Juli 2008
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Ex-Verfassungsrichter kritisiert Regierung wegen Online-Durchsuchung
Die Bundesregierung muss nach Ansicht des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem ihre Erkenntnisse zur Effektivität neuer Überwachungsmaßnahmen stärker offen legen. "Es fällt auf, wie wenig belastbare Aussagen es über die Erfolge des Einsatzes neuer Überwachungsmittel gibt", sagte Hoffmann-Riem am Freitag (18. Juli) in Karlsruhe. Bei neuen Überwachungsinstrumenten wäre es hilfreich, wenn die Verantwortlichen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahmen "belastbare Befunde zugänglich machten und nicht 'mauerten'", sagte er.
US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama kommt am 24. Juli nach Berlin
Der designierte demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama kommt am 24. Juli zu einem eintägigen Besuch nach Berlin. Dabei wird er sich zunächst mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen, anschließend ist ein Gespräch mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geplant. Das wurde am Freitag von Regierungsseite bestätigt. Anschließend will Obama seine öffentliche Rede halten.
1800 Polizisten sollen Bundeswehr vor Reichstag schützen
Die Berliner Polizei wird das erste Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag mit einem Großaufgebot schützen. Zur Gewährleistung der Sicherheit während der Zeremonie sowie zweier Gegendemonstrationen würden rund 1800 Beamte eingesetzt, teilte die Behörde am Freitag (18. Juli) mit. Die Berliner Polizei wird dabei von Kollegen aus Sachsen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz sowie Beamten der Bundespolizei unterstützt.
BGH urteilt über zentrale Regelung des neuen Unterhaltsrechts
Der Bundesgerichtshof will am Donnerstag über eine zentrale Regelung des seit Januar 2008 geltenden neuen Unterhaltsrechts entscheiden. Das kündigte der Vorsitzende Richter des 12. Zivilsenats am Mittwoch (16. Juli) in der Revisionsverhandlung an. Es geht darum, unter welchen Umständen die Mutter eines nichtehelichen Kindes vom Ex-Partner Betreuungsunterhalt über die obligatorischen drei Jahre hinaus verlangen kann. Mit der Gesetzesänderung war es zu einer Gleichstellung insofern gekommen, als Mütter nach der Trennung grundsätzlich für drei Jahre Betreuungsunterhalt bekommen - unabhängig davon, ob sie verheiratet waren oder nicht. Unklar ist bislang aber, in welchen Fällen eine Verlängerung möglich ist.
Anwohner werfen DHL unlautere Methoden beim Leipziger Nachtflugstreit vor
Im Streit über die Nachtflüge am Flughafen Leipzig/Halle haben Anwohner dem Luftfrachtdienstleister DHL indirekt Erpressung und unlauteren Wettbewerb vorgeworfen. Das Unternehmen habe Millionen investiert, obwohl der Rechtsstreit um die Nachtfluggenehmigung noch gar nicht entschieden war und versuche jetzt, mit eben diesen Investitionen eine mögliche Nachtfluggenehmigung zu erzwingen, sagte der Anwalt der Anwohner, Wolfgang Baumann, am Dienstag (15. Juli) vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Zuzug "hochqualifizierter" Fachkräfte soll erleichtert werden
Die Bundesregierung will den Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland erleichtern. Über ein entsprechendes Aktionsprogramm, auf das sich Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verständigt haben, berät am Mittwoch (15. Juli) das Bundeskabinett in Berlin.
"Das Atomkraftwerk Biblis ist aus rechtlichen Gründen stillzulegen"
Nach Auffassung der Dortmunder Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach ist das Atomkraftwerk Biblis B nach dem Atomgesetz stillzulegen, weil es nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Die Anwältin vertritt drei Kläger, die gemeinsam mit der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW die endgültige Abschaltung des Atommeilers vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel durchsetzen wollen. Die Klage wurde am 17. Januar 2008 eingereicht. Die Rechtsanwältin betont, dass das beklagte Hessische Umweltministerium in einem Behördenvermerk zugegeben habe, dass das Atomkraftwerk Biblis "nicht dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik" entspricht (ngo-online berichtete). Nach Auffassung von Rülle-Hengesbach muss diese behördliche Bewertung Konsequenzen haben.
Linke hat Unterschriften für Wahlzulassung in Bayern zusammen
Die Partei Die Linke hat nach eigenen Angaben die nötigen Unterstützerunterschriften für das Antreten bei der bayerischen Landtagswahl zusammen. In allen sieben Regierungsbezirken hätten weit mehr als die vorgeschriebenen 831 bis 2000 Unterschriften gesammelt werden können, sagte Linke-Landesgeschäftsführer Niels Holger Schmidt am Montag (14. Juli). Insgesamt sind zur Wahlzulassung in Bayern mindestens 8146 Unterschriften notwendig.
