Die Grundsatzrede Köhlers in einer Berliner Kirche mit dem Titel "Die Glaubwürdigkeit der Freiheit" traf rund zwei Monate vor der Bundespräsidentenwahl parteiübergreifend auf weitreichende Zustimmung. Köhlers SPD-Gegenkandidatin Gesine Schwan kündigte an, demnächst ihrerseits Wege aus der Krise aufzeigen zu wollen.
Köhler mahnte, die Bevölkerung habe jetzt Anspruch darauf, dass ihre Regierung geschlossen handele und Lösungen entwickle. "Die Krise ist keine Kulisse für Schaukämpfe. Sie ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie insgesamt", sagte der Bundespräsident und warnte: "Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wird sich wieder deutlich erhöhen".
In den vergangenen Monaten hätten Bundesregierung und Bundesrat "Handlungsfähigkeit bewiesen und kurzatmigen Aktionismus vermieden", lobte Köhler. Viele Bürger seien aber verunsichert. "Die Menschen brauchen mehr Information und Erklärung über das, was abläuft."
"Jetzt erleben wir, dass es der Markt allein nicht richtet"
Die Krise sei das "Ergebnis fehlender Transparenz, Laxheit, unzureichender Aufsicht und von Risikoentscheidungen ohne persönliche Haftung", kritisierte das Staatsoberhaupt mit Blick auf die Finanzbranche und fügte hinzu: "Wir erleben das Ergebnis von Freiheit ohne Verantwortung." Das Staatsoberhaupt betonte: "Jetzt erleben wir, dass es der Markt allein nicht richtet. Es braucht einen starken Staat, der dem Markt Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt." In früheren Zeiten hatte Köhler allerdings gänzlich andere Thesen vertreten.
Gerade die Krise bestätige den Wert der sozialen Marktwirtschaft. Mit diesem Modell, das dem ähnele, was auch US-Präsident Barack Obama anstrebe, hätten die Deutschen international etwas anzubieten. "Keiner kann mehr dauerhaft Vorteil nur für sich schaffen. Die Menschheit sitzt in einem Boot", betonte Köhler - früher Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) - auch mit Blick auf die Entwicklungs- und Klimapolitik.