DIE Internet-Zeitung
Ermordung von 29.000 Menschen vorgeworfen

NS-Kriegsverbrecherprozess gegen Demjanjuk in München

Am

Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher Iwan John Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe übertrug das Strafverfahren gegen den 88-Jährigen dem Landgericht München II, wie es in einem am Donnerstag (11. Dezember) veröffentlichten Beschluss des BGH heißt. Zur Begründung hieß es, Demjanjuk habe sich 1951 mehrere Monate in einem Lager im heutigen Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts aufgehalten.


Demjanjuk wird beschuldigt, im deutschen Vernichtungslager Sobibor auf polnischem Gebiet vom 27. März bis 16. September 1943 an der Ermordung von mindestens 29 000 Menschen beteiligt gewesen zu sein, darunter 1900 deutsche Juden. Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen mit Sitz in Ludwigsburg hat nach eigener Auffassung inzwischen ausreichend Beweismaterial für eine Anklage gegen Demjanjuk gesammelt.

Er befindet sich seit Jahren im Visier der Nazi-Jäger. Demjanjuk wanderte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unerkannt in die USA aus. Als Ende der 1970er Jahre seine Mitwirkung am Holocaust bekannt wurde, lieferten ihn die USA 1986 an Israel aus. Dort wurde er wegen seiner mutmaßlichen Tätigkeit als besonders grausamer Wachmann "Iwan der Schreckliche" im nordöstlich von Warschau gelegenen Vernichtungslager Treblinka angeklagt.

1988 wurde Demjanjuk zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof Israels sprach ihn allerdings 1993 wieder frei, weil nicht sicher geklärt werden konnte, ob er wirklich der berüchtigte "Iwan" war. Nach seiner Rückkehr in die USA wurde ihm aber die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt.

Schon lange gab es nach Darstellung der Ludwigsburger Ermittlungsbehörde Hinweise darauf, dass Demjanjuk als Wachmann im ostpolnischen Vernichtungslager Sobibor tätig war. Die neuen "Beweise" stammten nun aus aufwendigen Recherchen in Archiven in Israel, in den USA und an verschiedenen Orten in Deutschland. Es sei nun erstmalig möglich, die Opfer mit vollständigem Namen und Geburtsdatum zu benennen, heißt es.

Der 2. Strafsenat des BGH, der unter anderem für die Bestimmung eines Gerichtsstands zuständig ist, entsprach mit der Übertragung des Verfahrens einem Antrag der Bundesanwaltschaft. Nunmehr sei das Landgericht München II für die "Untersuchung und Entscheidung in dem Strafverfahren" zuständig. Der BGH war mit der Sache befasst worden, weil ein Gerichtsstand im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - und damit eine für die weiteren Ermittlungen zuständige Staatsanwaltschaft - zuvor nicht festgestellt werden konnte.

(AZ: 2 ARs 536/08 - Beschluss vom 9. Dezember 2008)

Auswahl an Beiträgen zu den Stichworten