Linke Gruppen wollen Bundeswehr-Gelöbnis am Reichstag stören
Ein Bündnis linker Gruppen hat für den 20. Juli zu einer Demonstration gegen das Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag aufgerufen. Unter dem Motto "Stopp den Kriegseinsätzen! - Gegen die Militarisierung des Alltags" wollen sich die Teilnehmer am kommenden Sonntag um 17.00 Uhr vor dem Brandenburger Tor treffen, wie die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) am Montag mitteilte. Anschließend ist geplant, zum Denkmal für die vom NS-Regime ermordeten Reichstagsabgeordneten zu ziehen, das sich direkt am Reichstag befindet. Nach Angaben der Polizei liegt eine Anmeldung zu der Demonstration vor, die derzeit geprüft werde. Nach Angaben des "Gelöbnix-Bündnisses" sind Aktionen geplant, "um den Ablauf der Zeremonie durcheinanderzubringen". Eine Sprecherin sagte, die Proteste gegen die Bundeswehr würden "unüberhörbar" sein. Die Bundeswehr werde auch in diesem Jahr nicht ohne Protest geloben können.
Ex-Umwelt-Staatssekretärin Wolf will Grüne verlassen
Die frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Margareta Wolf kehrt ihrer Partei den Rücken. Sie schreibe gerade ihre Austrittserklärung, sagte Wolf am Montag dem Online-Portal der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wolf gehörte seit 1980 den Grünen an. Sie hatte Ende 2007 ihr Bundestagsmandat zurückgegeben und ist seitdem als Mitarbeiterin der Kommunikationsberatung Deekeling Arndt Advisors auch für den Informationskreis Kernenergie tätig. Wolf war von 2001 bis 2002 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und von 2002 bis 2005 beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Hessische Atomaufsicht bestätigt veraltete Sicherheitstechnik von Biblis
Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW machte am 14. Juli 2008 einen "Vermerk" des Hessischen Umweltministeriums öffentlich, in dem bezogen auf das Atomkraftwerk Biblis wörtlich festgestellt wurde: "... denn die Anlage entspricht selbstverständlich nicht dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik ...". Damit bestätige das Ministerium den von der IPPNW seit Jahren praktisch wortgleich erhobenen Vorwurf, dass das Atomkraftwerk Biblis B nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche und sicherheitstechnisch völlig veraltet sei. Der Behördenvermerk vom 19. September 2005 wurde anlässlich eines Antrags der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW vom 9. September 2005 erstellt, der die Stilllegung von Biblis B zum Ziel hat. Die Organisation klagt inzwischen gemeinsam mit drei Privatpersonen beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof auf Stilllegung des Altmeilers.
Saar-Linke strebt Zusammenarbeit mit der SPD an
Die Linke im Saarland strebt nach der Landtagswahl im kommenden Jahr eine Koalition mit der SPD an. Der designierte Spitzenkandidat der Saar-Linken, der frühere saarländische Ministerpräsident und jetzige Bundesvorsitzende der Partei, Oskar Lafontaine, sagte am Freitag im Saarländischen Rundfunk, "wenn es normal zugeht, muss man sich an den Inhalten orientieren und da gibt es viele Überschneidungen mit den Sozialdemokraten". Insofern sei klar, dass es eine Zusammenarbeit mit der SPD geben müsste, wenn die Inhalte letzten Endes ausschlaggebend seien. Als Beispiele nannte Lafontaine Korrekturen beim achtjährigen Abitur, die Ablehnung von Studiengebühren und die Industriepolitik.
Töpfer fordert eine dezentrale, bezahlbare, erneuerbare Energieversorgung
Der einstige deutsche Umwelt- und "Atomminister" Klaus Töpfer (CDU), zuletzt Direktor des UN-Umweltprogramms, fordert eine dezentrale, bezahlbare, erneuerbare Energieversorgung. Zugleich warnte er, die Bioenergie solle in der Debatte um die Energieversorgung der Zukunft "nicht vorschnell verurteilt werden". Töpfer räumt hierbei der Nahrungsmittelerzeugung Priorität ein: "Es muss unstrittig klar sein, dass im Dreieck von vollen Tellern, vollen Tanks und intakter Natur immer der Teller die absolute Priorität hat. Aber überall dort, wo wir Biomasse haben, die weder die Nahrungsmittelversorgung in Frage stellt noch die Natur zerstört, müssen wir sie energetisch nutzen", so Töpfer, der nun auch die Informationskampagne "deutschland hat unendlich viel energie" als Schirmherr unterstützt.
