaus wird demonstriert.