Der Ex-Terrorist konnte das Gefängnis nun zwei Wochen vor Ablauf seiner Mindesthaftzeit von 26 Jahren am 3. Januar 2009 verlassen, weil ihm einige noch nicht verbrauchte Ausgleichstage für geleistete Arbeit in der JVA angerechnet wurden. Es gebe "keinen Zusammenhang mit den Weihnachtsfeiertagen", sagte Achim Brauneisen, Ministerialdirigent im Justizministerium.
Im Gegensatz zu anderen verurteilten RAF-Mitgliedern hat Klar sich bisher nicht eindeutig von seiner Vergangenheit distanziert. 2001 erklärte er, der Begriff Reue mache für ihn politisch keinen Sinn, solange der Kapitalismus so viele Opfer produziere. Im Januar 2007 formulierte Klar in einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz erneut eine scharfe Kapitalismuskritik. Er rief dazu auf, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden".
In Freiburg geboren und aus einer gutbürgerlichen Familie stammend, hatte Klar sich 1976 in seiner Studentenzeit der RAF angeschlossen. 1985 war er wegen neunfachen Mordes und elffachen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Den Urteilen zufolge war er an drei Attentaten beteiligt, die die Bundesrepublik im "Deutschen Herbst" 1977 erschütterten. Klar wurde jeweils als Mittäter beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen zwei Begleitern, am Bankier Jürgen Ponto und am Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie dessen vier Begleitern verurteilt.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte am 24. November entschieden, die lebenslange Freiheitsstrafe Klars zum 3. Januar 2009 zur Bewährung auszusetzen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine "fortdauernde Gefährlichkeit" Klars, hieß es zur Begründung. Die OLG-Entscheidung hatte zum Teil heftige Kritik hervorgerufen, weil Klar seine Taten öffentlich bislang nicht bereut hat.
Das Landesjustizministerium betonte, dass Klar "nach Verbüßung der festgesetzten Mindesthaftzeit von 26 Jahren" auf Bewährung entlassen worden sei. Die Anrechnung von "Freistellungstagen" als Ausgleich für geleistete Arbeit in der JVA habe zu einer "Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes" geführt.
Laut Strafvollzugsgesetz müssen einem Gefangenen Freistellungstage, die noch nicht verbraucht sind, von Amts wegen angerechnet werden. Klar habe sich solche Tage während seiner Haft erarbeitet, hieß es. "Ob er der Öffentlichkeit Auskunft über seinen Aufenthaltsort geben will oder nicht, obliegt allein der Entscheidung von Christian Klar", betonte das Ministerium.
Klar kann nun sein Praktikum im Berliner Ensemble beginnen. Es gebe noch keinen genauen Termin, aber das Angebot bestehe weiterhin, sagte eine Sprecherin des Theaters. "Wir warten darauf, dass Herr Klar auf uns zukommt." Klar hatte sich nach Angaben der Sprecherin um ein Praktikum als Bühnentechniker beworben.
Das OLG Stuttgart hatte es als entscheidend erachtet, dass das kriminelle Handeln von Klar eng mit dessen früherer Zugehörigkeit zur RAF verbunden gewesen sei. Diese sei aber seit 1998 unter Mitwirkung Klars aufgelöst.
Bemerkenswert ist, dass manche Opfer nun auf Klar zugehen. Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ex-General Frederick J. Kroesen, ließ am Freitag seine Bereitschaft zu einem Gespräch mit Klar erkennen. "Sollte er mich anrufen, würde ich mich einem Gespräch nicht verweigern und mit ihm reden", sagte Kroesen der Illustrierten "Bunte". Der heute 85-jährige Kroesen war am 15. September 1981 bei einem Anschlag der RAF leicht verletzt worden.
Auch Michael Buback, der Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts, ist grundsätzlich bereit, mit Klar zu sprechen. "In dem Moment, in dem jemand - auch Christian Klar - mir etwas mitteilen will oder mir etwas schreiben will oder auch mich anrufen würde, würde ich den Hörer nicht auflegen", sagte Buback im November. Das Wichtigste sei für ihn, "die Wahrheit" über das Attentat auf seinen Vater zu erfahren.