RWE will Biblis A durch lange Revision über Bundestagswahl retten
Mit einer mehr als viermonatigen Revision will der Energiekonzern RWE das Atomkraftwerk Biblis A über die kommende Bundestagswahl hinaus am Netz halten. Der umstrittene Reaktor werde von Mai bis September kommenden Jahres abgeschaltet, sagte RWE-Sprecher Lothar Lambertz am Donnerstag (11. Juli). RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann hatte allerdings bereits im vergangenen Dezember eingeräumt, beim Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Biblis auf Zeit zu spielen.
Was ist das Asse-Endlager?
Das Endlager Asse ist eine unterirdische Einrichtung in Niedersachsen für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Nachdem zwischen 1967-1978 Abfälle eingelagert wurden, traten Probleme wie Wassereinbrüche auf. Dies führte zu Debatten über Umweltrisiken und die Notwendigkeit, die Abfälle sicher zu bergen. Aktuell laufen Maßnahmen zur Schließung und Stabilisierung des Endlagers Asse, um langfristige Sicherheit zu gewährleisten.
PKK verlangt Korrektur einer "feindlichen Politik" gegenüber dem kurdischen Volk
Die Hoffnungen auf eine schnelle Freilassung der drei in der Osttürkei entführten deutschen Bergsteiger sind am Donnerstag (10. Juli) geschwunden. Die Entführer der kurdischen Rebellenorganisation stellten über die PKK-nahe Nachrichtenagentur Firat Bedingungen für die Freilassung der aus Nieder- und Oberbayern stammenden Männer. In der Erklärung der PKK hieß es, der deutsche Staat solle seine "feindliche Politik" gegenüber dem kurdischen Volk und der PKK aufgeben. Solange dies nicht der Fall sei, würden die Entführten nicht freigelassen. Sie befinden sich den PKK-Angaben zufolge bei guter Gesundheit. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies die Forderungen der PKK strikt zurück.
Bischof Huber und Voßkuhle betonen Religionsfreiheit in Deutschland
Repräsentanten von Kirche und Bundesverfassungsgericht haben die Bedeutung der Religionsfreiheit in Deutschland betont. Dieses Grundrecht gelte laut Verfassung "für alle Religionen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Donnerstag (10. Juli) in Karlsruhe. Der neue Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, verwies auf die Rechtsprechung seines Gerichts, wonach sich der Staat "nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren" dürfe.
CSU geht im Streit um Obama-Rede auf Distanz zu Merkel
Dauerstreit zwischen der CSU und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehört offenbar zum Wahlkampf-Konzept der Union, damit die CSU-Mehrheit Bestand hat. Jetzt geht die CSU auch bei der Auseinandersetzung um eine Rede des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama vor dem Brandenburger Tor in Berlin auf Distanz zu Merkel. Der außenpolitische Experte der CSU, Karl-Theodor zu Guttenberg, zeigte wenig Verständnis für deren ablehnende Haltung. "Das fällt in die Kategorie Sommertheater, mit der kleinen Ausnahme, dass es nicht von Parlamentariern, sondern von der Bundesregierung veranstaltet wird", sagte Gutenberg dem "Münchner Merkur".
Verteidigung im "Kofferbomber"-Prozess hält Gutachter für befangen
Im "Kofferbomber"-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf will die Verteidigung einen der beiden Gutachter für befangen erklären lassen. Zur Begründung ihres Antrags führten die Anwälte des 23-jährigen Libanesen Youssef el-Hajdib am Mittwoch (9. Juli) an, der Psychiatrie-Professor Norbert Leygraf habe sich "abfällig und mit offener Häme" über ihren Mandanten geäußert. Solche Äußerungen könnten nicht Teil eines Gutachter-Auftrags sein.
Schünemann kritisiert "schlechte Koordination" bei Einbürgerungstest
Das niedersächsische Innenministerium hat nach dem Bekanntwerden von fehlerhaften Fragen im Landesteil des neuen Einbürgerungstests das Bundesinnenministerium kritisiert. Auch landesspezifische Fragen seien bis zuletzt geheim gehalten und den Bundesländern nicht zur Kontrolle vorgelegt worden, sagte ein Sprecher am Mittwoch (9. Juli). "Es wäre sicher gut gewesen, uns mal drüberschauen zu lassen." Nach Ansicht von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist das "ein Beispiel für schlechte Koordination zwischen Bund und Ländern", was ihm auch auf anderen Feldern Sorge bereite. Das Bundesinnenministerium wies die Kritik zurück. "Wir sind erstaunt, dass Herr Schünemann die Arbeit seines Hauses nicht kennt", sagte eine Sprecherin in Berlin.