DIE Internet-Zeitung
Friedensgutachten 2009

Bundeswehr wird immer mehr Politikersatz

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Die Bundeswehr wird nach Einschätzung der fünf deutschen Friedensforschungsinstitute zunehmend zu einem Ersatz für fehlende politische Strategien. Das zeige sich sowohl in Afghanistan als auch beim Anti-Piraten-Einsatz am Horn von Afrika, sagte Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2009.


Gerade in Afghanistan sei eine "militärische Schieflage" entstanden, so Hippler. "Wir verteidigen durch internationale Truppen in Afghanistan zum Teil einen Staat, der in weiten Landesteilen nicht existiert", sagte er. Denn nach wie vor fehlten gesellschaftliche und staatliche Regelungsmechanismen. Dadurch könnten in Afghanistan, aber auch in Pakistan die Taliban erstarken.

Grundsätzlich beklagen die Friedensforschungsinstitute in ihrem diesjährigen Gutachten, dass zur Konfliktlösung nach wie vor auf eine gewaltsame Lösung gesetzt werde. Fast überall gebe es eine "Überschätzung des militärischen Instruments", sagte Hippler. Dabei komme es zunehmend darauf an, auch in den "neuen Konflikten" einen "politischen Grundansatz" zu wählen. Denn militärische Mittel könnten nun einmal ein solches Vakuum an Regelungsmechanismen und an Staatlichkeit nicht schließen.

Überfischung "durch internationale Flotten" als Ursache für Piraterie

Vor diesem Hintergrund forderten die Friedensforschungsinstitute einen anderen Handlungsansatz bei der Bekämpfung auch der Piraterie. Gründe für die zunehmende Seeräuberei am Horn von Afrika seien eine Überfischung der ostafrikanischen Küstengewässer durch internationale Flotten sowie eine den internationalen Vorgaben Hohn sprechende Giftmüllverklappung "im großen Maßstab" in der Region.

Daher wird in dem Friedensgutachten gefordert, das Piraterie-Problem als Gesamtkomplex zu betrachten und nicht nur einen Völkerrechtsverstoß herauszugreifen. Die "internationale Gemeinschaft" sei gefordert, gegen die Ursachen der Seeräuberei vorzugehen und nicht - wie in Afghanistan - nur auf eine militärische Lösung zu setzen.

Einen umfassenderen Ansatz regten die Friedensforscher ferner für den Nahostkonflikt an. Die Europäische Union müsse hier "Fehler" korrigieren und eine palästinensische Regierung der nationalen Einheit anerkennen. Zudem sollte die EU die Vertiefung ihrer Beziehungen zu Israel von der Beachtung des Völkerrechts abhängig machen, was einen Stopp der Siedlungspolitik bedeute.

Schließlich werden in dem Gutachten weitere Abrüstungsschritte angemahnt. So sollte die EU eine gemeinsame Position gerade zur nuklearen Abrüstung entwickeln. Hier könne die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag leisten und für den Abzug aller Atomwaffen von deutschem Boden eintreten. Zudem sollte Deutschland bei der Erarbeitung des neuen strategischen Konzepts der NATO auf ein Ende der nuklearen Teilhabe dringen.

Höger: Beendigung von Kriegen durch Truppenabzug

Nach Auffassung der Abrüstungsexpertin der Linksfraktion, Inge Höger, bestätigt das Friedensgutachten, dass für die Beendigung von Kriegen wie dem in Afghanistan der Abzug der ausländischen Truppen "die aussichtsreichste Handlungsoption" sei. "Das Friedensgutachten bestätigt uns darin, dass ein militärischer Einsatz in Afghanistan nicht zu einer Beendigung des Gewaltkonfliktes führen wird." Militärische Mittel könnten kein Ersatz für politische Veränderungsprozesse sein. Die Veränderungsprozesse müssten von der sozialen Basis der Gesellschaft ausgehen. "Dagegen ist die neue US-amerikanische Strategie in Afghanistan eine reine Aufstandsbekämpfungsstrategie, wie das Gutachten kritisch anmerkt", so Höger.

Richtig sei auch, dass im Friedensgutachten für den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland, für ein Ende der nuklearen Teilhabe Deutschlands und für den Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen plädiert werde, meint Höger. Leider sei die Bundesregierung in dieser Hinsicht wenig konsequent und verstecke sich hinter US-Präsident Barack Obama, statt konkrete Schritte zu tun.

Während das Friedensgutachten bestätige, dass zivile und politische Strategien fehlten, stecke die Bundesregierung Milliarden "in militärische Operationsplanungen, wie etwa in die ebenfalls heute in Kiel eröffnete militärische Denk- und Planungsfabrik 'Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters' (COE CSW)." Hier sollten als Teil der NATO-Struktur Strategien für militärische Interventionen in Randmeeren und Küstengewässern entwickelt werden. "Die Eröffnung dieses Kriegsplanungszentrums zeigt, dass es der Bundesregierung nicht um Friedens- sondern um Machtpolitik geht", kritisiert Höger.

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